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      Antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus: Der Hass kommt von rechts

      Der Digital Report 2024-01 des Else Frenkel-Brunswik-Instituts zeigt die Auswirkungen des Gaza-Krieges auf rechte Narrative. Gleichzeitig meldet die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) zehn antisemitische Vorfälle pro Tag. Was steckt dahinter? – Ein Kommentar von Janosch Weiß

      Bereits im November 2023 warnte der Bundesumweltminister Robert Habeck (Grüne) in einer Ansprache vor  Übergriffen durch muslimischen und linken Antisemitismus. Schon zu dem damaligen Zeitpunkt wurden allerdings zuvorderst Faschist:innen hinter den Angriffen ausgemacht. Gleichzeitig sprachen Medien-Akteure wie die BILD gezielt antimuslimische Ressentiments in der Bevölkerung an und stellten Muslime unter den Generalverdacht des Antisemitismus.

      Der „Digital Report 2024-01” des Else Frenkel-Brunswik-Instituts zeigt hingegen in einer umfassenden Analyse rechter Chatgruppen aus Sachsen auf, wie Faschist:innen gezielt anti-muslimischen Rassismus und Antisemitismus in ihren Narrativen verarbeiten. Sie sehen die Palästina-solidarischen Proteste als Teil einer „Islamisierung“ der Bundesrepublik Deutschland. Andere rechte Strömungen sehen darin sogar die Bestätigung ihrer Wahnvorstellung eines „Great Resets“.

      „Umvolkung“ und „Messerkulturen“

      Die computergestützte Analyse der Chatgruppen zeigt einen sprunghaften Anstieg des Themenkomplexes „Israel, Gaza, Hamas“ nach dem 07. Oktober 2023 – dabei schwankt die die faschistische Strömung immer wieder zwischen antimuslimischer Hetze und Antisemitismus. Faschist:innen sehen zum einen in der „Islamisierung“ den jüdischen Plan des „Großen Umtauschs“. Zum anderen sind für die Rechten die Ausschreitungen auf Protesten gegen den Gaza-Krieg ein Beweis für ihr rassistisches Bild von Muslimen, denen ein homogenes, gewalttätiges Wesen angedichtet wird.

      Woher kommen der steigende Antisemitismus und antimuslimische Rassismus?

      Dem stellen sie ihre „pazifistische” Selbstverortung gegenüber, nach der sie selbst für den Frieden einstehen würden. Dieser könne jedoch nur durch die Trennung der verschiedenen „Rassen“ erreicht werden. In der Agitation in den Chatgruppen werden oftmals Chiffren wie „Messerkulturen“ für den Islam genutzt, um den Leser:innen die vermeintlich durchgängige Gewalttätigkeit und Rückschrittlichkeit der islamischen Religion zu symbolisieren.

      Die Faschist:innen nutzen die Hetze des Staats gegen die Palästina-solidarischen Proteste, um darauf ihre eigenen Verschwörungstheorien aufzubauen und diese salonfähig zu machen. Entgegen der Auffassung Habecks, dass sich Faschist:innen taktisch in dem Geschehen in Deutschland hinsichtlich des Gaza-Kriegs zurückhielten, gelingt es ihnen durchaus, die Ereignisse in ihre Verschwörungsnarrative einzupflegen. Gestützt durch den antimuslimischen Rassimus in vielen öffentlich-rechtlichen Medien sind diese vielseitig anschlussfähig.

      Antisemitische Deutungen des Gaza-Kriegs

      Neben den antimuslimsichen Narrativen sind antisemitische Deutungen des Gaza-Kriegs in den rechten Chatgruppen vorherrschend. Der Genozids Israels wird dazu genutzt, die deutsche Schuld am Holocaust zu relativeren und Jüd:innen das Existenzrecht abzusprechen. Wegen der Grausamkeit der israelischen Kriegsführung solle der eigene „Schuldkult“ endlich beendet werden. Dabei zweifeln die Chatteilnehmer:innen die Existenz des deutschen Holocausts offen an und setzen alle Jüd:innen mit dem Staat Israel gleich.

      Wenig überraschend erlebt der Antisemitismus seit dem Beginn des Gaza-Krieges also eine Hochphase. Israel wird dabei zum Hauptakteur des „Großen Austauschs“ stilisiert, während Jüd:innen in Deutschland eine Mitschuld für den Holocaust gegeben wird. Hierin ist das starke Bedürfnis der Faschist:innen zu sehen, mit der Aufarbeitung der Verbrechen der Nationalsozialist:innen und der kollektiven Schuld der Deutschen am Holocaust zu brechen.

      Anstieg judenfeindlicher Angriffe um 50 Prozent

      Laut der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) werden in Deutschland seit dem 07. Oktober pro Tag zehn antisemitische Vorfälle dokumentiert. Dabei handelt es sich um einen Anstieg von fast 50 Prozent im Vergleich zu demselben Zeitraum im Jahr 2022. Bei der RIAS handelt es sich um ein privates Projekt, auf dem online antisemitische Vorfälle gemeldet werden können.

      Dabei ist jedoch wichtig zu wissen, dass die RIAS antisemitische Vorfälle noch immer auch mit legitimer Israelkritik gleichsetzt. Es wird regelmäßig die IHRA-Definition für „isrealbezogenen Antisemitismus“ benutzt, die faktisch jede Kritik am Staat Israel delegitimiert. Die Projektleiterin Kopp spricht in diesem Sinne auch von Universitäten als Hotspots für antisemitische Eskalation. Allerdings fehlt hier eine detaillierte Trennung zwischen antisemitischen Vorfällen und Israelkritik. Nichtsdestotrotz bleibt zu betonen, dass – wie oben aufgezeigt – insbesondere rechte Strukturen den Gaza-Krieg für ihre antisemitischen Narrative instrumentalisieren.

      Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass es Faschist:innen gelungen ist, die Ereignisse des Gaza-Kriegs in ihre rassistische und antisemitische Weltanschauung einzupflegen und damit in den Chatgruppen, die teilweise mehrere tausend Mitglieder vorweisen, zu agitieren. Unterstützt werden sie dabei (ob gewollt oder ungewollt) von Aussagen deutscher Politiker:innen, die Antisemitismus als Problem des Islams einordnen und damit die Agitation der Faschist:innen kleinreden. Somit muss der Kampf gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus auch weiterhin ein antifaschistischer Kampf bleiben.

      • Autor bei Perspektive seit 2022. Jurist. Beschäftigt sich mit (Un-)Recht im deutschen Staat und deutscher Wirtschaft. Schreibt aus dem Rhein-Main-Gebiet.

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