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Dobrindts „Sonderregister“ über trans Personen zur Abstimmung im Bundesrat

Seit einem Jahr ist das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Dies erleichtert trans, inter und nichtbinären Personen die Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags. Das Innenministerium setzt nun per Verordnung ein stark kritisiertes „Sonderregister“ im Bundesrat durch.

Am Freitag entscheidet der Bundesrat über die „Verordnung zur Umsetzung des Gesetzes über Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag im Meldewesen“ (SBGG). Dieser Entwurf soll die Umsetzung des SBGG im Meldewesen vorgeben. Seither wird bei der Änderung des Personenstandes durch das SBGG ein neuer Datensatz für die Person angelegt und der alte gesperrt.

Durch den Sperrvermerk ist es ohne Weiteres nicht möglich, die alten Personendaten einzusehen. Die geplante Verordnung sieht nun vor, drei neue Datenblätter in den Datensatz für das Meldewesen aufzunehmen. Diese sollen den Geschlechtseintrag vor Änderung durch das SBGG, das Datum der Änderung und das Aktenzeichen enthalten. Zusätzlich soll die Übermittlung der früheren Vornamen vereinfacht und ausgeweitet werden.

Kritik erfährt auch der Fakt, dass der damalige Bundesdatenschutzbeauftragte sich explizit gegen die automatisierte Weitergabe von früherem Geschlechtseintrag und Vornamen an Sicherheitsbehörden ausgesprochen hat. Doch genau dieses Verfahren könnte mit dem eingebrachten Entwurf bald Realität werden.

Innenministerium plant Listen von trans Personen

Begründung geht am Ziel vorbei

Das Bundesinnenministerium begründet die Änderung unter anderem damit, dass Betroffene bei verschiedenen Melderegistern unterschiedliche Daten vermerkt haben können und somit eine eindeutige Identifizierung der Person erschwert sei. Ebenfalls wird angeführt, dass die Kenntlichmachung Voraussetzung dafür ist, das Offenbarungsverbot durchzusetzen. Dieses soll Menschen vor unfreiwilligem Outing am Arbeitsplatz oder im Hobbyverein schützen.

Die bisherige Gesetzeslage zeigt aber: Vieles davon ist bereits jetzt möglich. Auch seither bleiben bisherige Einträge in den amtlichen Registern erhalten, um Personen eindeutig identifizieren zu können. Das heißt, auch der alte Geschlechtseintrag wird nicht gelöscht, sondern bleibt, wie die gesamte Identität einer Person, immer bestehen und nachvollziehbar.

Die neue Änderung würde bewirken, dass ein geänderter Geschlechtseintrag in den Registern besonders hervorgehoben wird und dass bei jeglichem Abruf der Daten ohne zusätzliche Schritte eingesehen werden kann, ob eine Person vom SBGG Gebrauch gemacht hat. Betroffenenverbände und Expert:innen sehen in der Verordnung nicht nur eine fehlende Notwendigkeit und dadurch unnötige Bürokratisierung, sondern in erster Linie eine Gefahr für alle Betroffenen.

Auch zivilgesellschaftlicher Widerstand wächst

Die queerfeministische Bewegung Queermany, die die bundesweite Petition gegen das Sonderregister gestartet hat, hinter der schon über 250.000 Personen stehen, versteht den Protest nicht nur als Kampf um trans, inter und nichtbinäre Rechte, sondern als Teil eines breiteren feministischen und antifaschistischen Engagements. Die Bewegung vernetzt bundesweit queerfeministische Gruppen und sieht die geplante Verordnung als Symptom einer politischen Entwicklung, die Selbstbestimmung und Datenschutz zunehmend infrage stellt.

Dazu die Petitionsstarterin Penelope Alva Frank: „Diese Verordnung steht sinnbildlich für den Versuch, Kontrolle über marginalisierte Körper zurückzugewinnen. Als queerfeministische Bewegung warnen wir: Wer trans Rechte einschränkt, trifft immer auch feministische Communities. Unser Widerstand gilt jeder Form staatlicher Überwachung und rechter Einflussnahme auf Selbstbestimmung.“

Innenausschuss und Rechtsauschuss des Bundesrates empfehlen Annahme

Die SPD lehnte laut der Tagesschau von Ende August ein solches Register für trans- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Menschen noch ab. Der queerpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Falko Droßmann, wandte sich gegenüber dem Spiegel gegen pauschale Verschärfungen oder ein Rückdrehen des Selbstbestimmungsgesetzes.

Auf die breite Kritik sei das Innenministerium insgesamt nur bedingt eingegangen, so die Plattform queer.de. In dem an den Bundesrat übermittelten finalen Entwurf heiße es nun zwar, eine Suche zur Erstellung einer Ergebnisliste, die „ausschließlich Personen anzeigt, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben“ sei „ausgeschlossen.“, doch sicher zu überprüfen ist diese Aussage nicht.

Der federführende Innenausschuss und der Rechtsauschuss des Bundesrates, besetzt mit den jeweiligen Landesminister:innen, empfiehlt jedenfalls ohne weiteren Kommentar, der Verordnung zuzustimmen. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend plädiert hingegen auf vollständige Ablehnung: Die Verordnung sei „nicht erforderlich“. Vielmehr missachte sie „den besonderen Schutzbedarf der betroffenen Personengruppe und setzt sie einem erhöhten Diskriminierungsrisiko aus“, heißt es zur Begründung, die viele bereits von verschiedenen Verbänden thematisierte Bedenken aufgreift.

Ein Widerstand der Länderkammer gegen Verordnungen der Bundesregierung ist jedoch selten. In der Regel werden sie in einem Paket mit mehreren Gesetzentwürfen und Verordnungen gemeinsam ohne Debatte gemäß den Empfehlungen der Ausschüsse abgenickt. Einen Vermittlungsausschuss gibt es bei Verordnungen nicht.

Betroffenen droht besondere Gefahr

Die Verordnung kommt zu einer Zeit, in der sich die Situation von trans Personen weltweit immer weiter zuspitzt. In Deutschland sind trans Personen immer häufiger Gewalt ausgesetzt, wie an den steigenden Angriffen auf CSDs zu sehen ist. Aber auch der deutsche Staat reiht sich in diese Entwicklung ein. Die AfD ist nicht die einzige Partei, die die Hetze gegen LGBTI+ Personen vorantreibt. Auch die Union gehört zu diesem Lager und veranlasst transfeindliche Angriffe von parlamentarischer Ebene aus.

Angesichts der aktuellen Umfragewerte wird es immer mehr zur Realität, dass transfeindliche Positionen in Zukunft mehr zum Teil des deutschen Staates und seinem Verwaltungsapparat werden. Besonders vor diesem Hintergrund stellt die „Verordnung zur Umsetzung des Gesetzes über Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag im Meldewesen“ eine besondere Gefahr für Betroffene dar.

Menschen, die bereits jetzt maßgeblich für Angriffe auf und Hetze gegen trans Personen verantwortlich sind, würden in Zukunft ein Register bekommen, durch das sie ihre Angriffe noch systematischer und einfacher ausführen können. Es zeigt sich, dass der Vorschlag Dobrindts nicht nur einer stichhaltigen Begründung mangelt, sondern den vermeintlichen Zielen konkret entgegenwirkt.

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