Nach zwei Jahren Krieg verhandelte Donald Trump im Oktober einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas. Der Deal ist ein Lehrstück über die Machtpolitik imperialistischer Staaten. Die Frage ist jedoch nicht, ob dieser Frieden nun andauern wird – sondern wie wir es schaffen, den Imperialisten in ihrem Kriegstreiben für immer Einhalt zu gebieten. – Ein Kommentar von Mohannad Lamees.
„You can’t beat the world“, du kannst nicht gegen die ganze Welt gewinnen. Diesen Rat gab der US-amerikanische Präsident Donald Trump seinem Verbündeten, dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Es sei an der Zeit gewesen, nun Frieden zu schließen, habe er zu Netanjahu gesagt, erzählte Trump während einer vielbeachteten Rede vor dem israelischen Parlament und nimmt damit Bezug auf die immer größere Ablehnung, die Israel wegen seinem genozidalen Vorgehen im Krieg gegen die Palästinenser:innen seit dem 7. Oktober 2023 international erfahren hatte.
Der 20-Punkte-Plan, mit dem der selbsternannte „deal maker” Trump einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas eingefädelt hat, ist Ausdruck genau dieser Herangehensweise: Der Krieg Israels ist nicht mehr vorteilhaft genug gewesen. Die Zeit war gekommen, um die eigenen Interessen nun wieder „friedlich” durchzusetzen.
Neuordnung in Westasien
Israel hat in den letzten zwei Jahren die Lage in Westasien ausgenutzt, um offensiv seine expansionistischen Ziele zu verfolgen. Dabei ging es bei weitem nicht nur um Vergeltung für den von der Hamas angeführten Angriff vom 7. Oktober 2023. Mit größeren militärischen Operationen in den Nachbarländern gelang es Israel entscheidend, den Iran und seine Verbündeten im Libanon zu schwächen und auch in Syrien Territorien faktisch unter die eigene Kontrolle zu stellen. Frieden und Sicherheit für sich selbst, das zeigte sich so einmal mehr, wollte Israel vor allem dadurch herstellen, alle feindlichen Regime auszuschalten.
Dass Trump Netanjahu nun mit sanftem Druck an den Verhandlungstisch gesetzt hat, liegt nicht zuletzt daran, dass die USA sich nicht dauerhaft die Unterstützung Israels in einem regionalen Krieg leisten wollen. Vielmehr spielt Trump seinen in den letzten Jahren gewonnenen Einfluss auf die arabischen Staaten aus. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Ägypten und Jordanien stellen sich allesamt hinter Trumps Plan für die Neuordnung der Region, für „ein neues Zeitalter im Nahen Osten”, wie es der US-Präsident selbst vollmundig ankündigte.
Gefangenenaustausch und Friedenskonferenz: Die Waffenruhe bleibt fragil
Trump setzt dabei vor allem auf die arabischen Kapitalisten und Rentiers, für die er die Rolle der großzügigen Unterstützer im Wiederaufbau des Gaza-Streifens vorgesehen hat. Mit dem Geld der arabischen Staaten, der Unterwürfigkeit der Palästinensischen Autonomiebehörde und einer von internationalen Kräften geschulten palästinensischen Polizei soll aus Gaza so ein Ort des Wohlstands werden.
So können es Israel und die arabischen Staaten als „Freunde” schaffen, dem Chaos der Region etwas entgegenzusetzen. Die Besatzung und Kontrolle der palästinensischen Gebiete durch Israel bleibt derweil bestehen. Dass mittels dieser neuen Ordnung vor allem auch die Interessen der USA im Nahen Osten an Einfluss und Ressourcen durchgesetzt werden, versteht sich von selbst.
Kein dauerhafter Frieden unter kapitalistischen Bedingungen
Der Plan Trumps stieß international auf viel Zustimmung. Auch die deutsche Regierung bot umgehend Unterstützung bei der Sicherstellung humanitärer Hilfslieferungen für die Palästinenser:innen und die Ausbildung palästinensischer Polizeikräfte an. Deutschland wolle sich einbringen, damit der Frieden gelinge, hieß es dazu in einer Erklärung der Bundesregierung. Mit der weiterhin uneingeschränkten Unterstützung Israels in der „Selbstverteidigung” positioniert sich Deutschland dabei klar gegen ein tatsächliches Ende der israelischen Besatzung.
So schön der Plan Trumps in den Ohren der Kapitalist:innen weltweit denn auch geklungen haben mag – einen dauerhaften Frieden wird es in Palästina unter diesen Bedingungen nicht geben. Weder hat die Hamas einer Entwaffnung wirklich zugestimmt, noch wird Israel davon ablassen, weiterhin Krieg gegen die Palästinenser:innen zu führen. Bereits eine Woche nach dem symbolisch aufgeladenen Friedensschluss im ägyptischen Badeort Sharm-el-Sheikh war der unterzeichnete Friedensvertrag kaum mehr etwas wert.
Dass Israel sich immer wieder das Recht herausnehmen wird, die Waffenruhe aufzukündigen,die Palästinenser:innen gezielt mit Luftschlägen zu terrorisieren und durch das Zurückhalten von Hilfslieferungen Druck ausüben wird, macht die Waffenruhe mehr zu einem fragilen Zustand denn zum Ausgangspunkt für die Trumpschen paradiesischen Zustände.
So lange wie der Frieden in Palästina unter kapitalistischen Bedingungen hergestellt wird, ist er nicht mehr als eine Atempause. Eine Atempause sowohl für die weiterhin unterdrückten Palästinenser:innen, deren Kräfte sich neu aufstellen müssen, als auch für die imperialistischen Staaten selbst, die sich nun kurzzeitig einig sind, weil diese Einheit ihren Interessen dient. Über kurz oder lang werden auch diese Interessen wieder über Kreuz liegen.
Der Hauptfeind steht im eigenen Land
Wie kommen wir aber nun zum Frieden? Wenn wir davon ausgehen müssen, dass die kapitalistischen Länder niemals wahrhaftig im Interesse der Ausgebeuteten und Unterdrückten handeln, dann kann die Antwort auf diese Frage nur sein, dass wir uns den Frieden selbst erkämpfen müssen.
In der weltweiten palästinasolidarischen Bewegung, vor allem auch rund um die Aktivitäten der solidarischen Flotillas, die in den letzten Monaten über das Mittelmeer gen Gaza gesegelt sind, haben sozialistische Aktivist:innen immer wieder betont, wie wesentlich der internationalistische Zusammenschluss gegen Israels Unterdrückung der Palästinenser:innen ist. Dass Israel die Boote der Internationalist:innen allesamt gestoppt und die Aktivst:innen nach Schikane und Haft ausgewiesen hat, soll uns nicht davon ablenken, dass die eigentliche Qualität der Solidarität sich nicht auf den Booten selbst, sondern vor allem in den imperialistischen Ländern überall auf der Welt entscheidet.
Wenn wir es schaffen, die Unterdrückung der Palästinenser:innen mit der Mittäterschaft Deutschlands konkret in Verbindung zu setzen und daraus einen klassenkämpferischen Aktivismus gegen den deutschen Imperialismus zu entwickeln, dann tragen wir dazu bei, den Imperialismus insgesamt zu schwächen. Daraus kann dann auch der Kampf für eine sozialistische Gesellschaft erwachsen, in der Friedensschlüsse nicht mehr durch kapitalistische Interessen bestimmt werden.
Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 104 vom November 2025 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.

