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    Hartz IV: Rechtsanspruch auf einen Homeschooling-Computer

    Einer Schülerin aus Erfurt wurde durch das Landessozialgericht in Thüringen der Rechtsanspruch auf einen in Zeiten von Homeschooling notwendigen PC zugesprochen. Im Vorfeld hatte die Mutter gegen das Jobcenter Klage erhoben. Die Entscheidung bleibt jedoch ein Einzelfall, der nicht das gesellschaftliche Problem von Hartz IV löst.

    2004 hatte die SPD unter Gerhard Schröder das neue System der Sozial- und Arbeitslosenhilfe, genannt Hartz IV, eingeführt. Seitdem müssen sich über vier Millionen Menschen mit der statistisch errechneten Hartz IV-Hilfe tagtäglich auseinandersetzen. Zwar hatte die Bundesregierung in diesem Jahr den Hartz IV-Satz um rund 15 Euro erhöht, dennoch fehlen den bedürftigen Menschen im Durchschnitt immer noch circa 200 Euro monatlich, da Mieten und andere Kosten oft nicht vollständig übernommen werden. Mit 446 Euro im Monat müssen die Menschen ihr Leben finanzieren. Das reicht im Idealfall für Essen und die wichtigsten Dinge des täglichen Bedarfs, aber nicht, um am sozialen Leben der Gesellschaft teilzunehmen.

    Homeschooling als Dauerbelastung für alle

    Seit Dezember sind in Thüringen und den meisten anderen Bundesländern die Schulen geschlossen. Seitdem müssen die Kinder und Eltern sich tagtäglich mit dem Homeschooling (Schüler:innen müssen zu Hause ihren schulischen Aufgaben nachkommen) auseinandersetzen. Das stellt ein riesiges Problem für das familiäre Zusammenleben dar. Alleinerziehende müssen teilweise Urlaubstage nehmen, um ihre Kinder zu betreuen. Migrant:innen können teilweise ihre Kinder beim Deutschunterricht nicht im vollen Umfang unterstützen oder Familien müssen ein ständiges Arbeit-Kinderbetreuung-Wechselprinzip anwenden. Hart trifft es auch Hartz IV-Empfänger:innen. Das von der Bundesregierung errechnete Tagesgeld reicht nicht annähernd aus, um sich einen Computer mit der dazugehörigen Peripherie (Tastatur, Maus, Drucker, Druckpatronen etc.) zu leisten.

    In dem jetzigen Fall aus Thüringen hat eine Mutter um Unterstützung beim Jobcenter gebeten. Ihr Ziel war es, ihrem Kind das durch das Grundgesetz gegebene „Recht auf Bildung“ zu ermöglichen. Das Jobcenter lehnte diesen Antrag ab. Ein weiterer Antrag beim Sozialgericht Nordhausen wurde ebenfalls abgelehnt. Erst die folgende Instanz, das thüringische Landessozialgericht, gab der Klage der Antragstellerin statt (Aktenzeichen: L 9 AS 862/20 B ER). Das Urteil ist unanfechtbar.

    Minimale Unterstützung

    Die Achtklässlerin erhält nun Unterstützung im Wert von 500 Euro. Das Jobcenter muss hierfür ein internetfähiges Gerät mit Peripherie bereitstellen. Somit kann die Schülerin auf die Schul-Cloud zugreifen, was sie zuvor mit einem im Haushalt befindlichen Smartphone erledigen musste. Die stattgegeben 500 Euro entsprechen nur der Befriedigung einfacher und grundlegender Bedürfnisse.

    Das Beispiel zeigt, wie die Bundesrepublik den sozial Schwächsten dieser Gesellschaft weiterhin kaum Aufstiegschancen ermöglicht. Erst nach drei Antragsstellungen bzw. der Klage wurde der Mutter Recht gegeben. Eine Farce, die zeigt, wie sehr Hartz IV nicht nur die Betroffen wirtschaftlich, sondern auch psychisch enorm unter Stress setzt. Mit der jetzigen Klage und dem dazugehörigen Aktenzeichen könnten weitere Schüler:innen auf Erfolg hoffen und sich gegen die staatlich verordnete Benachteiligung per Gesetz zur Wehr zu setzen. Dies gilt jetzt besonders, da die Schließung der Schulen durch die Entscheidung der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsident:innen erneut verlängert wurde.

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