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    Von der Flucht in die Prostitution

    In den letzten Wochen wurden am Berliner Hbf immer wieder Geflüchtete von bekannten Sexualstraftätern und Zuhältern angesprochen, die ihnen vermeintlich nur Übernachtungsplätze anbieten wollen. Später zwingen diese in die Prostitution. – Ein Kommentar von Tabea Karlo.

    Seit Geflüchtete in Deutschland am Berliner Hauptbahnhof ankommen, hört man immer wieder die Warnung, dass diese sich vor Menschenhändler:innen in Acht nehmen sollen.

    Seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine sind bereits mehr als drei Millionen Menschen geflüchtet. Die meisten von ihnen sind Frauen und Kinder, die in ein Land kommen, dessen Sprache sie nicht sprechen.

    Der Rest der Familie ist oft noch in der Heimat, wo er nicht die Möglichkeit hat, Frauen oder Kinder zu suchen, falls diese verschwinden sollten. Diese Menschen haben gerade einen weiten Fluchtweg hinter sich gebracht, mussten Teile ihrer Familie zurücklassen und haben die Schrecken des Kriegs erlebt.

    Wie kann man von diesen Menschen erwarten, dass sie sich in “Acht nehmen” oder ohne Hilfe zwischen einem privaten Übernachtungsangebot aus ehrlicher Hilfsbereitschaft und einer List unterscheiden?

    Gerade in diesen Momenten ergreifen Menschenhändler, aber auch andere Sexualstraftäter, ihre Chance. Sie bieten den Geflüchteten z.B. einen kostenlosen Schlafplatz an. Dann nehmen sie ihren Opfern Reisepässe und Handys weg und zwingen sie anschließend in die Prostitution oder in andere Zwangsarbeit.

    Auch das Innenministerium hat sich bereits zu den Vorfällen gemeldet. Bekannte Sexualstraftäter und Pädophile seien im Rahmen der Gefährderansprache gezielt kontaktiert worden: “Wir haben in der Folge auch einige Treffer gehabt”, so der Berliner Innenstaatssekretär Torsten Akmann. “Es waren Personen dabei, die sich angeboten haben, Wohnungen zur Verfügung zu stellen für ankommende Flüchtlinge. Das haben wir unterbunden.”

    Darüber hinaus seien präventive Teams der Polizei im und um den Hauptbahnhof herum unterwegs. Außerdem nutze man Ehrenamtliche dafür, bereits ein breites Angebot direkt am Berliner Hauptbahnhof zu schaffen, während sich auch Bahn und Senat dafür einsetzen würden, die Menschenmassen schnell zu entzerren. Diese werden dann vom Bahnhof in das “Willkommenszelt” auf dem Washingtonplatz in Berlin Mitte geschleust oder ins Ankunftszentrum Tegel.

    Das alles ist letztlich aber nur Symptom-Behandlung, so lange geflüchtete Menschen gezwungen sind, nach Deutschland zu kommen, so lange werden Menschenhändler:innen versuchen, deren Situation auszunutzen und in vielen Fällen Erfolg damit haben.

    Unter anderem auch deshalb, weil viele Geflüchtete in Deutschland gar nicht adäquat aufgenommen werden: wer keine (andere) Arbeit oder Wohnung findet, der wird – egal wie sehr er oder sie gewarnt werden – immer angewiesen sein auf kostenlose Übernachtungsangebote.

    Diese Menschen haben dann nicht die Wahlmöglichkeit. Denn wenn sie Geld verdienen möchten, das sie ihren Familien in der Ukraine zukommen lassen können oder mit dem sie sich und ihre Kinder hier versorgen, dann sind sie oft gezwungen dubiose und ausbeuterische Angebote anzunehmen.

    • Perspektive-Autorin seit 2017. Berichtet schwerpunktmäßig über den Frauenkampf und soziale Fragen. Politisiert über antifaschistische Proteste, heute vor allem in der klassenkämperischen Stadtteilarbeit aktiv. Studiert im Ruhrpott.

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