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„Schreiwettstreit“ im Oval Office: Trump drängt auf Zugeständnisse der Ukraine

Im ersten Treffen zwischen Trump und Selenskyj seit Februar gab es keine Einigung zur Lieferung von „Tomahawk“-Raketen an die Ukraine. Hinter verschlossenen Türen forderte er Selenskyj wiederholt dazu auf, Gebiete an Russland abzutreten. Der ukrainische Präsident zeigt sich jedoch bereit für direkte Verhandlungen mit Putin.

Zum ersten Mal seit ihrer öffentlichen Auseinandersetzung im Oval Office im Februar trafen sich US-Präsident Donald Trump und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj – diesmal nach vielversprechenden Zusagen des amerikanischen Präsidenten in den Wochen zuvor. Frustrationen über mangelnde Kooperation seitens Russlands waren wohl der Grund für Trumps plötzlichen Sinneswandel.

Trotz zahlreicher Telefonate und Gespräche – prominent etwa in Anchorage vor wenigen Monaten – konnten keine Fortschritte erzielt werden. Bei einem Interview an Bord der Air Force One stellte Trump schließlich die Lieferung von Marschflugkörpern in Aussicht, sollte Russland keine Einigung zulassen.

„Mit Zeit, Geduld und der finanziellen Unterstützung Europas und insbesondere der NATO ist die Wiederherstellung der ursprünglichen Grenzen (…) durchaus eine Option“, verkündete der Präsident einen Monat vor dem Interview über die Tomahawks auf Truth Social.

Stillstand an der Front – die Hoffnung bringen Tomahawks?

Nach bald vier Jahren ist ein konventioneller Sieg für eine der beiden Parteien schon seit langer Zeit in unerreichbare Ferne gerückt. Der Frontverlauf hat sich in den vergangenen Jahren kaum verändert – trotz der täglich steigenden Zahl von Toten und Verletzten.

3 Jahre Ukraine Krieg – wie geht es weiter?

Als Antwort auf die stagnierende Situation greifen beide Seiten zunehmend die Logistik und Infrastruktur des Gegners an. Zwar steht seit Kriegsbeginn auch zivile Infrastruktur immer wieder unter Beschuss – doch seit Monaten eskalieren Drohnen- und Raketenschläge auf Kraftwerke, Silos und militärische Einrichtungen hinter den Linien.

In diesem Kontext hofft die Ukraine nun auf die Lieferung der Tomahawk-Raketen. Diese Marschflugkörper wurden erstmals im ersten Golfkrieg von der US-Marine eingesetzt. Die von Raytheon gebauten und ursprünglich gegen Seeziele entworfenen Raketen fanden insbesondere in Amerikas Feldzügen in West-Asien breite Verwendung.

Die Besonderheit dieser Raketen liegt in ihrer Reichweite – je nach Modell bis zu 2.400 km – und ihrem Flugprofil. Sie fliegen mit Überschallgeschwindigkeit in vergleichsweise niedriger Höhe, was es schwerer macht sie abzufangen . Aus Sicht der ukrainischen Armeeführung wären sie also ideal für schnelle Schläge weit hinter feindlichen Linien.

Ukrainekrieg: Drohnenoffensive und wenig Erfolg bei Verhandlungen

Streitigkeiten um Gebietsabtretungen

Nach dem hitzigen Verlauf des Treffens im Februar kam es auch dieses Mal zu Streitigkeiten, wenn auch nicht in aller Öffentlichkeit. Im Februar hatten die beiden Staatschefs die Unterzeichnung eines Rohstoffabkommens geplant. Dies scheiterte öffentlich, nachdem der ukrainische Präsident Selenskyi von US-Präsident Trump und Vizepräsident Vance Sicherheitsgarantien für sein Land gefordert und erklärt hatte, Russland sei nicht zu trauen. Trump und Vance warfen Selenskyi daraufhin vor, einen „Dritten Weltkrieg“ zu riskieren und die USA zu beleidigen.

Das Treffen wurde abrupt beendet, das Abkommen nicht unterzeichnet und Selenskyi wurde des Weißen Hauses verwiesen. Später erklärte Trump auf Truth Social, Selenskyi könne zurückkehren, „wenn er zum Frieden bereit“ sei.

Das Treffen im Weißen Haus am 17. Oktober artete laut Financial Times ebenfalls mehrfach in einen „Schreiwettstreit“ aus. Trump forderte Selenskyj auf, die Bedingungen Russlands für ein Kriegsende zu akzeptieren und warnte, dass Wladimir Putin die Ukraine „zerstören“ werde, falls kein Abkommen zustande komme.

Anwesende berichteten, Trump habe Karten der Frontlinien beiseitegeworfen, auf eine Übergabe des gesamten Donbas gedrängt und wiederholt Putins Argumente aus deren Telefonat am Vortag wiederholt. Er behauptete zudem, dass Russlands Wirtschaft „gut läuft“, obwohl er zuvor öffentlich das Gegenteil betont hatte.

Selenskyj bestätigte, dass Putin in den Verhandlungen verlangte, dass die Ukraine sich aus dem Donbas (Donetsk und Luhansk) zurückzieht, nicht jedoch aus dem gesamten Osten. Selenskyj betonte: „Ukraines Haltung bleibt in diesem Kontext unverändert“.

In einem weiteren Post auf Truth Social im Anschluss forderte Trump dazu auf die aktuellen Frontlinien als Grenzen anzuerkennen: „Genug Blut ist vergossen worden, wobei Grundstücksgrenzen durch Krieg und Mut definiert wurden. Sie sollten dort aufhören wo sie sind. Lassen Sie beide den Sieg beanspruchen – und lassen Sie die Geschichte entscheiden!“

Ukraine-Krieg: Aufrüstung statt Aussicht auf Frieden

Auch europäische Politiker:innen wie der französische Präsident Macron hatten bereits Anfang des Jahres davon gesprochen, dass die Ukraine eine realistische Haltung in Bezug auf territoriale Fragen einnehmen müsse um Verhandlungen mit Russland voranzubringen.

Vorerst keine Tomahawk-Lieferung

Während die Hoffnung vor dem Treffen am Freitag sowohl in der Presse als auch bei der ukrainischen Regierung groß war, fielen die Resultate für den ukrainischen Präsidenten ernüchternd aus. Der ukrainische Präsident wollte Trump ursprünglich davon überzeugen, Tomahawk-Raketen an die Ukraine zu liefern, erhielt jedoch eine Ablehnung.

Trump nahm seine Aussagen von vor wenigen Wochen zurück. Es wäre „schwierig, die gewünschten Raketen zu liefern“. Selenskyj erklärte auf einer Pressekonferenz nach dem Gespräch: „Niemand hat dieses Thema abgesagt, wir müssen weiter daran arbeiten.“

Der ukrainische Präsident Volodymyr Selenskyj erklärte jedoch, er sei bereit, an einem vorgeschlagenen Gipfeltreffen in Budapest mit Trump und Putin teilzunehmen. Am Montag erklärte Selenskyj gegenüber Reportern: „Wenn es eine Einladung in einem Format ist, bei dem wir zu dritt zusammentreffen oder wie es genannt wird, in Form von Shuttle-Diplomatie, dann werden wir in der einen oder anderen Form zustimmen.“ Die beiden Präsidenten hatten zuvor angekündigt in den kommenden Wochen Gespräche über den Krieg in der Ukraine führen zu wollen.

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