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Samstag, April 20, 2024
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    AfD-Landesparteitag in Baden-Württemberg: Polizei greift Gegenprotest an

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    1.200 Menschen demonstrierten am Wochenende gegen den Landesparteitag der AfD in Baden-Württemberg. Die antifaschistische Gegendemonstration wurde von der Polizei mit Schlagstöcken angegriffen und Demonstrierende wurden sieben Stunden lang eingekesselt. Die Medien übernahmen größtenteils unkommentiert die Pressemeldungen der Polizei – Videos zeigen derweil andere Szenen.

    Am 3. und 4. März hat in Offenburg der Landesparteitag der faschistischen Partei “Alternative für Deutschland” stattgefunden. Bereits 2020 hatte die AfD dort einen Landesparteitag geplant, der dann aber wegen der Coronavirus-Auflagen abgesagt wurde. Für die baden-württembergische AfD war es nun bereits der zweite Parteitag innerhalb von 8 Monaten. Beim letzten Parteitag in Stuttgart war der neonazistische “Flügel” gestärkt worden.

    Bei dem zweitägigen Parteitag, der nun am vergangenen Wochenende in der Oberrheinhalle stattfand, wurde über die Satzung und über Resolutionen zu verschiedenen Themen abgestimmt. In den Diskussionen zum Ukraine-Krieg forderte der Landesvorstand ein Ende der Waffenlieferungen und begründete dies damit, dass dieser ein „fremder Krieg“ sei und die deutsche Bevölkerung als Gesamtheit daher kein Interesse an dem Krieg habe. Dass die meisten deutschen Großkonzerne von dem aktuellen Krieg allerdings profitieren, wurde hierbei nicht erwähnt.

    Beim Thema Migrationspolitik ließen rassistische Äußerungen nicht lange auf sich warten, und ein Redner der AfD sagte in Richtung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, er solle “Flüchtlinge zurückzunehmen um am besten gemeinsam mit ihnen in das Land zurück zu gehen, aus dem sie hergekommen sind”.

    Doch auch unter dem grünen Ministerpräsidenten haben die Abschiebungen 2022 im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugenommen. Außerdem werden Geflüchtete oft jahrelang unter unwürdigen Bedingungen in den sogenannten Landeserstaufnahmeeinrichtungen untergebracht und vor den Abschiebungen in Abschiebungshafteinrichtungen, wie z.B. der in Pforzheim, gefangen gehalten.

    Breites Bündnis aus bürgerlichen Parteien und antifaschistischen Gruppe rief zu Gegenprotest auf

    Mehrere Dutzend Organisationen hatte zu Protesten gegen den Parteitag der AfD aufgerufen. Die erste Kundgebung auf dem Marktplatz in Offenburg wurde vom Gewerkschaftsbund DGB organisiert. Etwa 1.200 Menschen waren um 11 Uhr gekommen und schlossen sich danach dem vom Offenburger Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ initiierten Demonstrationszug durch die Innenstadt in Richtung Oberrheinhalle an. Einem ersten Block von Gewerkschaften, SPD und Grünen folgte ein großer antifaschistischer Block, zu dem über 20 Gruppen aus Baden-Württemberg, dem französischen Elsass und der Schweiz aufgerufen hatten.

    Vor der Oberrheinhalle, in der der Parteitag stattfand, gab es dann eine weitere Kundgebung und erste Provokationen und Tätlichkeiten von einzelnen Polizist:innen, die verhindern wollten, dass die Banner der Demonstrierenden über die Absperrgitter gehängt werden. Andere Polizist:innen versuchten ihre aufgebrachten Kolleg:innen zurückzuhalten.

    SPD und Grüne verteidigten in ihren Redebeiträgen die Waffenlieferungen an die Ukraine. Der Redner der antifaschistischen Kampagne „Den Widerstand nicht abreißen lassen – gemeinsam gegen den AfD-Landesparteitag“ übte dagegen scharfe Kritik an der Politik der Ampel-Regierung und zeigte auf, wie deren Politik verantwortlich sei für die sozialen Ungleichheiten in Deutschland. Gerichtet wurde diese Kritik explizit an die Berufspolitiker:innen in den Parlamenten und „nicht auf Teile der SPD/Grüne-Basis mit deren ehrlichem antifaschistischen Engagement“.

    Polizei greift Demonstrationszug mit Schlagstöcken an und nimmt Personalien von 400 Menschen auf

    Nach der Zwischenkundgebung setzte sich die Demo gegen 13:15 Uhr wieder in Bewegung, dieses Mal mit dem antifaschistischen Block an der Spitze. Die angemeldete Route sollte durch den Osten der Stadt verlaufen, vorbei an einem Lokal, das die AfD regelmäßig für Stammtische nutzt. Auf verschiedenen Videos ist dann der weitere Verlauf der Demonstration dokumentiert:

    Wenige Meter, nachdem der Demonstrationszug wieder auf der Hauptstraße ist, stellt sich eine Polizeikette von etwa 5 Beamten vor die Demonstration und versucht sie zu stoppen. Die Demonstrierenden durchbrechen diese innerhalb weniger Sekunden und setzen ihre Route fort. Ein „Anti-Konflikt-Team“ der Polizei versucht die Demonstrierenden einmal mehr zu stoppen, doch diese können für etwa 200m ungehindert weiterlaufen. Eine Handvoll Polizeibeamter greift dann die Demonstration von vorne mit Schlagstöcken an, ohne ihre Helme aufgesetzt zu haben. Kurz darauf kommen etwa 50 weitere Polizist:innen, die die Demonstrierenden zurück schubsen.

    Aus dem Demonstrationsblock wird kurz darauf ein Feuerlöscher in Richtung der Polizei eingesetzt und die Demonstration schiebt sich weitere Meter nach vorn. Die Polizei beginnt danach, die Demonstrierenden einzukesseln und gibt per Lautsprecherdurchsage an, dass die Demonstration nun nicht mehr dem Demonstrationsrecht unterliege.

    Außerhalb des Polizeikessels befinden sich nur der Lautsprecherwagen und einzelne Demonstrierende, darunter Mitglieder der Gewerkschaft IG Metall, die ein Banner mit der Aufschrift „Gegen Faschos im Betrieb“ halten. Die Demonstrierenden von SPD und Grünen und ihren Jugendorganisationen sind nicht mehr zu sehen.

    Während der Großteil der Zeitungen die Pressemeldungen der Polizei über Vorgehen und Zahle der Verletzten unkommentiert übernimmt, berichtet Zeit Online über ein ihnen vorliegendes Video, das der Darstellung der Polizei widerspreche. Hierbei wird betont, dass die Gewalt von der Polizei ausgehe und diese in ihrem „unkoordinierten Vorgehen“ mit Schlagstöcken auf die Demonstrierenden einprügele. Die Polizei wollte sich Zeit Online zufolge nicht zu den Vorwürfen äußern.

    In den folgenden Stunden werden die Demonstrierenden dann einzeln aus dem Polizeikessel gezogen und erkennungsdienstlich behandelt. Am späten Nachmittag wird innerhalb der Demonstration ein Feuer gezündet und Kleidung verbrannt. Die Feuerwehr muss anrücken, um das Feuer zu löschen. Mitdemonstrierende bringen den Eingekesselten, die bei Temperaturen knapp über 0 Grad verharren müssen, über 40 Pizzen. Gegen 20 Uhr wird die letzte Person aus dem Polizeigewahrsam gelassen.

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