Zeitung für Solidarität und Widerstand

Räumungen und Widerstand in der Habersaathstraße

In Berlin-Mitte hat die Polizei ein von Obdachlosen besetztes Haus geräumt – am nächsten Tag folgte in Reaktion ein Angriff auf den Hausverwalter. Dessen Securities versuchen sich derweil an einer illegalen Räumung. Auch Bewohner mit gültigen Mietverträgen wehren sich.

Am Montag räumte die Berliner Polizei in der Habersaathstraße 48 im Bezirk Mitte ein Haus, das von zuvor obdachlosen Menschen besetzt worden war. Dies war von einem Gerichtsvollzieher angeordnet worden, um entsprechende Räumungsbeschlüsse durchsetzen zu lassen. Tatsächlich war aber nur eine der 12 entsprechenden Wohnungen bewohnt, deren zwei Bewohner:innen das Gebäude verließen.

Bereits während der Polizeiaktion setzten sich Personen aus dem Nachbarhaus mit Pyrotechnik zur Wehr. Zudem fand ein spontaner Protest der lokalen Initiative Leerstand Hab-Ich-Saath mit rund 70 Teilnehmer:innen gegen die Räumung statt.

Am Folgetag wurde außerdem der für den Häuserkomplex zuständige Hausverwalter von zwei Personen mit Pfefferspray angegriffen und musste daraufhin ambulant behandelt werden. Ein zweites Mal rückte die Polizei in die Habersaathstraße vor.

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Securities brechen Türen auf

Der Eigentümer nimmt die Situation darüber hinaus auch selbst in die Hand: Ein privates Sicherheitsunternehmen hat nach der Räumung begonnen, mehrere Wohnungseingänge zuzumauern.

Zudem soll es mehrere Türen aufgebrochen bzw. eingeschlagen haben. Dabei sollen sich die privaten Sicherheitskräfte als Polizei ausgegeben haben, wie die Morgenpost berichtet. Schon in der Vergangenheit hatten Securities Wohnungen verwüstet, damit diese nicht mehr von Obdachlosen genutzt werden konnten.

Der Eigentümer hatte die Immobilie im Jahr 2018 gekauft und will teuer neu bauen. Doch es gibt nicht nur besetzte leerstehende Wohnungen, sondern noch fünf Mieter:innen mit gültigen Mietverträgen in dem Gebäudekomplex in der Habersaathstraße 40-48. Diese haben gerichtlich bereits drei Verwertungsklagen widerstanden und wollen bleiben.

Obdachlosenunterkunft statt Penthouse

In der BRD zogen die Besetzer:innen vor allem in den 90er-Jahren viel Aufmerksamkeit auf sich: Orte wie die Rigaer Straße in Berlin oder die Hafenstraße in Hamburg werden auch in der Gegenwart noch mit Hausbesetzungen in Verbindungen gebracht.

Auch weiterhin finden kleinere Besetzungsaktionen statt. So fanden Mitte Oktober in Leipzig die Autonomen Besetzungstage (AbeTa) statt: In kurzer Zeit wurden in Leipzig unter anderem an der Eisenbahnstraße mehrere leerstehende Immobilien besetzt. Dem Aktionsbündnis zufolge geschah dies aus Protest gegen die auch hier rasant steigenden Mieten. Allerdings erfolgte die Räumung hier innerhalb kürzester Zeit.

Die Aktivist:innen aus beiden Städten scheinen die selben Motive zu haben: Sowohl Berlin-Mitte als auch die Leipziger Eisenbahnstraße sind zu Hochburgen der Gentrifizierung geworden. Die ansässigen Bewohner:innen werden zunehmend durch Verdrängungsmethoden wie z.B. der Eigenbedarfsklage aus ihren Häusern gedrängt, damit dort Luxuswohnungen oder Leerbauten als Kapitalanlage entstehen können.

Durch die Besetzungen sollen Freiräume für Menschen geschaffen werden, deren Existenz durch dieses Verdrängungsphänomen bedroht wird. Im Berliner Fall gehören dazu auch Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind. Die Berliner Polizei setzt dessen ungeachtet zum Winteranfang das Eigentumsrecht der Immobilienkapitalist:innen durch. Die Bewohner sollen nun in Notunterkünften – und damit auf Kosten der Allgemeinheit – untergebracht werden, während die Haabersathstraße eigentlich bewohnbare und leer stehende Räumlichkeiten bieten würde.

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