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Samstag, April 20, 2024
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    Im Windschatten des Kriegs: Ungarn schleicht in die Diktatur, Türkei führt Angriffskriege – und Deutschland schweigt

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    Dem russischen Krieg in der Ukraine setzt die NATO einen „Einheitstaumel“ entgegen. Diesen nutzen reaktionäre Regierungen im “Westblock” um Angriffe auf Demokratie und Frieden zu starten, ohne große Kritik fürchten zu müssen: Während Viktor Orban in Ungarn schleichend eine offene Diktatur einführt, startet Erdogan gleich zwei Angriffskriege auf fremdes Territorium. Doch die ach so „freiheitlichen Demokratien“ schweigen gegenüber den „Autokraten“ in den eigenen Reihen. Warum? – Ein Kommentar von Tim Losowski.

    Im Kampf gegen Russland werden die Reihen geschlossen – auch bei der hiesigen Staats- und Konzernmedien. Während weiterhin der Ukrainekrieg die ersten vier bis fünf Nachrichten bei Tagesschau und Spiegel.de ausmacht, wurden krasse Verbrechen von deutschen „Partnerländern“ nur am Rande oder garnicht erwähnt.

    Türkei überfällt Irak und bereitet weitere Invasion vor

    Besonders augenfällig wird das beim NATO-Staat Türkei. Dieser nutzt den Einheits-Taumel gegen Russland offensichtlich aus, um im Windschatten des Ukraine-Kriegs selber andere Länder zu überfallen:

    Am 18. April begann das türkische Militär eine Invasion in den kurdischen Gebieten des Iraks. Ziel waren militärische Stellungen der kurdischen Arbeiterpartei PKK sowie kurdische Dörfer. Der irakische President Barham Salih verurteilte den Einmarsch als Angriff auf die Souveränität des Irak und dessen „nationale Sicherheit“. Während der russische Angriffskrieg auf die Ukraine täglich kritisiert wird, hört man so gar nichts zu diesem Überfall auf ein Nachbarland durch eine NATO-Armee.

    Türkei startet Bodenoffensive gegen kurdische Gebiete im Irak – Spontan-Demos angekündigt

    Die Ankündigung des türkischen Diktators Erdogan am Dienstag, eine neue Offensive in Syrien zu starten, waren Tagesschau und Spiegel noch nicht mal eine Nachricht wert. Dabei soll diese Operation vier zentrale Städte der kurdischen Gebiete erobern, in denen derzeit unter dem kurdischen Namen „Rojava“ ein demokratischer und säkularer Staat in diesem von Konflikten geprägten Gebiet erschaffen wird.

    Die kurdischen Selbstverteidigungskräfte YPG – die gegen den Islamischen Staat die Hauptkraft auf dem Boden waren – sollen von dem NATO-Land nun unwidersprochen abgeschlachtet werden.

    Kommentare von führenden NATO-Staaten bleiben aus. Im Oktober 2019 hatte die jetzige Außenministerin Annalena Baerbock nach einem Einmarsch der Türkei in Syrien noch gefordert, man solle sofort alle Rüstungsexporte in Richtung Türkei stoppen.

    Nun gibt sie noch nicht mal einen kritischen Kommentar ab.

    EU-Staat Ungarn schleicht in die Diktatur

    Das selbe dröhnende Schweigen bei Ungarn. Hier hat Ministerpräsident Victor Órban von der faschistischen Fidez-Partei ein weiteres Mal eine Verlängerung des Ausnahmezustands durchgesetzt. War dieser im Kampf gegen die Corona-Pandemie ausgerufen worden, so soll nun der Ukraine-Krieg als Begründung herhalten. Dabei ist offensichtlich worum es geht: Ungarn schleicht in eine „Ausnahmezustands“-Diktatur. Mit dieser können Grundrechte schlagartig außer Kraft gesetzt werden.

    So hatte die Regierung die letzten Notstandsvollmachten genutzt, um Regelungen, die wenig mit der Corona-Pandemie zu tun hatten, zu treffen. So wurde das Recht von inter- und transgeschlechtlichen Personen aufgehoben, ihr amtliches Geschlecht ändern zu lassen und am 11. Februar diesen Jahres erließ die Regierung einen Erlass gegen einen unliebsamen Lehrerstreik, der diesen praktisch illegalisierte.

    Orbán reagiert in Ungarn weiter per Dekret

    War man früher schnell dabei die ungarische Regierung zu kritisieren, schweigt sich auch hier die deutsche Außenpolitik aus. Warum eigentlich?

    Deutschland schweigt – denn man hat selbst schlimmes vor

    Die Ampel-Regierung ist gerade dabei Deutschland auf geradem Weg in Richtung einer bis an die Zähne bewaffneten Großmacht aufzubauen. Der Militäretat soll Stückweise auf 70 Milliarden Euro angehoben werden – das wäre der drittgrößte Wehretat der Welt. In diesem Jahr wird dieser Betrag mit dem 100 Milliarden Euro Aufrüstungspaket bereits übertroffen, sodass nur die USA und China mehr für Militär in diesem Jahr ausgeben werden.

    Die Waffen sind kein Spielzeug. Sie sollen auch zum Einsatz kommen. Macht es da wirklich Sinn Überfälle eigener NATO-Partner zu kritisieren? Tatsächlich scheint es den Herrschenden sinnvoller, weiterhin am Märchen zu stricken, dass man selber auf der „demokratischen Seite“ sei, welche sich gegen die „Autokraten“ in China und Russland in Stellung bringen – auch wenn man selbst in den eigenen Reihen Leute wie Orban und Erdogan zählt.

    Man versucht alles zu tun um über die schreiende Doppelmoral hinwegzugehen – wenn man Zensur in Russland geißelt, selber aber RT und Sputnik verbietet; wenn man über Menschenrechte spricht aber Gas-Deals mit den Schlächtern von Katar macht; wenn man von Freiheit und Demokratie spricht, aber die ukrainischen Asow-Faschisten verteidigt.

    Man will verhindern, dass die Menschen sehen, dass tatsächlich auf BEIDEN Seiten nur Verbrecher agieren, Räuber, die nichts anderes im Sinne haben als die Interessen ihrer eigenen Milliardär:innen.

    Nur wird das immer offensichtlicher, und das ist auch gut so.

    • Perspektive-Autor und -Redakteur seit 2017. Schwerpunkte sind Geostrategie, Rechter Terror und Mieter:innenkämpfe. Motto: "Einzeln und Frei wie ein Baum und gleichzeitig Geschwisterlich wie ein Wald."

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