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      Porsche-Gate: Der Staat verschleiert die Einflussnahme der Konzerne

      Im Juni tauschten sich Porsche-Chef Blume und Finanzminister Christian Lindner via SMS über anstehende Koalitionsverhandlungen der Regierung aus. Nun wurde ein Auskunftsantrag von Finanzministerium und Verkehrsministerium abgelehnt. Warum es eben keine Kontrolle über die Absprachen zwischen Unternehmen und Politiker:innen gibt und weshalb es strukturelle Lösungen auf strukturelle Probleme braucht! – Ein Kommentar von Julius Kaltensee.

      „Ich kann da durchaus argumentative Unterstützung gebrauchen“, schrieb Finanzminister Lindner (FDP) am 28. Juni dem Vorstandsvorsitzenden von Porsche, Oliver Blume. Dabei ging es um “Argumentationshilfe” im Diskurs mit der Umweltministerin Steffi Lemke, die sich gegen sogenannte „E-Fuels“, also synthetische Kraftstoffe, ausgesprochen hatte.

      Blume prahlte dann einen Tag später in einer Betriebsversammlung, dass Lindner ihn bei diesem Streit und zusätzlich bei den Koalitionsverhandlungen ständig auf dem Laufenden gehalten habe. Diese Aussage wurde von den Medien aufgefasst und es entstand das sogenannte „Porsche-Gate“, bei dem den beiden Akteuren Absprachen zu Gunsten des Unternehmens vorgeworfen wird.

      Offenlegung von Finanzministerium abgelehnt

      Das Bundesfinanzministerium (BMF) bestreitet nicht einmal, dass es den Austausch zwischen dem Finanzminister und dem Porsche-Chef gegeben hat. Insgesamt 15 SMS und zwei Telefonate soll es laut dem Ministerium zwischen den Monaten Juni und Juli 2022 gegeben haben. Dies ergibt eine 8-seitige Antwort des BMF (Bundesfinanzministerium) auf einen Auskunftsantrag von „abgeordnetenwatch.de“, eine Internetplattform, die Nebentätigkeiten sowie das Abstimmungsverhalten von Abgeordneten in deutschen Parlamenten dokumentiert.

      Die Internetplattform bezieht sich bei ihrer Anfrage auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), wonach Behörden amtliche Aufzeichnungen auf Antrag offenlegen müssen. Das BMF bestreitet nun allerdings einfach, dass die Kommunikation zwischen Lindner und Blume unter dieses Gesetz falle und behält die Unterlagen unter Verschluss.

      Geburtstagswünsche und öffentlicher Diskurs

      Stattdessen fasst das BMF die Inhalte der Gespräche unter drei Gruppen zusammen: Geburtstagsgratulationen, Beteiligung am öffentlichen Diskurs zum Thema E-Fuels und Presseberichterstattung im Kontext der Koalitionsverhandlungen 2021.

      Zur zweiten Gruppe gehört auch das oben genannte Zitat und wird vom BMF als „keine entscheidungserhebliche Information“ betrachtet. Man sehe sie daher nicht als aktenrelevant.

      In weiteren SMS im Juli hätten sich beide, laut BMF, nur über die Folgen der Medienberichte über das „Porsche-Gate“ ausgetauscht. Es soll hierbei wohl vor allem um eine Leugnung des Vorwurfs der Absprache gegangen sein. Ansonsten habe es nur Kontakt wegen Gratulationen zu Geburtstagen gegeben, was eine gute Beziehung und damit regeren Kontakt zwischen beiden beweist und damit schon bezeichnend ist.

      Porsche-Gate – Ganz normale Korruption

      Verkehrsministerium will Lobbyist:innen schützen

      Abgeordnetenwatch.de stellte auch an das Bundesverkehrsministerium (BMDV) unter Volker Wissing (FDP) einen Auskunftsantrag, inwiefern es Kontakte zwischen Porsche und dem Ministerium gegeben habe. Das BMDV, das für die Anliegen der Autokonzerne besonders empfänglich ist, verweigert aber ebenfalls die Offenlegung der Unterlagen über eine  Kommunikation und begründet dies mit dem Schutz von Lobbyist:innen. Man gebe die Kalendereinträge und diverse andere Dokumente nicht heraus, da sie dem „Schutzbereich des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung“  unterlägen.

      Transparenz über die Aktivitäten der Lobbyist:innen würden den vvorgeblich geschützten Willensbildungsprozess der Regierung gefährden. Damit gibt es also – entgegen der herrschenden Vorstellung von demokratischer Kontrolle – keine offizielle Möglichkeit, Informationen über die Lobbykontakte der Regierung zu erfahren.

      Verstrickung ist strukturell

      BMF und BMDV schützen damit offensichtlich ihre Minister und offenbaren, dass die Möglichkeit der Auskunft über die Absprachen zwischen Politiker:innen und Konzernen eben keineswegs der öffentlichen Kontrolle unterliegt. Auch wenn es zu begrüßen ist, dass einzelne Absprachen zwischen Unternehmen und Politiker:innen offengelegt wurden, bleiben diese Berichte nur die Spitze eines riesigen Eisberges der gegenseitigen kontinuierlichen Zuarbeit.

      Angebliche Kontrollgesetze, wie das IFG, dienen dem Staat nur als Feigenblatt, um eine faktisch nicht vorhandene Transparenz und Demokratie zu suggerieren. Das „Porsche-Gate“ zeigt damit exemplarisch, wie ernst man es damit nimmt: Es ist ein Leichtes für die Ministerien, sich mit fadenscheinigen Gründen von halbgaren Kontrollgesetzen zu befreien und die Zusammenarbeit damit zu verschleiern.

      Während die Politik günstige Gesetze für Konzerne beschließt und mit Subventionen deren Gewinne sichert, werden die Politiker:innen zum Dank mit gut dotierten Stellen in beispielsweise Aufsichtsräten belohnt. Dieser sogenannte „Drehtüreffekt“, der den schnellen Übergang von der Politik in die lukrative Wirtschaft meint, lässt sich bei Politiker:innen jeglicher Partei beobachten.

      Diese Verstrickungen sind also nicht allein dem korrupten Verhalten einzelner Politiker:innen geschuldet, sondern sind in diesem System strukturell verankert. Genauso strukturell muss auch die Lösung dieses Problems sein: Es reicht eben nicht aus, einzelne Akteur:innen auszutauschen oder deren Rücktritt zu fordern, es sind die Strukturen des kapitalistischen Systems,  die den Konzernen systematisch die Einflussnahme auf die Politik ermöglichen.

      Manager Oliver Blume zumindest hat das „Porsche-Gate“ überhaupt nicht geschadet. Im Gegenteil: Er stieg im September diesen Jahres zum Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG auf und wird damit zum Chef über eines der mächtigsten Monopolunternehmen der Welt befördert.

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