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Parlamentswahl: Rechtsruck in Tschechien

In Tschechien hat die ANO-Bewegung des rechten Agrar-Milliardärs Andrej Babis die Parlamentswahl gewonnen. Babis steht dem ungarischen Premierminister Viktor Orban nahe. Medien sprechen bereits von einem russlandfreundlichen Block innerhalb der EU. In Berlin dürfte das Ergebnis nicht nur als Problem gesehen werden.

Die ANO-Bewegung des Agrar-Milliardärs Andrej Babis hat die Parlamentswahl in Tschechien am Samstag gewonnen. Die Partei kam nach Angaben der tschechischen Statistikbehörde auf 34,9 Prozent der Stimmen und hat das bisher regierende Mitte-Rechts-Bündnis Spolu (Gemeinsam) des Ministerpräsidenten Petr Fiala mit 23 Prozent auf den zweiten Platz verbannt. Die tschechische Abkürzung ANO steht für „Aktion unzufriedener Bürger“.

Babis wird damit voraussichtlich neuer Ministerpräsident des osteuropäischen Landes, das er bereits von 2017 bis 2021 regiert hatte. Das Ergebnis wird in den Medien anderer europäischer Länder kritisch kommentiert, da Babis im Wahlkampf für ein Ende der Waffenlieferungen seines Landes an die Ukraine eingetreten ist. Dies würde das Ende für die Munitionsinitiative der Vorgängerregierung bedeuten, mit der das Land zu einem der wichtigsten Lieferanten großkalibriger Munition an die Ukraine geworden ist.

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Block mit Ungarn und der Slowakei?

Babis wurde mitunter als „tschechischer Trump“ bezeichnet, verfolgt eine „Tschechien-zuerst“-Politik und liegt mit seiner Position zur Ukraine auf einer Linie mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban und seinem slowakischen Konterpart Robert Fico. Die Neue Zürcher Zeitung sprach in der vergangenen Woche bereits von einem russlandfreundlichen „Block von EU-kritischen Staaten“, der die Bemühungen der EU, sich gegenüber Russland als solide Gegenmacht aufzustellen, „blockiert und unterläuft“. Mit der Wahl Ficos in der Slowakei im September 2024 habe Orban bereits einen engen Bündnispartner gewonnen, der seinen Staat autoritär umbauen will und sich gegen den Druck aus Brüssel wehrt, kein russisches Öl und Gas mehr zu kaufen. Beide Staaten bauen zudem enge Beziehungen nach China auf.

Unter Babis könnte Tschechien nun diesem informellen Bündnis weiteres Gewicht innerhalb der EU verleihen: „Während der Norden Mitteleuropas mit Polen und den baltischen Ländern sich zu einer Avantgarde europäischer Verteidigung entwickelt, einer Bastion gegen russische Macht und russischen Einfluss, könnten die südlicheren Länder Mitteleuropas mit Ungarn, der Slowakei und Tschechien einen Gegenpol bilden.“, so NZZ-Autor Ulrich Speck.

Widerstand gegen weiteren Ausbau der EU?

Auch die US-Regierung dürfte die Herausbildung eines Blocks aus Ungarn, der Slowakei und Tschechien innerhalb der EU gefallen. Denn je mehr die drei Staaten Pläne aus Brüssel torpedieren, die EU militärisch weiterzuentwickeln, desto stärker bleibt die Rolle der NATO und damit die Hegemonialstellung der USA in Europa. Pläne zu einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik werden seit Jahrzehnten vor allem von Frankreich vorangetrieben, und der französische Präsident Emmanuel Macron hat diese Linie in den vergangenen Jahren immer wieder bekräftigt.

Deutschland wiederum nutzt den Widerstand von Ländern wie Ungarn gegen eine weitere Integration der EU üblicherweise, um sich als Vermittler zu positionieren und dabei Frankreich auszubremsen. Die deutsche außenpolitische Linie ist es seit Jahrzehnten, im Rahmen der Westbindung den Einfluss der USA und Frankreichs gegeneinander auszubalancieren und zugleich gute Beziehungen nach Russland und China zu pflegen. Andere Länder wie Ungarn können dabei als diplomatische Kanäle dienen.

In Bezug auf Russland hat sich die deutsche Politik mit Beginn des Ukrainekriegs zwar drastisch geändert. Das bedeutet aber nicht, dass die Russlandnetzwerke innerhalb der deutschen Politik und des deutschen Kapitals tot wären und nicht längst an einer Wiederbelebung der bilateralen Beziehungen gearbeitet werden würde – zumindest als Option, die man sich offenhalten will.

Erst im Mai deckte die ARD-Sendung „Kontraste“ ein vertrauliches Treffen deutscher SPD- und CDU-Politiker:innen mit Vertretern des russischen Staates in Aserbaidschans Hauptstadt Baku auf. Darunter war auch der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla. In Berliner Kreisen dürfte die Wahl von Babis und die Stärkung prorussischer Kräfte in Europa deshalb nicht nur als Problem, sondern auch als Chance gesehen werden.

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