Am 25. November 2025 soll vor dem Oberlandesgericht Dresden einer der größten Prozesse gegen Antifaschist:innen seit Jahrzehnten beginnen. Angeklagt sind sie wegen Aktionen gegen Neonazi-Aufmärsche und Aktionen im Rahmen des Antifa-Ost- und Budapest-Komplexes. Nicht nur in Deutschland zeigt sich, wie antifaschistisches Engagement zunehmend kriminalisiert wird, während rechte Strukturen an Einfluss gewinnen. – Ein Kommentar von Alexandra Baer.
Am 25. November 2025 soll vor dem Oberlandesgericht Dresden der nächste große Prozess gegen sieben Antifaschist:innen beginnen. Die Anklage vereint dabei gleich zwei Verfahren: Zum einen die Vorwürfe im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen beim „Tag der Ehre“ 2023 in Budapest – einem von Neonazis organisierten und staatlich geduldeten Aufmarsch, gegen den bereits mehrere Verfahren laufen – und zum anderen den sogenannten Antifa-Ost-Komplex in Sachsen und Thüringen.
Bereits in früheren Verfahren gegen Antifaschist:innen zeigen sich die massiven Repressionen: Im Antifa-Ost-Komplex wurde Lina E. schon 2023 zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt, die Angeklagte im sog. Budapest-Komplex, Hanna S. bekam ebenfalls fünf Jahre Haft. Maja T. wurde rechtswidrig nach Ungarn ausgeliefert und befindet sich dort in Isolationshaft unter schlechten Bedingungen. Majas Forderungen nach rechtsstaatlicher Behandlung werden ignoriert, während Faschist:innen unter Aufsicht der ungarischen Polizei Solidaritätskundgebungen angreifen.
Der Nürnberger Antifaschist Zaid A. floh nach Frankreich, um einer drohenden Auslieferung nach Ungarn zu entgehen, wo ihm – wie auch Maja T. – bis zu 24 Jahre Haft und Folter drohen. Diese Fälle zeigen, wie hart militanter Antifaschismus verfolgt wird und welche extremen Strafen und Repressionen Betroffene erwarten.
Antifaschist Zaid flieht nach Frankreich, um Auslieferung nach Ungarn zu entgehen
Im Dresdner Prozess stehen erneut weitreichende Vorwürfe im Raum, insbesondere der umstrittene Tatbestand der „kriminellen Vereinigung“ nach § 129 StGB, der es den Behörden erlaubt, politische Strukturen quasi unbegrenzt zu überwachen und zu kriminalisieren. Trotz fehlender Beweise und widersprüchlicher Indizien erhebt die Bundesanwaltschaft auch hier Anschuldigungen bis hin zu versuchtem Mord. Mit über 130 angesetzten Verhandlungstagen zählt der Prozess schon jetzt zu den größten Verfahren gegen Antifaschist:innen seit Jahrzehnten; weitere Verfahren, etwa vor dem OLG Düsseldorf, gegen weitere Angeklagte sollen folgen.
Von Washington bis Budapest: Antifaschismus wird kriminalisiert
In den USA, den Niederlanden und Ungarn zeigt sich, wie Regierungen antifaschistische Strukturen zunehmend als Bedrohung markieren: In Washington ordnete die Trump-Administration 2025 per Dekret an, die „Antifa“ als inländische Terrororganisation einzustufen – obwohl die Bewegung keine zentrale Organisation oder Führung besitzt. In Deutschland stellte die AfD Mitte Oktober einen Antrag zu einem „Antifa-Verbot“, welcher derzeit noch auf Ablehnung der anderen Parteien stößt. Auch die Niederlande prüft derzeit ein ähnliches Vorgehen und in Ungarn erklärte Ministerpräsident Orbán die Antifa nach amerikanischem Vorbild für verboten, wobei er die Budapest-Prozesse gegen dort inhaftierte Antifaschist:innen als Vorwand nimmt.
Parallel dazu wächst die faschistische Bewegung in Deutschland auf parlamentarischer Ebene. Die AfD plant für Ende November die Gründung einer neuen Jugendorganisation, die – unter dem Deckmantel der „Mäßigung“ – gezielt junge Menschen für die Partei und ihre rechtsextremen Strukturen gewinnen soll. Ehemalige Mitglieder der Jungen Alternative sollen als Kaderschmiede fungieren, offen reaktionäre Inhalte vermitteln und die Jugend in den Strukturen der Partei organisieren.
Gleichzeitig zeigt sich wie die sogenannte „Brandmauer“ besonders zwischen Union und AfD aufweicht. Einflussreiche CDU-Kader werben offen für eine Annäherung an die AfD, während Kanzler Merz und andere Spitzenpolitiker:innen sich zurückhalten. Die AfD versucht ihr Auftreten bürgerlicher zu gestalten und sich auf Regierungsfähigkeit auszurichten, bleibt dabei aber weiterhin von reaktionären und faschistischen Kräften geprägt.
Während also rechte Politik zunehmend normalisiert und staatlich toleriert wird, können jene, die konsequent gegen Faschismus agieren, kriminalisiert und als „Terrorist:innen“ gebrandmarkt werden. Der geplante Protest gegen die AfD-Jugend zeigt, dass Widerstand möglich ist, doch die politischen Weichenstellungen auf Bundes- und Landesebene deuten darauf hin, dass antifaschistisches Engagement immer stärker unter Druck geraten wird.
Brandmauer für die einen, Haft für die anderen
Diese Entwicklung zeigt sich besonders daran, wie unterschiedlich der Staat auf Antifaschismus reagiert: Während die bürgerlichen Parteien und Gewerkschaften die „Brandmauer“- und Anti-AfD-Proteste breiter Teile der Bevölkerung als Symbol gegen rechts feiern und versuchen, sie für sich zu vereinnahmen, verfolgen dieselben Parteien eine Politik, die den gesellschaftlichen Rechtsruck weiter befeuert. SPD und Grüne verschärfen Asylgesetze, treiben Aufrüstung und Militarisierung voran und verteidigen eine Sozialpolitik, die die Arbeiter:innenklasse verarmen lässt.
Antifaschismus wird so auf moralische Gesten reduziert, während jene kriminalisiert werden, die die Ursachen des Faschismus benennen und bekämpfen. Wer sich organisiert, wer sich militant gegen Faschismus zur Wehr setzt oder militanten Antifaschismus verteidigt, wer Widerstand gegen Krieg, Repression und kapitalistische Verhältnisse leistet, gilt als Bedrohung. Der Staat akzeptiert nur jenen Antifaschismus, der keine Machtfrage stellt und die bestehende Ordnung nicht angreift.
Ob Antifa-Ost-Komplex, Budapest-Komplex oder die anstehenden Dresdener Prozesse: Solidarität mit den angeklagten Antifaschist:innen bedeutet daher auch, diese Unterscheidung sichtbar zu machen – und den Kampf gegen den Rechtsruck als Klassenfrage zu führen
Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 104 vom November 2025 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.
*Das Datum des Prozess-Beginns wurde gegenüber der Print-Ausgabe angepasst.

