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    Gewalt und Hass gegen LGBTI+ – Es ist Zeit für Widerstand!

    Gewalt und Hass gegen LGBTI+-Personen in Deutschland nehmen zu. Wer sind die Täter:innen und woher kommt die Gewalt? – Ein Kommentar von Alex Lehmann

    Das Leben für LGBTI+-Personen in Deutschland ist in den letzten Jahren noch gefährlicher geworden – was sich nicht zuletzt auch in den Kriminalstatistiken widerspiegelt. Registriert wurden 2023 etwa 1.500 Straftaten, die wegen der sexuellen Orientierung der Opfer verübt wurden, 500 Fälle mehr als im Vorjahr.

    Dazu kommen 854 Straftaten im Zusammenhang mit „geschlechtsbezogener Diversität“, also Gewalt und Anfeindungen gegen trans und intersexuelle Menschen. Im Vergleich zum Vorjahr sind das 437 Fälle mehr, ein Anstieg um rund 50 Prozent. Die Zahlen gehen aus der Statistik zu „Politisch motivierter Kriminalität” (PMK) hervor.

    „Queerfeindlichkeit ist in unserer Gesellschaft wieder salonfähig geworden“, sagt Andre Lehmann vom Bundesvorstand des „Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland” (LSVD) dazu. Außerdem geht er davon aus, dass die Dunkelziffer wesentlich höher sei. Millionen Menschen seien in Deutschland vom Hass gegen LGBTI+-Personen betroffen, aber nur die wenigsten würden das auch zur Anzeige bringen.

    Wer sich in Deutschland öffentlich als LGBTI+-Person zu erkennen gibt, muss damit rechnen, angefeindet zu werden. Und das nicht nur auf dem flachen Land oder in der Provinz, sondern auch und gerade in Großstädten wie Berlin. Das Projekt „Kollektiv gegen Gewalt“ dokumentiert Gewalt gegen LGBTI+-Personen auf Instagram. Der allergrößte Teil der Taten, die sie registrieren, wird in Großstädten begangen.

    Dabei sind Berlin, Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, Mainz oder Wiesbaden vorn mit dabei. Auch für LGBTI+-Personen vermeintlich „sicheren Szeneviertel wie Schöneberg, Prenzlauer Berg und Kreuzberg in Berlin oder St. Pauli in Hamburg werden dabei zu Tatorten. Wer also meint, dass Hass und Gewalt aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität Probleme der Vergangenheit sind, liegt leider falsch.

    Der Rechtsruck macht sich bemerkbar

    Die zunehmende Gewalt muss dabei im Zusammenhang mit dem Aufstieg der AfD und dem generellen Rechtsruck der Gesellschaft betrachtet werden: Menschen, die aus dem „klassischen“ Muster von Sexualität und Geschlecht ausbrechen, wareb schon immer ein besonderes Feindbild der rechten und faschistischen Bewegung. Deshalb überrascht es auch nicht, dass ein großer Teil der heutigen Gewalt von Rechten ausgeht.

    Hass und Gewalt gegen CSDs: Die Antwort ist Kampf!

    Exemplarisch dafür stehen organisierte Angriffe von Faschist:innen auf die alljährlichen Paraden und Demonstrationen zum „Christopher Street Day” (CSD), wie z.B. letztes Jahr in Berlin. Dort versuchten Jugendliche der faschistischen Kleinstpartei „III. Weg” Teilnehmer:innen des CSDs am Alexanderplatz abzufangen und anzugreifen.

    Jüngster Höhepunkt der Gewalt gegen LGBTI+-Personen in Deutschland war der Mord an Malte C. letztes Jahr. Der 25-Jährige schritt ein, als Teilnehmer:innen des CSDs in Münster von einer Gruppe Männer homophob beleidigt wurden. Daraufhin verletzten die Angreifer Malte so schwer, dass er am 2. September 2023 seinen Verletzungen erlag.

    Woher kommt die Gewalt?

    Wenn bürgerliche Politiker:innen oder Medien über trans- und homofeindliche Gewalt sprechen, verurteilen sie oft den Hass oder die Intoleranz der Täter:innen – reaktionäre Kräfte schieben die Schuld darüber hinaus auf “kriminelle Ausländer”. Dabei handelt es sich bei den Angreifern zu einem überwiegenden Großteil um Faschist:innen. Gedanken über den tatsächlichen Ursprung der Gewalt scheinen sie sich aber alle nicht zu machen.

    Denn dieser liegt in der grundsätzlichen Funktion, die Familie und Sexualität in unserer kapitalistischen und patriarchalen Gesellschaft spielen: Das vorherrschende Familienbild, oft auch bürgerliche Kleinfamilie genannt, besteht aus Mann, Frau und Kind – ein Bild, in dem LGBTI+-Personen keinen Platz haben. Und nicht nur das: Allein die Existenz von Personen, die nicht eindeutig Mann oder Frau sind, stellt dieses Konzept infrage.

    Gegen Trans- und Homophobie hilft uns nicht die Bourgeoisie!

    Die Lösung dieses Problems sollte nun aber nicht sein, einen Platz für LGBTI+ Personen innerhalb dieses Systems zu finden: Die vorgebliche Diversität der Regierungsparteien – mittlerweile gibt es ja sogar einen „Queerbeauftragten“ – sollte uns nicht davon ablenken, dass unsere Unterdrückung ihren Ursprung in den Grundfesten des herrschenden Systems hat und durchaus abgeschafft werden könnte, wenn dieses System ein sozialistisches wäre.

    Aus diesem Grund können wir uns auch nicht auf SPD, FDP, die Grünen oder sogar die Polizei verlassen, wenn wir gegen diese Gewalt ankämpfen wollen. Wenn – wie derzeit – trans- und homofeindliche Aggression deutlich zunimmt, muss das ein Anlass sein, an die kämpferischen Ursprünge der LGBTI+-Bewegung anzuknüpfen, wie beispielsweise an dem sich bald jährenden „Stonewall-Aufstand”.

    Das kämpferische Erbe von Stonewall verteidigen!

    Den Staat, der uns seit Jahrzehnten unterdrückt und quasi unsichtbar macht, können wir nicht um mehr Diversität und Toleranz anflehen. Stattdessen müssen wir als LGBTI+-Arbeiter:innen darum kämpfen, die künstliche Spaltung innerhalb unserer Klasse zu überwinden, und selbst in die Lage kommen, uns vor rechter Gewalt zu schützen.

    • Perspektive Autor seit 2023. Jugendlicher Arbeiter im Einzelhandel aus Norddeutschland, schreibt gerne Artikel um den deutschen Imperialismus und seine Lügen zu enttarnen. Motto: "Wir sind die Jugend des Hochverrats!"

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