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Der Showkampf: EU vs. „Veggie“

In diesen Wochen sorgte das EU-Parlament vor allem durch eine Entscheidung für Schlagzeilen: Begriffe wie „Veggie-Wurst“ oder „Veggie-Schnitzel“ sollen verboten werden. Die Debatte um eine angebliche Verwirrung der Käufer:innen ist ein Paradebeispiel dafür, wie die EU Symbolpolitik macht, bei der sich die Fleischindustrie nur ins pralle Fäustchen lachen kann. – Ein Gastkommentar.

Statt sich mit existenziellen Problemen wie der Klimakrise, sozialen Spaltungen oder Preisanstiegen auseinanderzusetzen, diskutiert das EU-Parlament, wie Tofuwürste im Supermarkt heißen dürfen. Die offizielle Begründung für das Verbot von Bezeichnungen wie „Veggie-Salami“ lautet, Verbraucher:innen könnten dadurch verwirrt werden und müssten besser geschützt werden. Dabei gibt es keine belastbaren Hinweise darauf, dass Konsument:innen wirklich Probleme mit solchen Begriffen haben oder getäuscht werden. Die Debatte ist damit primär Symbolpolitik und lenkt von dringlicheren Themen ab.

Am 8. Oktober 2025 hat eine rechte Mehrheit aus den Fraktionen der Europäischen Volkspartei (EVP), der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) sowie die Patrioten für Europa (PfE) dieses Bezeichnungsverbot beschlossen. Ob und wann das Verbot in Kraft tritt, hängt nun von Verhandlungen mit den 27 EU-Mitgliedstaaten ab.

Die Fixierung auf diese Nebenschauplätze offenbart die Prioritäten eines politischen Systems, das sich eher an den Lobbys der Fleischindustrie orientiert, als an den Bedürfnissen der Bevölkerung oder den Anforderungen des Klimaschutzes. Dies ist fatal angesichts der anhaltenden Klimakrise.

Die Fleischindustrie diktiert

Seit Jahren übt die Fleischindustrie erheblichen Einfluss auf europäische Entscheidungsprozesse aus. Lobbyist:innen sind in parlamentarischen Beratungsgremien präsent und prägen öffentliche Debatten durch gesponserte Inhalte und gezielte Desinformationen. Beispiele für solche Desinformationen sind: die Verharmlosung des ökologischen Fußabdrucks von Fleisch in vermeintlichen „Faktenchecks“, das Verstecken von problematischen Fleischbestandteilen in Produkten durch unklare Deklarationen und die gezielte Kulturkampagne gegen vegane Ernährung als „Fleischverbote“.

Das verabschiedete Namensverbot für pflanzliche Alternativen ist ein weiteres Zugeständnis an Großkonzerne und sichert diesen ihre Marktstellung – auf Kosten der Verbraucher:innen und Umwelt. Diese Verzahnung von Wirtschaft und Politik ist bezeichnend für die Funktionsweise des kapitalistischen Systems und verhindert gleichzeitig dringend notwendige Umwelt- und Verbraucherschutzmaßnahmen.

Kapitalismus bedeutet Klimakatastrophe!

Klimapolitik auf dem Rückzug, Industrie und Aufrüstung vorn

Die Klimapolitik verliert gegenüber Wirtschaftsinteressen und militärischer Aufrüstung immer mehr an Bedeutung. Der einst als „Green Deal“ propagierte EU-Plan wurde als „Clean Industrial Deal“ umgedeutet, der deutlich geringere Umweltauflagen für die Industrie vorsieht. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in Deutschland wider, wo die Klimapolitik mehr und mehr hinter Rüstungs- und Industriepolitik zurücktritt. Energieintensive Branchen und Kriegsmaterial werden weiter massiv gefördert, während Großkonzerne und die Politik Stück für Stück mit ihrer Lüge des „grünen Kapitalismus“ brechen.

Die Bundesregierung vollzieht aktuell eine deutliche Kurswende weg von grüner Politik hin zur Unterstützung von Industrie und Rüstung. Dabei steht nicht nur die Priorisierung von Investitionen in Rüstung und Industrie im Fokus, sondern auch eine umfassende politische Ausrichtung, die zugunsten von Konzerninteressen soziale und ökologische Anliegen an den Rand drängt. Die Zeiten stehen eben auf Krieg, und nicht mehr auf Klimaschutz.

Die Militarisierung Europas: Investitionen in Waffen statt in Umwelt

Fern der Lebensrealität der Arbeiter:innen

Während die EU-Parlamentarier:innen über Etiketten für vegane Produkte streiten, sind Arbeiter:innen mit ganz anderen Problemen konfrontiert: Energieunsicherheit, hohe Lebenserhaltungskosten und eine unsichere Zukunft prägen ihren Alltag. Die politische Debatte spiegelt diese Realitäten kaum wider. Anstelle sozialer Gerechtigkeit und konsequenten Klimaschutz umzusetzen, werden die Interessen der Konzerne bedient.

Die aktuelle Debatte um das Namensverbot für „Veggie-Produkte“ ist symptomatisch für eine EU-Politik, die weiterhin im Dienste wirtschaftlicher Interessen steht. Klimaschutz und soziale Fragen werden gegenüber Industrie und Aufrüstung hinten angestellt. Einen Schutz der Umwelt und der Gesellschaft können wir also weiterhin nicht von der EU erwarten – egal ob es jetzt „Veggie-Wurst“ oder „Soja-Stange“ heißt.

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