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    Aufrüstung: Wer kontrolliert Europas Luftraum?

    Im Zuge der Aufrüstung in Europa fordern Polen und Griechenland die Entwicklung eines gemeinsamen Luftabwehrsystems durch die EU. Damit unterstützen sie einen entsprechenden Vorschlag Frankreichs. Deutschland setzt dagegen auf den zügigen Kauf des israelischen Systems Arrow 3 und hat dafür 20 europäische NATO-Länder ins Boot geholt.

    Die Regierungschefs Griechenlands und Polen haben in einem Brief an die EU-Kommission die Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Luftabwehrsystems gefordert. Wie Polens Ministerpräsident Donald Tusk dem Sender TVP Info gegenüber erklärte, habe er zusammen mit seinem griechischen Amtskollegen Kyriakos Mitsotakis ein Ende der innereuropäischen Konkurrenz bei Raketenschutzschilden angemahnt: „Europa wird so lange sicher sein, wie der Himmel über ihm sicher ist“, schrieben beide demnach.

    Der Vorstoß hat die Unterstützung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), die nach der Europawahl Anfang Juni wiedergewählt werden will und dafür auf die Rückendeckung Frankreichs angewiesen ist. Von der Leyen schrieb auf X (vormals Twitter): „Wir brauchen weniger Zersplitterung und gemeinsame Projekte. Zum Beispiel einen Luftverteidigungsschild, wie er von Kyriakos Mitsotakis und Donald Tusk vorgeschlagen wurde“.

    Deutsch-französischer Konflikt um die Luftabwehr

    Mit dem Vorstoß haben Polen und Griechenland im deutsch-französischen Konflikt um die Kriegsvorbereitung in der Luft die Position Frankreichs unterstützt. Paris hatte den deutschen Alleingang bei der Anschaffung des israelischen Luftabwehrsystems „Iron Dome / Arrow 3” kritisiert und eine europäische Kooperation zur Entwicklung eines eigenen Schutzschildsystems vorgeschlagen. Der französische Präsident Emmanuel Macron betonte in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit einer strategischen Autonomie Europas: Was so viel bedeutet wie die Unabhängigkeit von US-amerikanischer und israelischer Rüstungstechnologie.

    Aufrüstung: Deutschland und Frankreich bauen neuen Kampfpanzer

    Zwar entwickeln Deutschland und Frankreich gemeinsam neue Kampfpanzer und Kampfjets. Bei der besonders kritischen Frage der Luftverteidigung hatte Deutschland jedoch eine eigene Initiative im Rahmen der NATO gestartet und setzt in diesem Rahmen auf die zügige Anschaffung von Arrow 3. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) begründete dies gegenüber der Zeitung Le Monde vor allem mit dem Argument der Geschwindigkeit: Es sei wichtig, „dass wir so schnell wie möglich ein Schutzschild über Europa haben“.

    Wer kommt unter den Schirm?

    Daneben dürfte es bei der deutschen Initiative jedoch vor allem um die Frage gehen, welches imperialistische Land künftig die technologische und militärische Vorherrschaft in Europa erlangt. Durch die Anschaffung des israelischen Raketenabwehrsystems versucht Deutschland, diese Dominanz zulasten Frankreichs herzustellen: Anstatt die EU ein eigenes System entwickeln zu lassen und die Kontrolle darüber mit Frankreich zu teilen, will Deutschland lieber andere NATO-Staaten unter den eigenen Schutzschirm nehmen. Zu diesem Zweck wurde im Jahr 2022 auf Wunsch Berlins die „European Sky Shield Initiative” (ESSI) ins Leben gerufen. Ziel von ESSI sei die „Stärkung des europäischen Pfeilers in der gemeinsamen Luftverteidigung der NATO“ – also nicht der EU.

    Für das Projekt konnte Deutschland inzwischen 21 europäische Partnerstaaten gewinnen, darunter die Gründungsmitglieder Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Rumänien, die Slowakei, Slowien, Tschechien, Ungarn und das Vereinigte Königreich. Dänemark, Schweden, Österreich, die Schweiz und die Türkei sind inzwischen ebenfalls beigetreten, dazu in diesem Jahr auch Griechenland und Polen. Frankreich ist bei ESSI jedoch außen vor.

    Das System Arrow 3 kostet etwa 4 Milliarden Euro, die aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen für die deutsche Aufrüstung finanziert werden. Für Israel ist es der größte Rüstungsdeal seiner Geschichte. Die USA mussten das Geschäft genehmigen, da beide Staaten das System zusammen entwickelt haben. Das System kann Mittelstreckenraketen in 100 Kilometern Höhe abfangen. Die ersten Teile von Arrow 3 sollen im Herbst 2025 einsatzbereit sein, die volle Funktionsfähigkeit ist bis 2030 geplant. Als Standort ist der Luftwaffenstützpunkt Holzdorf an der Landesgrenze zwischen Brandenburg und Sachsen-Anhalt vorgesehen.

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