Am 21. Oktober wird Sanae Takaichi voraussichtlich zur neuen Premierministerin Japans gewählt. Sie vertritt dabei den rechten Flügel der konservativen Regierungspartei LDP. Parallel dazu steigt auch die faschistische Partei Sanseito auf. Diese konnte jüngst einen großen Wahlerfolg verbuchen und setzt die LDP von rechts unter Druck.
Nach zwei verlorenen Wahlen in einem Jahr ist am 4. Oktober der Premierminister Japans, Shigeru Ishiba, zurückgetreten. Dieser hatte im Oktober 2024 die Regierungsgeschäfte übernommen. In dieser Amtszeit musste Ishiba zwei Wahlniederlagen seiner Partei, der Liberaldemokratischen Partei (LDP), hinnehmen.
Zum einen wäre da die Wahl zum japanischen Unterhaus kurz nach seiner Amtseinführung Ende Oktober 2024. In dieser verlor die Regierungskoalition ihre Mehrheit in dieser Kammer des japanischen Parlaments. Dem folgte dann am 20. Juli 2025 die erneute Wahlniederlage und der Verlust der Mehrheit im Oberhaus. In dieser konnte dahingehend die faschistische Partei Sanseito starke Zugewinne machen. Als Reaktion darauf trat Ishiba zurück.
Damit steht die Wahl einer neuen Premierministerin an, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit Sanae Takaichi sein wird. Sie soll nach jetzigem Stand am 21. Oktober als neue Premierministerin gewählt werden. Jeff Kingston, Professor für Asian Studies an der Temple University in Tokio, bezeichnet sie als Teil der „Hardliner“-Fraktion der LDP, die der Ansicht ist, dass „der Grund für den Zusammenbruch der Unterstützung für die LDP darin liegt, dass sie den Kontakt zu ihrer rechtsgerichteten DNA verloren hat“.
Zudem stand Takaichi dem früheren Premierminister Shinzo Abe nahe. Dieser wurde von dem ehemaligen Berater im Weißen Haus, Steve Bannon, als „Trump bevor es Trump gab“ bezeichnet. Er hatte zudem die Aufrüstung Japans als Ganzes vorangetrieben, indem er versuchte, den Artikel 9 aus der japanischen Verfassung abzuändern. Dieser besagt, dass „Japan den Krieg als souveränes Recht ihres Staates absagt“ und verbietet das Unterhalten eines eigenen Militärs „zu Land, See und Luft“.
Takaichi wird dieses Amt dementsprechend in einem Land bekleiden, in dem es fünf verschiedene Premierminister innerhalb der letzten fünf Jahre gab. Hinzu kommt aktuell der starke Aufstieg einer neuen Partei rechts der LDP.
Japans Wirtschaft taumelt
Japans Wirtschaft befindet sich seit den 1990er Jahren in einer konstanten Stagflation. Das ist ein Phänomen, in dem das Wirtschaftswachstum aufgrund einer sehr geringen Inflation oder gar einer Deflation (Gegenteil von Inflation) stagniert. Dies hat dafür gesorgt, dass sich die Preise, die Löhne und der allgemeine Lebensstandard in Japan in den letzten 30 Jahren kaum verändert haben. Selbst die Wirtschaftskrise 2008 hatte daran wenig gerüttelt.
Doch die vermehrt auftretenden globalen Krisen der letzten fünf Jahre haben diesen Zustand zerrüttet. Seit Corona und mit dem Aufkommen des Ukrainek-Kriegs wurden die Importpreise erhöht. Dies hat die Deflation beendet und Japan eine 2- bis 3prozentige Inflation pro Jahr beschert. Dabei ist die größte Inflation bei den lebensnotwendigen Dingen wie Lebensmitteln zu finden.
Der größte Preisschock findet sich hier beim Grundnahrungsmittel Japans: Reis. Der Preis für einen 5-kg-Sack Reis hat sich im letzten Jahr verdoppelt und kostet mittlerweile umgerechnet etwa 3,50 Euro (4000 Yen). Das ist dabei nur einer der wichtigsten Indikatoren dafür, dass sich die japanischen Arbeiter:innen in sehr kurzer Zeit auf eine Verschlechterung der Lebenshaltungskosten einstellen mussten.
Neben diesen neuen Phänomenen kommen die schlechten Arbeitsbedingungen, wie überzählige Überstunden und eine rigide Hierarchie am Arbeitsplatz hinzu. Verstärkt werden diese Probleme durch die starke Alterung der Gesellschaft. Diese Problematiken wurden von den verschiedensten Regierungen der LDP in den letzten 30 Jahren versucht zu lösen, um den Wachstumsmotor wieder anzukurbeln.
Eine der Lösungen für die Überalterung und damit Schrumpfung der einsetzbaren Arbeiter:innen war eine für japanische Verhältnisse größere Offenheit für Migration. Japan hat dabei jedoch nur einen Migrationsanteil von 2 bis 3 Prozent, der im internationalen Vergleich sehr gering ist.
Japan trotz Verbot in der Kriegsvorbereitung
Schon unter Shinzo Abe wurden erste Schritte hin zu einem wieder kriegsfähigen Japan gegangen, mit den Versuchen, die Verfassung abzuändern, sodass die japanischen Selbstverteidigungseinheiten als legale Armee agieren dürfen. Der Großteil der japanischen Kriegsvorbereitungen liegt hierbei aber, anders als in Deutschland, nicht in erhöhten Militärausgaben. Diese sind über die vergangenen Jahre vergleichsweise stabil geblieben.
Die hauptsächliche Kriegsvorbereitung Japans liegt hierbei aktuell in der Zusammenarbeit mit den westlichen Verbündeten wie Deutschland oder den USA. So erklärte Ishiba noch Anfang 2025 in einer Presseerklärung: „Japan ist fest entschlossen, seine Verteidigungsfähigkeiten grundlegend zu stärken, und ich habe ihm gegenüber das unerschütterliche Engagement der Vereinigten Staaten für die Verteidigung Japans bekräftigt.“
Dies zeigt sich darin, dass Japan die Inseln in der Nähe von China und Taiwan militärisch ausbaut, ebenso wie die USA. Dies liegt in der strategischen Ausrichtung der First Island Chain der USA. Diese sieht vor, dass eine Kette aus Inseln von Japan über Taiwan, die Philippinen und Indonesien durch Militärbasen eine „erste Verteidigungslinie“ an dem chinesischen Zugang zum Pazifik bilden.
Ishiba bestätigte diese Strategie in der Presseerklärung: „Wir haben außerdem bekräftigt, dass Artikel V des japanisch-amerikanischen Vertrags über gegenseitige Zusammenarbeit und Sicherheit auf die Senkaku-Inseln Anwendung findet.“ Der Artikel 5 dieser Sicherheitsvereinbarung ist dabei ähnlich wie der Artikel 5 der NATO. Damit wird ein Angriff auf einen der beiden Staaten als Angriff auf beide gesehen. Dass dieser Artikel bei den Senkaku-Inseln gilt, ist dahingehend im Kontext der First Island Chain-Strategie zu sehen, da diese Inseln sich direkt neben Taiwan befinden.
Der Aufstieg der Faschist:innen
Teil der aktuellen politischen Entwicklungen ist neben der Stagflation und der Kriegsvorbereitungen auch der Aufstieg einer neuen Partei. Diese Partei nennt sich Sanseito und wurde 2020 von Sohei Kamiya gegründet. Dieser bezeichnete Donald Trump als „politisches Vorbild“ und verbreitet Verschwörungstheorien, wie z.B. dass die Juden hinter dem Untergang des Japanischen Kaiserreichs stünden.
Vorrangig wird von Sanseito eine starke Antimigrationsrhetorik geführt. In einer Rede sagte Kamiya: „Japan ist das Land der Japaner“. Teil der Antimigrationsdebatte seitens Sanseito ist auch die Gleichsetzung von Tourist:innen und Arbeitsmigrant:innen. Hierbei wird darauf aufgebaut, dass in den letzten Jahren mehr Tourist:innen in das Land gekommen sind. Respektlos gegenüber der lokalen Bevölkerung zu sein, ist dabei nicht unüblich. Diese besonderen Fälle werden dabei auf Arbeitsmigrant:innen projiziert. Darunter leiden dann die 3 Prozent der japanischen Bevölkerung, die nach Japan migriert oder geflüchtet sind.
Kamiya bezeichnete die Politik zur Gleichstellung der Geschlechter als Fehler. Sie würde Frauen zur Arbeit ermutigen und sie somit davon abhalten, Kinder zu bekommen.
Die jüngsten Wahlen zeichnen hierbei einen in Deutschland mit der AfD schon weiter fortgeschritteneren Trend auch für Japan ab. Verstärkt wird das dadurch, dass beispielsweise auch die Medienarbeit der Sanseito besser ist als die der anderen Parteien. So hat der YouTube-Kanal der Partei mit 500.000 Abonnent:innen die größte Follower-Zahl online von allen Parteien.
Der Westen als Blaupause für Sanseito und den Rechtsruck
Es ist nach alldem nicht überraschend, wenn Parteichef Kamiya seine Partei mit anderen faschistischen Parteien aus Europa oder Nordamerika vergleicht. So hatte er sich inspirieren lassen von dem Gebaren der neuen Rechten in beispielsweise den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland.
Die Methodiken, die in all diesen Ländern angewandt wurden, haben jeweils zu derart massiven Aufstiegen der Faschist:innen geführt, dass diese entweder selbst in Regierungsverantwortung sind oder sich diese immer weiter anbahnt. Dahingehend werden dann auch die Feindbilder und die Rhetorik ins Japanische übersetzt. Der Wahlslogan der Sanseito ist „Japan First“, der Kampf wird gegen den „Deep State“ und die ihn kontrollierenden „dunklen Mächte“ geführt.
Das ist meist vor allem ein Euphemismus für Jüd:innen und lehnt sich an vergangene antisemitische Verschwörungstheorien der „jüdischen Weltverschwörung“ an. Im Falle von Kamiya ist sein Antisemitismus nicht mal gut versteckt, wenn er in der Vergangenheit von dem „jüdischen internationalen Finanzkapital“ sprach, dass von der Corona-Pandemie profitiere – ein Feindbild, das auch schon die Nazis aufgebaut hatten.
Aufgrund dieser aktiven Vorbildrolle von Parteien wie der AfD oder der MAGA-Bewegung aus den USA ist abzusehen, dass Sanseito und die faschistische Bewegung in Japan einen ähnlichen Weg gehen wird wie in den westlichen Staaten.
Bestärkt wird das von der neuen Premierministerin, die Ausdruck einer weiteren Rechtsentwicklung in der LDP ist: Sie versucht Wähler:innen anzusprechen, die sich von Sanseitōs Botschaften über Ausländer, seien es Migrant:innen oder Tourist:innen, angesprochen fühlten.
Wie nah Takaichi schon jetzt an Sanseito ist, zeigt sich auch darin, dass sie sich zu Beginn ihrer Karriere offen als Unterstützerin des Buchs „Hitlers Wahlstrategie – eine Bibel für den sicheren Sieg bei modernen Wahlen“ gezeigt hatte. Geschrieben wurde das Buch von Yoshio Ogai, dem Pressebeauftragten der Liberaldemokratischen Partei in Tokio. „Wie der Autor im Buch angibt, besteht der Schlüssel zum Sieg darin, einen starken Willen zu haben“, so Takaichi in einem Interview mit der Zeitschrift Tokyo Seikei Tsushin im Jahr 1994.

