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Deutsche Wirtschaft stagniert weiterhin – Großkonzerne suchen nach Wegen aus der Dauerkrise

Auch im dritten Quartal dieses Jahres läuft die deutsche Wirtschaft schleppend. Das Industriekapital sucht nach Wegen, den Absatz zu steigern und gleichzeitig die eigenen Kosten zu senken – was die Arbeiter:innen schmerzhaft zu spüren bekommen. – Ein Kommentar von Georg Lutz.

Mit dem Ende des Monats Oktober sind erste Zahlen veröffentlicht worden, wie sich die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal des Jahres (also die Monate Juli, August und September) entwickelt hat. Das Fazit dieses ersten Berichts lautet, dass es in diesem Zeitraum weder Wachstum noch Rückgang des BIP (Bruttoinlandsprodukt, die Gesamtsumme aller in einem Land erwirtschafteten Umsätze) gab. Das Gesamtvolumen der deutschen Volkswirtschaft ist also im Vergleich zum zweiten Quartal in etwa gleich groß. So lautet das Ergebnis der Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes.

Somit sei zumindest das Ergebnis des zweiten Jahresviertels übertroffen. In diesem Zeitraum wurde ein Schrumpfen des BIP um 0,3 Prozent festgestellt. Fraglich bleibt daher, ob die Schätzung der Bundesregierung auf 0,2 Prozent Wirtschaftswachstum im Gesamtjahr 2025 sich bewahrheitet. Die letzten drei Monate des Jahres müssten entsprechend ein sehr großes Wachstum vorweisen, um die bisherige Stagnation auszugleichen.

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Beachtet werden sollte allerdings, dass ein wachsendes BIP nicht mit steigendem Wohlstand der Bevölkerung gleichzusetzen ist. Steigende Umsätze resultieren weniger in höhere Löhne und mehr in Extraprofiten für die Kapitalist:innen.

Allerdings ist ein stagnierendes oder gar sinkendes BIP ein guter Indikator für die schlechte Gesamtlage der Wirtschaft. Ausbleibendes Wirtschaftswachstum sorgt für das Entziehen von Investitionen. Als Folge des ausbleibenden Geldstroms reagieren die Unternehmen mit Lohnkürzungen und Entlassungen, um die eigenen Kosten zu senken. Dementsprechend nimmt diese Entwicklung erheblichen Einfluss auf das Leben des Großteils der Bevölkerung, die der Arbeiter:innenklasse angehören.

Dem Kapitalismus ausgeliefert!

Der chronische Abwärtstrend des deutschen Kapitalismus

Somit scheint sich auch 2025 die deutsche Wirtschaft nicht aus der Negativentwicklung der letzten Jahre befreien zu können. Einige Ursachen für die stetige Krise sind hierbei weitläufig bekannt. Während der Einbruch der Weltwirtschaft durch den Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 nur einen temporären Einschnitt bedeutete, leitete der Wirtschaftskrieg mit Russland seit Beginn des Ukrainekrieges die bis heute andauernde Krise ein.

Die Inflation der letzten Jahre, die vor allem durch den Verzicht auf russische Rohstoffe verursacht wurde, führte zu einem Sinken der einheimischen Nachfrage. Hinzu kommt die Zollpolitik von US-Präsident Trump und die sich verschlechternden Handelsbeziehungen mit China, die den deutschen Exportsektor empfindlich treffen.

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Diese genannten Phänomene treffen zwar allesamt zu, doch auch vor 2020 zeichnete sich bereits ab, dass das etablierte deutsche Exportmodell nicht mit den Umwälzungen der Weltwirtschaft mithalten kann. Betrachtet man beispielsweise den Index für Industrieproduktion des Statistischen Bundesamtes, dann lässt sich klar ein schleichender Niedergang seit 2017 erkennen. Bei dem Index für Auftragseingänge im verarbeitendem Gewerbe lässt sich ähnliches beobachten.

Es scheint, als hätte die deutsche Industrie den Zenit ihrer Machtstellung schon seit längerem überschritten. Wenn Länder wie China zunehmend ihre Nachfrage nach Industrieprodukten selber decken können, dann bleiben die Unternehmen der BRD zwangsläufig auf ihren gefüllten Warenhäusern sitzen. Je mehr das System des globalen Freihandels durch Schutzzölle aufgekündigt wird, desto kleiner werden die Absatzmärkte für das deutsche Kapital.

Es handelt sich also um eine Überproduktionskrise, wie sie der Kapitalismus seinem Wesen nach hervorrufen muss. Die deutschen Politiker:innen und Konzerne suchen als logische Konsequenz nach neuen Strategien zur Krisenbewältigung.

Altbekanntes Abwälzen nach unten und außen

Das deutsche Kapital hat in seiner schwierigen Lage einige Forderungen an die Merz-Regierung zu stellen: So fordern kapitalnahe Wirtschaftsforschungsinstitute die Regierung auf, den Sozialstaat zu kürzen, wobei Merz auch durchaus Eigeninitiave in dieser Hinsicht zeigt. Als Beispiele lassen sich die Erhöhung des Renteneintrittsalter, Kürzungen und Sanktionsverschärfungen beim Bürgergeld bzw. Grundsicherung, sowie Einsparungen beim Gesundheitssystem nennen.

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All diese Maßnahmen dienen der Konsolidierung des Staatshaushaltes, zur Senkung des Lohnniveaus und zur Gewinnung von zusätzlichen Arbeitskräften für deutsche Unternehmen. Das beachtliche Budget der Bundesrepublik steht aus Sicht der Unternehmen und ihren Unterstützer:innen hauptsächlich ihnen selbst zu.

Und unabhängig von der aktuellen Regierungszusammensetzung fließen die Gelder in Form von Subventionen, Staatsaufträgen und im Notfall „bail-outs“ falls Unternehmen in Konkurs gehen sollten. So erhielt beispielsweise die Lufthansa AG während der Corona-Pandemie ein „Stabilisierungspaket“, also unter anderem Kredite zu günstigen Konditionen, in Höhe von 9 Milliarden Euro.

Das bereits erwähnte Ziel der Senkung des Lohnsniveaus entsteht offenkundig aus der Motivation, die Kosten der Unternehmen zu senken. Somit würden die Umsatzeinbußen kompensiert und die Produkte wieder billiger und konkurrenzfähiger auf dem Weltmarkt werden. Daher muss aus Sicht des Kapitals auch der Sozialstaat abgebaut werden, da ansonsten die Arbeiter:innen eher Sozialleistungen beziehen als für Niedriglöhne zu arbeiten.

Ferner dient auch das derzeitige massive Aufrüstungsprogramm des deutschen Staates in sekundärer Absicht als Konjunkturstütze, da somit die mangelnde private Nachfrage nach Zivilgütern durch staatliche Nachfrage nach Rüstungsgütern ersetzt wird.

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Schlussendlich wird sich in den nächsten Jahren zeigen, ob die Krise des deutschen Kapitalismus durch all diese Maßnahmen bewältigt werden kann oder noch radikalere Schritte zur Wahrung der Stellung Deutschlands auf dem Weltmarkt notwendig sind. Imperialistische Staaten, wie auch die BRD einer ist, greifen in Krisen, die sich nicht ohne weiteres lösen lassen, vermehrt auf kriegerische Mittel zurück, um ihrem Kapital die fehlenden Rohstoffe, Arbeitskräfte und Absatzmärkte zu erobern.

Insbesondere die deutsche Geschichte zeigt exemplarisch auf: Je schärfer die Krise und je größer und stärker das Militär, desto eher wird eine imperialistische Macht bereit sein, sich mit Gewalt zu holen, wonach ihr Kapital sich sehnt.

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