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    Workers’ Memorial Day – Erinnern heißt kämpfen

    Heute, am 28. April, ist der internationale Gedenktag für durch die Arbeit erkrankte und verunglückte Arbeiter:innen. Die Folgen des Klimawandels auf die Arbeitssicherheit stehen dieses Jahr im Vordergrund. – Ein Kommentar von Mario Zimmermann

    Seit 2010 rufen auch die DGB-Gewerkschaften zum International Workers’ Memorial Day (Internationaler Gedenktag für Arbeiter:innen) auf. Der Gedenktag hat seinen Ursprung in den 1980er Jahren in Kanada, wo die Initiative der kanadischen Gewerkschaft für Angestellte im öffentlichen Dienst vom kanadischen Gewerkschaftsverband aufgegriffen wurde, worauf der Internationale Gewerkschaftsbund ihn 1996 übernahm und seine Mitgliedsgewerkschaften jährlich zur Teilnahme aufruft.

    In offiziellen Veranstaltungen und Zeremonien wird den erkrankten und verunglückten Arbeiter:innen gedacht. Manche Kirchen veranstalten Gedenkgottesdienste, große Gewerkschaftsverbände lassen Erklärungen über offizielle Kanäle verbreiten und Arbeitsminister:innen weltweit geben sich geläutert und besorgt um die Gesundheit der Beschäftigten.

    Eine kämpferische Tradition zu diesem Gedenktag gibt es nicht, wurde er doch von Gewerkschaftsvorständen ausgerufen und hat nur eine geringe Bekanntheit.

    Die Gefahren für Gesundheit und Leben, welche auf der Arbeit warten, sind dagegen den meisten Arbeiter:innen gut bekannt und begegnen ihnen täglich. Seien es Gerüstbauer:innen, Krankenpfleger:innen oder Bergarbeiter:innen: Risikofaktoren wie Absturz, Infektion, Verschütten, Verletzungen durch Maschinen und viele weitere können zu schweren gesundheitlichen Folgen oder sogar dem Tod führen.

    Doch auch weniger sichtbare Gefahren können schwere Folgen haben, zum Beispiel das Einatmen von Asbest, dauerhafter Stress und Überarbeitung, oder Schichtarbeit und ein damit gestörter Schlafrhythmus.

    Arbeiten in Zeiten von Klimawandel und extremer Hitze

    Jährlich steht der Gedenktag unter einem Motto, welches wichtig für die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz ist. Dieses Jahr liegt der Fokus auf den Auswirkungen des Klimawandels für Arbeiter:innen und den Auswirkungen von extremer Hitze, welche in Zeiten des Klimawandels stark zunimmt.

    Einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge werden über 70 Prozent der Arbeiter:innen während ihrer Arbeit extremer Hitze ausgesetzt sein, während der bestehende Arbeitsschutz Probleme haben wird, mit den entstehenden Risiken mitzuhalten. Sie stützt sich dabei auf Zahlen aus dem Jahr 2020, welche bereits einen deutlichen Anstieg des Anteils durch Hitze gefährdeter Arbeiter:innen gegenüber dem Jahr 2000 mit 65,5 Prozent verzeichnen konnte. Außerdem lassen sich schätzungsweise jährlich 18.970 Todesfälle und 22,87 Millionen Arbeitsunfälle auf übermäßige Hitze zurückführen.

    Die Tendenz stimmt auch überein mit dem allgemeinen Anstieg von Hitzetoten in Europa und weltweit. Laut einem Bericht des EU-Wetterdienstes Copernicus vom Jahr 2023 ist die Zahl der Hitzetoten in der EU in den letzten 20 Jahren um 30 Prozent gestiegen. Davon betroffen waren 94 Prozent der Regionen; Großstädte sind besonders betroffen.

    Sicherheit geht vor?

    Sowohl im landwirtschaftlichen Bereich, aber auch im Bausektor wird viel im Freien gearbeitet, und ein Schutz vor Hitze und UV-Strahlung ist erschwert. Durch UV-Strahlung verursachter Hautkrebs ist seit 2015 eine anerkannte Berufskrankheit und immer noch weit verbreitet.

    Neben den vielen Berufserkrankungen ist auch allgemein die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle weiterhin hoch. Insgesamt 787.412 Arbeitsunfälle zählte die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung 2022 in Deutschland. Dazu kommen noch 173.288 Wegeunfälle. Es kann von einer ebenfalls hohen Dunkelziffer ausgegangen werden.

    Unfälle auf einer Großbaustelle in Hamburg: Betriebstote sind einkalkuliert

    Die meiste Aufmerksamkeit erhalten hierbei die vielen Todesunfälle, die es immer noch gibt. Im vergangenen Jahr war der wahrscheinlich bekannteste Fall ein Unfall beim Bau des Überseequartier in Hamburg: Im Oktober stürzte ein Baugerüst ein, wobei fünf Bauarbeiter starben. Dabei wurde bekannt: Schwere Unfälle und Tote werden einfach hingenommen, dabei hätten sie verhindert werden können. Beim Bau des Prestigeobjekt herrscht Hochdruck, unterbezahlte Arbeiter:innen schuften für gut 600 Euro im Monat, angestellt bei ausländischen Subunternehmen, während sich kein:e Verantwortliche:r um die Arbeitssicherheit kümmert. Schwere Arbeitsunfälle durch Abstürze, Brände und Stromschläge sind weiterhin an der Tagesordnung.

    Gemeinsam gegen Arbeitsbedingungen, die krank machen

    Extreme Beispiele wie der Bau des Überseequartiers zeigen, wie systematisch Gesundheit und Leben der Arbeiter:innen für die Profitinteressen der Kapitalist:innen geopfert werden. Weder den toten Arbeiter:innen noch den Hinterblieben nützen die Krokodilstränen aller Arbeitsminister:innen und Gewerkschaftsbosse zusammen, die ja doch nichts an den herrschenden Umständen im Kapitalismus ändern werden. Denn solange der Rubel rollt, ist die Gesundheit von uns Arbeiter:innen zweitrangig. Und wenn es zur Krise kommt, hagelt es weitere Angriffe auf uns: von der Forderung nach der Rente mit 70 über Reallohnsenkungen bis zu schärferen Sanktionen beim Bürgergeld.

    Die schlechten Löhne und Arbeitsbedingungen in vielen Branchen ziehen einen Mangel an Personal mit sich. Auf die Arbeiter:innen in diesen Branchen steigt der Arbeitsdruck. Unter diesem Druck entstehen mehr Fehler und Unfälle, durch den Stress werden mehr Arbeiter:innen krank, worauf die Arbeitsbelastung für die übrigen Kolleg:innen noch größer wird. Der Teufelskreis schließt sich.

    In den immer ausdifferenzierteren Arbeitsverhältnissen gibt es viele verschiedene Methoden, den Druck auf uns Arbeiter:innen zu erhöhen, an verschiedenen Schutzvorrichtungen zu sparen und uns so Gefahren auszusetzen. Der fortschreitende Klimawandel und Gefahren durch Extremwetterlagen und Hitze bedrohen ebenfalls unser Leben und unsere Gesundheit, besonders auch die der Arbeiter:innen in armen, abhängigen Ländern.

    Gedenken wir den vielen verletzten und verstorbenen Arbeiter:innen bzw. auch wissentlich hingenommenen Arbeitsmorden. Lasst uns am 1. Mai auf die Straße gehen und den Kampf für bessere Arbeitsbedingungen, gegen die kapitalistische Ausbeutung gemeinsam mit unseren Kolleg:innen in den Betrieben entwickeln.

     

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