Zeitung für Solidarität und Widerstand

Ökonomische Kämpfe international – Wir haben ein Recht auf Widerstand!

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat den Internationalen Gerichtshof beauftragt, ein Übereinkommen zum Streikrecht zu überprüfen. Während die Kapitalseite eine Schwächung des Ausschusses fordert, will die ILO das Recht auf Arbeitskampf absichern. In Realität müssen wir uns dieses Recht aber selbst erkämpfen. – Ein Kommentar.

International können wir Kämpfe und Erfolge unserer Klasse beobachten: zahlreiche Proteste und Generalstreiks, ob in Frankreich gegen das Erhöhen des Rentenalters, in Italien gegen den Genozid in Palästina, in Belgien oder in Griechenland gegen Lohnkürzungen und höhere Arbeitszeiten. Gleichzeitig sehen und erleben wir immerzu Angriffe auf unsere Klasse von Seiten des Kapitals.

Nicht nur, dass uns mit den steigenden Preisen und dem Stellenabbau der Boden unter den Füßen weggezogen wird und wir uns an das Existenzminimum krallen müssen – unser Widerstand wird zunehmend kriminalisiert.

Im Zuge der sich immer weiter zuspitzenden Interessenwidersprüche entstand auch innerhalb der letzten drei Jahre ein Konflikt innerhalb der ILO, eines Gremiums der UN, das sich mit den Rechten von Arbeiter:innen beschäftigt. Es werden Übereinkommen herbeigeführt, deren Umsetzungen international von einem Ausschuss überprüft und ausgelegt werden, also auf die konkrete Situation des Landes abgestimmt werden.

Kapitalverbände gegen allgemeines Streikrecht

Die Organe der ILO, bestehend aus „Staat“, „Kapital“ und „Arbeit“ – sprich Staatschefs, Konzernchefs und Repräsentant:innen von Gewerkschaften und Arbeiter:innenvereinigungen – sind zerstritten. Konkret geht es um das Übereinkommen Nr. 87, das bereits im Jahr 1948 verabschiedet wurde. Dieses regelt das Versammlungsrecht und die Vereinigung der Arbeiter:innen als Völkerrecht.

Der Ausschuss der ILO spricht sich dafür aus, dass das Streikrecht ebenfalls Teil des Übereinkommens ist: „Jede Organisation von Arbeitnehmern oder von Arbeitgebern, welche die Förderung und den Schutz der Interessen der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber zum Ziele hat“, sei mit inbegriffen.

Kapitalist:innen und Unternehmerverbände der ILO verlangen hingegen vom Ausschuss, fortan keine Auslegungen zu bestimmen und lediglich die Umsetzung von Übereinkommen zu prüfen. Der Ausschuss soll also Ausrichtungen prüfen, ohne sie verabschiedet zu haben, sprich: die Praxis prüfen zu sollen, ohne eine vorgegeben zu haben. Das öffnet natürlich Tür und Tor für Regelungen, die Arbeitskämpfe zwar im Namen erlauben, ihnen aber jegliche Mittel nehmen, effektiv vorzugehen.

Gleichzeitig schlagen die Unternehmerverbände eine eigene Ausrichtung vor: Das Übereinkommen Nr. 87 solle sich nicht auf das Streikrecht und erst recht nicht auf politische Streiks beziehen.

Generalstreik gegen Rentenreform – Brüssel in Aufruhr

Kein wahres Streikrecht in Deutschland

Nun hat die ILO den Internationalen Gerichtshof (IGH) beauftragt, das Übereinkommen zu prüfen und klarzustellen, was es genau für das internationale Recht auf Arbeitskampf bedeutet. Die Begutachtung des IGH ist im Oktober 2025 erfolgt, der Beschluss wurde noch nicht kundgegeben.

Für die Arbeiter:innen in Deutschland bedeutet das, nun Druck aufzubauen, denn laut ILO verstößt Deutschland seit Jahrzehnten gegen das Völkerrecht. Das Übereinkommen Nr. 87 ist 1958 in der BRD in Kraft getreten und als Völkerrecht bestätigt worden.

Dennoch bleibt der Generalstreik in Deutschland untersagt und Streikbedingungen müssen den tarifvertraglichen Regelungen entsprechen. Politische Streiks sind also völlig ausgeschlossen, Streiks nur im Zuge einer Tarifverhandlung erlaubt.

Sollte das Urteil des IGHs besagen, dass das Streikrecht ebenfalls im Übereinkommen Nr. 87 mit inbegriffen ist, ist das noch lange keine Garantie dafür, dass Deutschland nun unter Druck sich strenger an die Schlüsse der ILO halten wird. Denn es ist keinesfalls die einzige Instanz, in der sich die BRD dem Übereinkommen der ILO widersetzt. Die Regelungen bezüglich der Arbeitszeiten betrachtet Deutschland ebenfalls als flexibel. Deshalb steht ja die Abschaffung der 48-Stunden-Woche und des Achtstundentags infrage.

GroKo-Pläne: 48-Stunden Woche, 12-Stunden Arbeitstag – und bald auch Rente mit 70?

Streik, ohne Rücksicht auf ihre Regeln!

Den Kampf um Arbeit ohne Ausbeutung können wir keinem hohen Gericht überlassen. Wir müssen ihn selbst führen, auch wenn er von Kapitalist:innen belächelt wird, wie wir es 2024 bei den Bahnstreiks der GdL beobachten konnten: 3.000 Arbeiter:innen wurden als Duckmäuser beleidigt, ihre Forderungen nach höheren Löhnen wurden als absurd abgewunken.

Auf die Fantasie von unendlichem Wirtschaftswachstum und billigen Arbeitskräften können wir nur mit organisierten Kämpfen antworten – ob vom Bundesarbeitsgericht oder der ILO genehmigt oder verboten.

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