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Monatelang ohne Dach, dann fackelt das Haus ab – Mieter:innen in Köln sitzen jetzt auf der Straße

Nachdem die Immobilienfirma d.i.i. im Jahr 2025 Insolvenz angemeldet hatte, mussten die Mieter:innen in Köln-Flittard in feuchten Wohnungen sitzen. Um Kosten zu sparen hat der Insolvenzverwalter das Gerüst für die Renovierung des neuen Dachs entfernen lassen. Monatelang haben Mieter:innen sich gegenseitig über die Runden geholfen, aber jetzt müssen sie trotzdem raus.  Ein Kommentar von Quinn Fischer.

Eine Familie sitzt mit vier kleinen Kindern abends im Dunkeln auf dem Sofa, Licht spenden nur zwei Handys und kleine aufladbare LED-Leuchten. Aus der Dusche kommt lediglich kaltes Wasser. Einzige Option für warmes Essen ist ein kleiner Gaskocher, den die Mieter:innen häufig auch noch untereinander teilen müssen. Eine Handvoll Gasheizungen sorgen dafür, dass Säuglinge nicht erfrieren. So lebten Mieter:innen im Kölner Stadtteil Flittard wochenlang bevor es Ende September zum Brand kam.

Schon im Jahr 2023 hatte die Eigentümergesellschaft d.i.i. (Deutsche Invest Immobilien AG) damit begonnen, das Haus in der Eduard-Heis-Straße 7-9 neu zu dämmen und gleichzeitig das Dach aufzustocken. Obwohl das Gebäude von außen einigermaßen fertig aussah drang im Winter 2023 überall Wasser ein. Die Folge: Wasserschaden und Schimmel.

Da die Stadt Köln die Eigentümer damals verpflichtete eine „Dachgerüsthaube“ – eine Art Schutzdach über dem unfertigen Dach – anzubringen, konnten die Wohnungen wieder trocknen. Für Renovierungen kamen die Mieter:innen in den folgenden Jahren trotzdem selbst auf. d.i.i. meldete nämlich im Frühjahr 2025 Insolvenz an. Zu Entschädigungen oder sonstiger (finanzieller) Hilfe kam es nie.

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Wie bei einem Insolvenzverfahren üblich sollte das Unternehmen wieder zahlungsfähig gemacht werden. Forderungen eventueller Insolvenzgläubiger:innen stehen dabei jedoch im Vordergrund – nicht das Wohl der Mieter:innen. Dokumenten der Stadt Köln zufolge wollte der Insolvenzverwalter Thomas Rittmeister Miete für die „Dachgerüsthaube“ sparen und ließ sie kurzerhand wieder abmontieren. Seitdem regnete es wieder in die Wohnungen rein.

Immobilienfirma d.i.i. zieht sich aus der Affäre

Die Schäden für die Mieter:innen, darunter Familien mit Kindern im unterschiedlichsten Alter sind fatal: Nicht nur müssen Sie mit Feuchtigkeit und Schimmel kämpfen, aus Sicherheitsgründen wurde auch der Strom abgestellt. Im August 2025 kam es aufgrund des Regens zu Stromausfällen und einige Bewohner:innen hatten Stromschläge erlitten.

Seitdem berichten Mieter:innen von ihren katastrophalen Wohnverhältnissen: Ab Sonnenuntergang hausen sie im Dunkeln, es gibt kein Warmwasser und ohne Strom muss das Essen in einem Gaskocher warm gemacht werden. Waschmaschine und Kühlschränke funktionieren gar nicht.

Trotz dieser Missstände handelt das Immobilienunternehmen d.i.i. nicht. Anfang September forderte die Bezirksvertretung Köln Mülheim die Hausverwaltung auf, unverzüglich „gebäudeschützende Maßnahmen“ anzuwenden damit das Mietshaus keine unumkehrbaren Schäden erleidet und die Bewohner:innen nicht auch noch obdachlos werden – getan hat sich seitdem nichts.

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Weder das Immobilienunternehmen selbst, noch die Insolvenzverwaltung stellen eine klare Ansprechperson zur Verfügung. Auf Anfragen der Stadt, aber auch verschiedener Medien wie WDR oder Bild, gab es keinerlei Reaktion.

Brand zwingt letzte Mieter:innen aus der Wohnung

Einige Tage nachdem der Strom abgeschaltet wurde forderte die Stadt Köln die Mieter:innen per Post auf das Haus zu räumen. Die Begründung: „Gefahr im Verzug“. Zwar wurden Notunterkünfte bereitgestellt, diese befinden sich jedoch im Stadtteil Rodenkirchen und damit am anderen Ende der Stadt.

Gerade für die Mieter:innen mit Schulkindern unhaltbare Zustände: Die Kinder wären jeden Tag drei Stunden zur Schule und zurück unterwegs. Viele harren deshalb lieber in der nassen und dunklen Wohnung aus. Andere sehen sich nach neuen Wohnungen um, bekommen aber nur Absagen. Allgemein sind Wohnungen in Köln teuer und Vermieter:innen suchen sich nur die wohlhabendsten Mieter:innen aus.

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Am 29. September schließlich kommt es in dem Haus zum Brand. Zwei Anwohner:innen wurden verletzt und mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Das Feuer kam von einem Balkon, laut Aussagen einer Anwohnerin vermutlich verursacht durch eine der Gasheizungen mit denen die Mieter:innen versuchten der Kälte zu trotzen.

Jetzt sind die Wohnungen stark verraucht, beschädigt und nicht mehr bewohnbar. Die Polizei sperrte das Haus einen Tag später komplett ab. Die Mieter:innen durften jeweils nur für eine Stunde in ihre Wohnung, um die wichtigsten Gegenstände herauszuholen. Viele der Mieter:innen sitzen nun auf der Straße. Zwischenzeitlich können sie in die Notunterkünfte unterkommen, doch auf Dauer ist das keine Lösung. Gerade nicht für die Familien mit Kindern.

Immobilienfirma verzockt sich, Mieter:innen baden es aus

Auf der Website der Kanzlei Reimer Rechtsanwälte wirbt Insolvenzverwalter Rittmeister damit, dass das Handelsblatt ihn als einen der „besten Anwälten für Restrukturierung und Insolvenzrecht in Deutschland“ sieht. Mieter:innen haben davon offensichtlich nichts. Erst zahlte die Immobilienfirma nicht für die verursachten Schäden durch Schimmel und Feuchtigkeit, dann kam ein Insolvenzverwalter und macht es nur noch schlimmer.

Rasant steigende Mieten trotz Mietpreisbremse

Wenn Unternehmen wie d.i.i. mit Miete spekulieren und sich bei ihrem Versuch verzocken, möglichst großen Profit für Investor:innen rauszuschlagen, kann das nur auf Kosten der Mieter:innen geschehen. Für finanzielle Interessen kann man schon mal ein paar Familien und ihre Kinder in dunklen und nassen Wohnungen ohne Strom sitzen lassen. Hauptsache, den Investor:innen geht es gut.

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