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    Die 4B-Bewegung: Warum koreanische Frauen keine Kinder kriegen

    Südkorea ist das Land mit der weltweit niedrigsten Geburtenrate. Für viele koreanische Frauen ist die Kinderlosigkeit eine bewusste Entscheidung. Sogar eine Bewegung zum Geburtenboykott ist entstanden. Was steckt dahinter? – Ein Kommentar von Elodie Fischer.

    Werden südkoreanische Frauen dazu befragt, weshalb sie sich entscheiden, kinderlos zu bleiben, nennen sie häufig einen Grund: Die mit der Mutterschaft einhergehende Sorgearbeit, die kaum von Männern übernommen werde. So äußerte eine Frau gegenüber BBC: „Es ist schwer, in Korea einen Mann zu finden, mit dem man ausgehen kann – einen, der sich die Hausarbeit und die Kinderbetreuung gleichmäßig mit der Partnerin aufteilt.”

    Auch Statistiken belegen dies: In Südkorea haben beide Elternteile Recht auf ein Jahr Elternzeit während der ersten 8 Lebensjahre ihres Kindes. Doch nur 7 % der Väter nimmt dies in Anspruch. Viele Frauen klagen zusätzlich über den Druck, dem sie auf der Arbeit ausgesetzt sind. Sie arbeiten lange, sind erschöpft und sorgen sich darum, durch eine Mutterschaftspause im Beruf benachteiligt zu werden.

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    Wie reagiert der südkoreanische Staat?

    Die niedrige Geburtenrate von 0,72 hat Auswirkungen auf die Wirtschaft durch die Schrumpfung der Erwerbsbevölkerung und einem Verlangsamen der Kaufkraft. Mit bezuschussten Wohnungen, monatlichem Kindergeld sowie der Übernahme von Krankenhausrechnungen versuchte der kapitalistische südkoreanische Staat bisher, Anreize zum Kinderkriegen für die Frauen im Land zu schaffen. Doch diese Anreize scheinen bislang kaum zu fruchten, da sie nichts an der Überlastung der Frauen durch eine Mutterschaft ändern.

    Nach der Veröffentlichung des neuen Rekordtiefs der Geburtenrate spielen koreanische Politiker mit neuen Ideen: Unter anderem dem Einstellen von Kindermädchen aus Südostasien für einen geringen Lohn, welche dann die Sorgearbeit für die Kinder anstelle der koreanischen Frauen übernehmen sollen. Somit würde die Sorgearbeit auf andere, ärmere Frauen abgewälzt werden.

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    Die 4B-Bewegung: Können wir uns dem Patriarchat entsagen?

    2019 bildete sich gar die sogenannte 4B-Bewegung durch Frauen in Südkorea gegen die Geschlechterungerechtigkeiten. Die Bewegung legt einen großen Fokus auf Kinderlosigkeit und wird immer wieder in der Debatte um die südkoreanische Geburtenrate aufgegriffen. „4B“ steht für:

    • Bihon: Nein zur heterosexuellen Ehe
    • Bichulsan: Nein zum Kinderkriegen
    • Biyeonae: Nein zum Dating und
    • Bisekseu: Nein zu Sex mit Männern.

    Die gesamte Bewegung scheint somit darauf ausgerichtet zu sein, als Frau dem Patriarchat zu entkommen, indem kein Sex und keine Beziehungen mit Männern eingegangen werden, sodass die Belastung durch Sorgearbeit für Kinder wegfällt.

    Zwar bringt die 4B-Bewegung südkoreanische Frauen dazu, traditionelle Ehe- und Familienbilder zu hinterfragen und sich gesellschaftlichem Druck zu widersetzen, doch kann sie nicht zu einem Ende des Patriarchats führen.

    Denn immer wieder sind Beziehungen und Sex mit Männern eben keine Wahl, gegen die sich Frauen frei entscheiden können, sondern unterliegen Zwängen. Was ist zum Beispiel mit Vergewaltigungen, Femiziden, Zwangsverheiratungen und Abtreibungsverboten? Wir können uns dem Patriarchat nicht entsagen, indem wir Männer vermeiden – wir müssen aktiv das Patriarchat, also die Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen auf Grund ihres Geschlechts, bekämpfen.

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    • Perspektive-Autorin seit 2023, politisiert über Palästina-Aktivismus. Schreibt vor allem über Frauen- und Arbeiter:innen-Kämpfe. Studiert und arbeitet im Kulturbereich in Berlin, gibt gerne Buchempfehlungen.

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