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    Prozess wegen Hörsaalbesetzung: Wie die Antikriegsbewegung an Berliner Unis kriminalisiert wird

    Weltweit haben Studierende ihre Universitäten besetzt, um gegen den Genozid in Gaza zu protestieren. In Berlin kommt nun eine Welle an Gerichtsverfahren auf die Studierenden zu. Doch die Betroffenen kündigen an, vereint gegen die Repressionen zu stehen und sich nicht von ihren Zielen ablenken zu lassen. – Ein Kommentar von

    Seit Oktober 2023 gibt es massive Proteste gegen den Genozid in Palästina und die deutsche Beteiligung daran. Diese Antikriegsbewegung hat auch vor den Toren der Universitäten keinen Halt gemacht. Studierende, die im Dezember 2023 einen Hörsaal an der „Freien“ Universität Berlin (FU) besetzt haben sollen, werden nun durch die deutsche Justiz verfolgt.

    Am Montag fand der erste Prozess wegen Hausfriedensbruch am Amtsgericht Tiergarten statt. Die Kampagne Hands off Student Rights und Palestine at the Forefront organisierten eine Kundgebung und riefen zur solidarischen Begleitung des Prozesses auf. Laut angaben der Veranstalter:innen beteiligten sich 100 Teilnehmer:innen an der Kundgebung.

    Einstellung des Verfahrens

    Ein Großteil der Öffentlichkeit wurde durch ungewöhlich langsame Einlasskontrollen davon abgehalten, den Prozess zu begleiten. Die Angeklagte verlass vor Gericht eine Erklärung, in der sie darlegte, dass sie mit ihrem Protest auf den Genozid in Gaza und vor allem die Mitschuld Deutschlands aufmerksam machen wollte. Außerdem prangerte sie die Zusammenarbeit der Freien Universität mit den Repressionsbehörden gegen ihre eigenen Student:innen an.

    Die Richterin stellte das Verfahren sodann ein. Der Verteidiger machte deutlich, dass die Angeklagte die Universität als öffentliches Forum nutzte und ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnahm. Darauf ging die Richterin jedoch nicht ein und begründete die Einstellung damit, dass die Angeklagte jung sei, bei den Eltern wohne, sich in der Ausbildung befinde und keine Vorstrafen habe. Die Entscheidung gibt daher kein klares Zeichen für alle, die Universitäten als Raum für politische Veränderung und Protest nutzen.

    Hörsaalbesetzung an der „Freien“ Universität Berlin

    Weil die FU seit Oktober 2023 ihre einseitige Solidarität mit Israel bekundete, besetzten im Dezember Studierende einen nicht belegten Hörsaal. Sie organisierten Voträge und Austausch über Gaza und den Genozid.

    Die Studierenden stellten konkrete Forderungen an die Uni-Leitung. Sie solle offiziell zum Waffenstillstand aufrufen, einen wissenschaftlichen Diskurs über den Krieg in Palästina/Israel ermöglichen und die IHRA-Definition von Antisemitismus ablehnen, da sie Kritik am Staat Israel als antisemitisch definiert. Vor Gericht wiederholte die Angeklagte diese Forderungen und zeigte, dass sie weiterhin hinter der Besetzung des Hörsaals steht.

    „Viva, Viva, Palästina!“- Hörsaalbesetzung an der Freien Universität Berlin

    Die Uni-Leitung ging auf keine der Forderungen ein und ließ die Besetzung am selben Tag durch über 100 Polizist:innen brutal räumen. Nun verfolgt sie die Beteiligten mithilfe der Strafjustiz.

    Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit

    Auch im Mai 2024 ließ die Leitung der FU eine erneute Besetzung auf dem Campus durch die Polizei räumen. In einem öffentlichen Brief prangerten Lehrende an, dass die FU-Leitung ihre Studierende massiver Polizeigewalt aussetzte und das Recht auf friedlichen Protest in der Universität eingeschränkte. Die Bild veröffentlichte daraufhin einen verleumderischen Artikel, in dem sie die Demonstrierenden als „Universitäter“ bezeichnete, die Unterzeichner:innen des öffentlichen Briefes abbildete und als „Unterstützer für den Israelhasser-Mob“ diffamierte. Es folgte die Fördergeld-Affäre, bei der Bildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) prüfen ließ, ob den Unterzeichner*innen Fördermittel entzogen werden könnten.

    Bei der darauffolgenden Besetzung des Jabalia-+Instituts an der Humboldt Universität im Mai, ordnete der Berliner Senat die Räumung gar über die Köpfe der Uni-Leitung hinweg an.

    Diese Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit sind im Kontext der Wiedereinführung des Ordungsrechts an Berliner Universitäten zu sehen. Die neu  geschaffene Möglichkeit der Zwangsexmatrikulation ebnet den Weg für willkürliche Maßnahmen gegen politisch aktive Studierende. Zudem wird sie diejenigen besonders hart treffen, deren Aufenthalt oder Bafög Anspruch an der Immatriulation hängen.

    Vor diesem Hintergrund ist es umso besorgniserregender, dass die Leitung der FU nun die Verfolgung der eigenen Studierenden aktiv vorantreibt.

    Gemeinsam für die Befreiung Palästinas – Gemeinsam gegen die Repression

    Bei den kommenden Gerichtsprozessen gegen die Besetzer:innen mag es juristisch um Haus- oder Landfriedensbruch gehen. Jedoch handelt es sich um politische Prozesse. Diese zielen darauf ab, den politischen Willen zu brechen, die Bewegung zu spalten und zu zermürben.

    CDU und SPD planen drastischste Verschärfung des Berliner Hochschulgesetzes

    Karl Liebknecht schrieb schon vor über 100 Jahren zutreffend: „Der wirkliche Grund der Anklage ist klar. Dieser Grund ist nicht juristisch, und darum ist es so schwer, diese Anklage juristisch anzufassen. Sie ist kurzweg ein Akt der Staatsräson, nicht ein Akt der Justiz“

    Wichtig ist es daher, die Repression als Teil der generellen Kriminalisierung von Protesten gegen den Genozid in Gaza, gegen Militarierung und Krieg zu sehen. Deswegen sollte niemand alleine vor Gericht stehen. Sowohl im Kampf gegen Krieg, als auch bei der Repression des Staates gegen uns, stehen wir Schulter an Schulter.Hier kann für Repressionskosten gespendet werden.

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