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    Interview vor Gerichtsprozess: „Palästina-Solidarität ist kein Verbrechen!“

    Im Oktober reagierte der deutsche Staat schnell mit großer Repression auf Proteste zur Situation in Gaza. Am 13. Oktober wurden bei einer Kundgebung in Freiburg, die unter dem Motto „Palästina-Solidarität ist kein Verbrechen!“ stattfand, sechs Menschen festgenommen. Wir haben mit Hanna gesprochen, die nun vor Gericht steht.

    Warum habt ihr die Aktion am 13. Oktober organisiert?

    Für uns war es wichtig, von Anfang an zu zeigen, dass der Kampf der Palästinenser:innen gegen die israelische Besatzung legitim ist. Die Antisemitismusvorwürfe waren dabei von Anfang an ein Mittel, um legitimen Protest einzuschränken. Das hat sich u.a. besonders an dem angekündigten Verbot der palästinensischen Gefangenensolidaritätsorganisation Samidoun gezeigt. Jede Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf wurde mit islamisch-fundamentalistischen Positionen gleichgesetzt.

    Bereits im Oktober war zudem klar, dass Israel sich nicht einfach gegen die Angriffe verteidigt, sondern die Situation nutzt, um die eigene Offensive auf das palästinensische Volk massiv auszuweiten: Schulen, Unis, Krankenhäuser oder Straßennetze waren und sind Ziele der Angriffe der israelischen Armee. Schauen wir uns die letzten 76 Jahre Besetzungsgeschichte durch Israel an, wird schnell klar: Es geht nicht um Frieden. Es geht um den Zugang zu wertvollen Rohstoffen, die Kontrolle über Gebiete und Menschen, um die Ausweitung der eigenen Macht.

    Auch wenn der deutsche Staat heuchlerisch das Gegenteil zu behaupten versucht – der Widerstand gegen diese imperialistische Besatzung ist notwendig und legitim. In fast allen Städten Deutschlands gab es bereits zu diesem Zeitpunkt massive Einschnitte in die Versammlungsfreiheit, und Demonstrationen wurden großflächig verboten.

    Am 13. Oktober haben wir uns mit einem Banner und einem Lautsprecher auf die Straße gestellt, um gegen die Besatzung von Gaza und gegen die Repression in Deutschland zu protestieren. Unter dem Motto „Palästina-Solidarität ist kein Verbrechen! Gegen das Verbot von Samidoun! Freiheit für Gaza!“ wollten wir zeigen, dass es auch in Freiburg Widerstand gibt.

    Was ist dann bei der Kundgebung vorgefallen?

    Die Stadt Freiburg verhängte ein allgemeines Verbot gegen Versammlungen in Solidarität mit Palästina. Somit wurde die Kundgebung bereits nach kürzester Zeit von der Polizei, die sich in der Nähe aufhielt, eingekreist und anschließend wurden sechs Menschen festgenommen. Darunter befanden sich auch umstehende Personen, die die Kundgebung beobachteten und sich rassistischen Personenkontrollen unterziehen mussten. Wir bekamen im Nachhinein Anzeigen mit dem Vorwurf der „Teilnahme an einer verbotenen Versammlung“. Gegen das Bußgeld haben wir dann Einspruch eingelegt.

    Wie geht es jetzt weiter und wie kann man euch unterstützen?

    Am 11. Juni findet der erste Prozess hier in Freiburg statt. Für uns bedeutet das: Wir tragen unseren Protest von der Straße ins Gericht. Der deutsche Staat versucht, uns durch Geldstrafen, Verbote von Gruppen, Hausdurchsuchungen oder Isolation zu verunsichern. Darauf antworten wir mit Solidarität und kämpfen auch im Gerichtssaal für unsere Rechte. Denn der Protest gegen die Ermordung von zehntausenden Menschen und die Vertreibung von Millionen von Menschen ist legitim. Der Protest gegen das blutige, imperialistische System ist legitim.

    Aber wir verlassen uns in unserem Kampf natürlich nicht auf die Institutionen, die uns diese Repression erst bescheren. Um 10:30 Uhr wird es daher vor dem Amtsgericht am Holzmarkt eine Solidaritätskundgebung geben, bei der wir unserer Wut über die Heuchelei und Doppelmoral dieses Staats Ausdruck verleihen wollen. Denn unsere Antwort auf Einschüchterungsversuche, finanziellen Druck und Hetze kann nur eine sein: Wir machen weiter!

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    Außerdem haben wir ein Crowdfunding gestartet, um die Prozesskosten aufzufangen. Mit dem Crowdfunding werden auch weitere Menschen aus Freiburg unterstützt, die im Laufe der letzten Monate Strafverfahren oder Bußgelder wegen ihrer Palästina-Solidarität bekommen haben. Unterstützen kann man uns also, indem man zur solidarischen Prozessbegleitung vorbei kommt, oder auch, indem man einen finanziellen Beitrag leistet, sodass wir mit den Kosten nicht alleine da stehen. Und natürlich, indem man selbst gegen den Genozid in Gaza und die Komplizenschaft des deutschen Staats aktiv wird.

    Wie schaut ihr in Bezug auf die aktuelle Situation in Gaza rückblickend auf euren Protest im Oktober?

    Die Unterstützung des israelischen Staats hat sich in den letzten Monaten stark verändert. Das zeigen auch Umfragen hier in Deutschland: Im November haben noch zwei Drittel der deutschen Bevölkerung die Angriffe Israels auf die Palästinenser:innen unterstützt – heute hat sich die Stimmung umgedreht und zwei Drittel finden die Angriffe Israels nicht angemessen.

    Viele Menschen, die die aktuellen Massaker an den Palästinenser:innen schrecklich finden, würden also sagen, dass im Oktober eine ganz andere Situation war und palästinensische Organisationen selbst schuld waren, indem sie israelische Siedlungen rund um Gaza angegriffen haben. Doch sowohl die Situation heute, als auch im Oktober können wir nur verstehen, wenn wir sie im Kontext der jahrzehntelangen Besatzung, Vertreibung und Massakrierung der Palästinenser:innen durch die israelische Regierung betrachten. Die Kolonialisierung und Zerstückelung der palästinensischen Gebiete und die Umkreisung von einem mächtigen israelischen Staatsapparat sind die Ursachen für das Leid und den Widerstand der Palästinenser:innen.

    Dabei ist die systematische Unterdrückung des palästinensischen Volkes kein Zufall oder „Fehler im System“. In dieser Welt, in der wir leben, gehören genau solche imperialistischen Raubzüge zur Tagesordnung. Mächtige Staaten konkurrieren um Einfluss auf der ganzen Welt und Kriege sind eine systemische Folge davon.

    In Zeiten von verstärkter kolonialer Unterdrückung auf der ganzen Welt, starker Repression und bürgerlicher Kriegspropaganda wird unser Kampf also umso wichtiger – eben auch, weil wir sehen, dass wir uns nicht auf diesen Staat und seine Institutionen verlassen können. Wir stehen nach wie vor vereint für ein Ende von imperialistischer Besatzung und eine befreite Gesellschaft.

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