Zeitung für Solidarität und Widerstand

Zwangsräumung in Köln-Gremberg: Manuela und das Solinetz gegen GAG und Polizei

Mit elf Einsatzwagen rückte die Polizei im Kölner Stadtteil Gremberg an um die langjährige GAG-Mieterin Manuela aus ihrer Wohnung zu räumen. Dabei hatte diese ihre Mietschulden längst beglichen. Das Solidaritätsnetzwerk Köln organisierte gemeinsam mit Manuela Widerstand gegen die Maßnahme. Ein Bericht von Fabian Richter.

Was laut Räumungstitel für den 10. Oktober angesetzt war ist in Deutschland trauriger Alltag geworden: Über 30.000 Zwangsräumungen wurden 2023 in Deutschland durchgeführt, knapp 9.000 davon in Nordrhein-Westfalen. Die Statistik für 2025 sollte am Freitag um einen weiteren Datenpunkt ergänzt werden – der Räumung von GAG-Mieterin Manuela aus Köln-Gremberg.

Reine Routine also für Gerichtsvollzieher und Polizei? Nicht ganz. Manuela ist im Solidaritätsnetzwerk Köln organisiert. Die Gruppe führte im Vorfeld verschiedene Aktionen durch um auf die Praktiken der GAG (Gemeinnützige AG für Wohnungsbau) aufmerksam zu machen. Auch am Tag der Räumung wollte man nicht untätig bleiben und mobilisierte zu einer solidarischen Aktion gegen die Maßnahme.

Bei Mietrückstand kündigen, bei patriarchaler Gewalt wegschauen

Anlass für die Räumung ist ein Mietrückstand, der im Sommer 2024 entstanden ist. Zuvor hatte Manuela, die seit 2007 bei der GAG in Gremberg wohnte, sich die Miete mit ihrer berufstätigen Tochter geteilt. Als diese auszog, reichte Manuelas Teilzeit-Stelle nicht um die Miete alleine zu stemmen. Sie beantragte Wohngeld und informierte die GAG darüber.

Während Manuela auf die Bearbeitung ihres Antrags warten musste fielen Mietschulden an, worauf die GAG prompt mit der fristlosen Kündigung reagierte. Dass der Mietrückstand kurz danach vom Amt beglichen wurde änderte für den größten Vermieter Kölns nichts – die GAG hielt an der Kündigung fest. Offensichtlich hatte die GAG ein Interesse daran den vergleichsweise alten Mietvertrag von Manuela aufzulösen, da das Unternehmen bei einer Neuvermietung deutlich höhere Einnahmen erzielen kann.

Bereits die massiven Mieterhöhungen 2023 – als die GAG in 11.000 Kölner Wohnungen Mieterhöhungen von bis zu 15 Prozent durchsetzen wollte – haben gezeigt, dass das betont „faire“ Image des Unternehmens mehr Schein als Sein ist.

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In Manuelas Fall nahm die GAG die hohen Energiepreise 2023 zum Anlass, ihre Miete über die Nebenkosten massiv zu erhöhen – von 625 Euro auf 880 Euro. Dass diese Erhöhung völlig überzogen war, zeigte die Nebenkostenabrechnung für 2024, derzufolge Manuela rund 1.600 Euro Guthaben angehäuft hatte. Diese Summe entsprach ungefähr dem Mietrückstand, der Mitte 2024 angefallen war.

Manuelas Verhältnis zur GAG ist zudem dadurch belastet, dass das Unternehmen untätig blieb als die Mieterin körperlicher Gewalt durch einen Nachbarn ausgesetzt war. Ab Februar 2023 wurde Manuela über eineinhalb Jahre von einem Mann, der in einer benachbarten GAG-Wohnung lebt, mehrfach bedroht und angegriffen. Die GAG war darüber informiert, unternahm jedoch nichts. Erst als die Polizei nach einem Übergriff eine einstweilige Anordnung mit Kontaktverbot verhängte hörten die Angriffe auf.

Solidarität heißt Widerstand

Nachdem Manuela mit ihrem Versuch sich juristisch gegen die Kündigung durch die GAG zu wehren nicht erfolgreich war, erhielt sie im September einen Brief, in dem ihr der Termin für die Zwangsräumung mitgeteilt wurde. Gemeinsam mit dem Solidaritätsnetzwerk suchte sie nun nach Möglichkeiten diese nicht widerstandslos hinzunehmen. Trotz eines engen Zeitrahmens wollte die Gruppe dafür sorgen, dass mehr Menschen von Manuelas Situation erfahren und öffentlicher Druck auf die GAG entsteht.

Während Manuela im Interview mit Perspektive ihre Lage schilderte, organisierte die Gruppe einen Info-Spaziergang gegen Gentrifizierung durch die Stadtteile Kalk und Humboldt-Gremberg. Neben Manuelas Räumung ging es dabei auch um verschiedene Gentrifizierungsprojekte im Stadtteil und die massive Kameraüberwachung, die Kalk attraktiver für ein gut situiertes Publikum machen soll.

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Ziel des Spaziergangs war eine GAG-Geschäftsstelle, bei der ein offener Brief mit der Forderung abgegeben wurde, die Kündigung zurückzunehmen. Nachdem die GAG den Brief ignorierte, beklebten die Aktivist:innen die GAG-Zentrale in Kalk mit Ausdrucken des Schreibens und Plakaten um den Druck zu erhöhen.

Kämpferischer Protest zeigt zunächst Erfolg

Am Morgen des 10. Oktober fand sich dann eine Gruppe Menschen mit Bannern, Schildern und Fahnen vor Manuelas Wohnhaus ein und stellte sich demonstrativ vor den Eingang. „Wohnen für Menschen statt für Profite!“ war auf dem Transparent zu lesen, „GAG enteignen!“ und „Wohnraum vergesellschaften“ auf den mitgebrachten Schildern. Die spontan einberufene Versammlung machte mit kämpferischen Parolen und Redebeiträgen über Megaphon deutlich, dass sie bei der Zwangsräumung nicht tatenlos zusehen würde.

Nachdem ein sichtlich eingeschüchterter Gerichtsvollzieher und mehrere Polizeibeamte anrückten – die GAG ließ sich an diesem Tag nicht blicken – wollten diese die Räumung ungeachtet des solidarischen Protests durchführen. Doch auch nach mehrmaliger Aufforderung blieb die Versammlung standhaft und ließ die Staatsdiener nicht passieren.

Perspektive Online, CC BY-NC-SA 4.0

Die Polizei reagierte schnell mit Repression. So wurde dem Versammlungsleiter mitgeteilt, dass er eine Anzeige bekommen würde, da die Aktion auf Social Media beworben wurde ohne versammlungsrechtlich angemeldet zu sein. Den Einwand, dass auf Social Media nicht zu einer Versammlung aufgerufen wurde ließ der Polizeibeamte nicht gelten.

Im Anschluss behauptete die Polizei, dass sie an diesem Tag nicht räumen würde und dass Manuela den neuen Termin für die Räumung per Post erhalten würde. Daraufhin rückte die Polizei unverrichteter Dinge ab – eins zu null für die Protestierenden.

Elf Einsatzwagen, eine Räumung

Nachdem die Polizei sich verabschiedet hatte wurde die Aufmerksamkeit der Protestierenden auf den Nachbarn gelenkt, der Manuela in den letzten Jahren wiederholt bedroht und körperlich angegriffen hatte. Dieser hatte bereits während der Protest-Aktion aus seinem Fenster gepöbelt. Wie Manuela nun feststellen musste hatte er zudem ihr Türschloss mit Sekundenkleber verklebt. Als die Gruppe den Mann konfrontierte wurde dieser laut und drohte einerseits mit Gewalt, andererseits damit die Polizei zu rufen.

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Diese hatte wohl unabhängig davon vorgehabt dem Wohnhaus in Gremberg einen weiteren Besuch abzustatten. Die Aussage man werde Manuela heute nicht räumen entpuppte sich als glatte Lüge. Nicht mal eine Stunde nach Ende des ersten Einsatzes fuhren insgesamt elf Einsatzfahrzeuge vor, darunter acht Mannschaftswagen.

Für die Protestierenden, von denen nach der erfolgreich geglaubten Aktion bereits große Teile abgereist waren, war dieses Aufgebot ein Schock. Die Drohkulisse behelmter Bereitschaftspolizist:innen hatte auch auf Manuela eine einschüchternde Wirkung. Die Zwangsräumung wurde mit diesem massiven Polizeiaufgebot nun doch noch durchgeführt.

Manuela ist kein Einzelfall

Ähnlich wie Manuela ergeht es jährlich zehntausenden Menschen in Deutschland. Zwangsräumungen sind eine direkte Folge der Wohnungskrise in deutschen Großstädten. Während die Mietpreise ungebremst steigen, nutzen Vermieter:innen jede Gelegenheit um Menschen mit alten Mietverträgen loszuwerden – immer in dem Wissen, dass sie von den Nachmieter:innen deutlich mehr verlangen können. Die krisenhafte Lage der Wirtschaft, die für prekäre Lebensbedingungen bei immer mehr Menschen sorgt, verschärft die Situation für viele umso mehr.

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Auch wenn Manuelas Zwangsräumung nicht verhindert werden konnte zeigt ihr Kampf, dass es gelingen kann, übermächtig erscheinende Wohnkonzerne und ihre Erfüllungsgehilfen unter Druck zu setzen und öffentlich an den Pranger zu stellen. Organisierung im Stadtteil, praktische Solidarität und direkte Aktionen ermöglichen es, den Geschäftspraktiken von Vermieter:innen wie der GAG etwas entgegenzusetzen.

Die Aktivist:innen des Solidaritätsnetzwerks Köln haben bereits angekündigt, dass sie der GAG weiter auf die Finger schauen wollen und ihren Widerstand fortführen werden.

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