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    Staat schließt Mädchen*-Zentren wegen Palästinasolidarität

    In Friedrichshain-Kreuzberg hat der Staat als Antwort auf die zunehmende Palästina-Solidarität in Deutschland zwei soziale Zentren für junge Frauen und LGBTI+-Personen mit sofortiger Wirkung geschlossen. Inwiefern dem Staat jedes Mittel recht ist und die Klassengegensätze immer deutlicher werden. – Ein Kommentar von Felix Zinke.

    Am Freitag, den 19.04.2024, gab das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg in seiner Pressemitteilung bekannt, dass sie das queer-feministische Mädchenzentren des FRIEDA-Frauen*zentrum e.V. mit sofortiger Wirkung vom Jugendamt schließen lassen. Die beiden Einrichtungen sind zum einen der Phantalisa-Raum für Mädchen* und junge Frauen* in Friedrichshain und das ALIA-Zentrum für Mädchen* und junge Frauen*.

    Die Begründungen dazu von Seiten des Bezirksamts ist die Palästina-Solidarität der Geschäftsführung und Leitung des Mädchenzentrums Phantalisa.

    Die Vorwände des Bezirksamts

    Grund für die Repression ist laut dem amtlichen Schreiben des Bezirksstadtrats Max Kindler (CDU) die Nicht-Einhaltung des „Neutralitätsgebotes“ sowie der Vorwurf, die dortige Jugend- bzw. Frauenarbeit erfolge „nicht mehr ausschließlich auf der Grundlage der freiheitlich demokratischen Grundordnung der BRD“. Das amtliche Schreiben hatte der Verein selbst veröffentlicht, um eine gesellschaftliche Transparenz zu gewährleisten.

    Speziell werden dem Verein und vor allem ihren Betreiber:innen 3 Dinge vorgeworfen, die allesamt lächerlich und juristisch kaum vertretbar erscheinen:

    • Auf Grundlage von Fotomaterial des Focus sei ersichtlich, dass die Geschäftsführung und Jugendzentrumsleitung an einer „familiären Mahnwache für Palästina“ teilgenommen hätten. Da es dort zu Polizeigewalt gekommen sei, könnten auch die Betroffenen eine „gezielte konfrontative Auseinandersetzung mit den Polizeikräften als Vertretung des Staates gesucht“ haben.
    • Eine der beiden Geschäftsführer:innen (Frau Montazeri) habe auf ihrem privatem Instagram-Account „Pro-Palästina-Äußerungen“, „antizionistische“ Aussagen sowie vermeintlich „antisemitische Aussagen“ gepostet, was jedoch noch überprüft werden muss. Des Weiteren hätten „u.a. auch Mitarbeitende“ diese Posts privat geliked. Als letzter Punkt wird noch vorgebracht, dass der Instagram-Account vom Mädchenzentrum Phantlisa dem privatem Account ihrer Geschäftsführerin folge.
    • Zuletzt war Frau Montazeri als eine von vielen Redner:innen für die Palästina-Konferenz eingeplant worden. Die Konferenz fand aufgrund einer spontanen polizeilichen Intervention und eines folgenden polizeilichen Verbots letztlich gar nicht statt.

    Palästina-Konferenz durch Berliner Polizei verhindert: Was passiert ist.

    Die Maske der BRD und seiner Helfer:innen

    Die Vorwürfe, die in diesem Brief gelistet sind, zeichnen das Bild eines Staats, der die privaten Social-Media-Profile von Menschen überwacht und nach Abweichungen von der „Staatsräson“ sucht. Dies wird oft durch die Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Denunziant:innen erreicht. Berichten zufolge ließ in diesem Fall eine Gruppe mit dem Namen „Sozialarbeiter:innen gegen Antisemitismus“ dem Staat die nötigen Informationen zukommen.

    Die staatlich-zivile Kooperation bei Repressionen gegen Andersdenkende war auch im Fall der Gefangennahme untergetauchter ehemaliger RAF-Mitglieder ausschlaggebend. Auch in Leipzig war es zuletzt eine nicht-staatliche Gruppe, die die Repression gegen eine fortschrittliche Bewegungen auslöste.

    Angriff auf Palästinasolidarität in Halle (Saale)

    Mit der sofortigen Schließung der Mädchenzentren verlieren Berlin und der Bezirk nun zwei der wenigen Orte, die einen sicheren Ort für Mädchen und LGBTI+-Personen dargestellt haben. Das trifft in diesem Fall zudem vor allem Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund.

    In Zeiten sich ausweitender faschistischer, patriarchaler und rassistischer Gewalt ist dies ein Zeichen an die Arbeiter:innenklasse, dass die BRD sich einen Dreck um soziale Räume schert. Auch die wenigen, teils hart erkämpften Räume, können uns in diesem System jederzeit wieder weggenommen werden.

    Der deutsche Staat zeigt mit seiner Repression gegen den legitimen Kampf der Palästinenser:innen gegen Vernichtung und Unterdrückung seine wahren Klasseninteressen, die lange Zeit hinter der Maske von „Toleranz und Vielfalt“ versteckt wurde. Am Ende sind die geopolitischen Interessen der deutschen Kapitalist:innen und Herrschenden, aus denen die bedingungslose Solidarität mit Israel resultiert, wichtiger, als den Schein der Demokratie aufrechtzuerhalten. Und diese oft als „Staatsräson” betitelte Haltung der BRD zu Israel wird eben auch innenpolitisch zunehmend gewaltsam durchgesetzt.

    Direkte Reaktionen aus der politischen Widerstandsbewegung

    Natürlich blieb dieser Akt der Repression nicht unbeantwortet: Nach der Bekanntgabe der Schließung solidarisierten sich umgehend verschiedenste Gruppen aus dem fortschrittlichen und revolutionären politischen Spektrum mit den diesmal Betroffenen, dem Verein und den Einrichtungen.

    Der Migrationsrat, ein Dachverband von über siebzig Migrant:innen-Selbstorganisationen, hat daraufhin am 24.04.2024 einen offenen Brief an die Bezirkspolitik veröffentlicht. Darin fordert er, dass die Einrichtungen umgehend wieder geöffnet und das vermeintlich „eigenmächtige Handeln“ vom Bezirksstadtrat „lückenlos aufgeklärt“ werden müsse.

    Am Montag um 12 Uhr wird es eine Kundgebung vor dem Bezirksamt Friedrichshain geben.

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