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    Nach Vergewaltigungsvorwürfen: Luke Mockridge entschuldigt sich für „spätpubertäres“ und „uncooles“ Verhalten

    Der Comedian Luke Mockridge wurde 2021 öffentlich mit Vergewaltigungsvorwürfen konfrontiert. Nach einem Rückzug aus der Öffentlichkeit tourt er nun wieder durch Deutschland und äußert sich in einem Interview. Was bleibt sind Vorwürfe zahlreicher Frauen über übergriffiges Verhalten. – Ein Kommentar von Anna Müller.

    Anfang April 2024 hat sich eines der bekanntesten Gesichter der deutschen Comedy-Szene wieder in einem Interview im Stern zu Wort gemeldet: Luke Mockridge. Viele kennen diesen Namen entweder durch seine Shows und Clips im Internetoder wegen der Vorwürfe, die seine Ex-Partnerin Ines Anioli erstmals 2019 gegen ihn erhob. Laut einer Recherche des SPIEGEL warf Anioli ihm sexuelle Belästigung, Körperverletzung sogar Vergewaltigung vor.

    Auch eine andere Ex-Partnerin berichtete von ähnlichen Erfahrungen und versicherte dies gegenüber dem SPIEGEL eidesstattlich. Unter anderem soll der Comedian durch das Kitzeln seiner damaligen Partnerin versucht haben, grenzüberschreitendes Verhalten zu überspielen. Insgesamt konnten die SPIEGEL-Autorinnen mit mehr als zehn Frauen sprechen, die von Übergriffen durch Mockridge berichtet haben. Mehrere Menschen aus der Medienbranche wie die Moderatorin Carolin Kebekus berichten zudem von Gesprächen zwischen Mockridge seinem Management und anderen deutschen Prominenten, die Anioli als eifersüchtige Ex darstellen, die seine Karriere zerstören wolle.

    Mockridge beteuerte 2021 im Fall Anioli – nachdem der Fall ins Licht der Öffentlichkeit gerückt war – seine Unschuld und veröffentlichte ein Statement in sozialen Medien. Er wies darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen ihn wegen mangelnder Beweise eingestellt habe. Zudem ging er mit einem Medienanwalt gegen die Berichterstattung vor und konnte kleine Änderungen durchsetzen. Danach zog er sich für einige Monate aus der Öffentlichkeit zurück.

    Mockridges Weg zurück in die Öffentlichkeit

    Im Jahr 2022 kam er dann mit seiner deutschlandweiten Show „A Way Back to Luckyland“ zurück auf die Bühne. Die Shows in verschiedenen Städten wurden regelmäßig von Protesten unter dem Motto „Keine Show für Täter“ begleitet. Dort waren Schilder mit Statements von Betroffenen, aber auch Zahlen und Fakten über patriarchale Gewalt in Deutschland zu sehen.

    Im April 2024 veröffentlichte der Stern nun ein Interview mit Mockridge. Darin berichtet er, aufgrund von Suizidgedanken für drei Wochen in die Psychiatrie eingewiesen worden zu sein, da ihn die Vorwürfe stark belastet hätten. Die Vergewaltigungsvorwürfe streitet er weiterhin ab.

    In dem Interview spricht er über sein „sehr aufreißerisches Nachtleben“ und sein damaliges Fehlverhalten. „Ich hatte eine fast sportliche Motivation, Frauen aufzureißen“, erklärt er und versucht damit, sein „spätpubertäres“ und „uncoolesVerhalten zu begründen. Weiter führt er aus:Mein Partyverhalten mag man kritisieren und als menschliches Fehlverhalten einstufen. Das andere ist eine Tat, die ich nicht begangen habe. Für mein Fehlverhalten kann ich Verantwortung übernehmen und sagen: Ich war ein Arschloch, und das tut mir leid.“

    Was genau sein vermeintliches Fehlverhalten gewesen sein soll und ob es sich dabei um die Vorwürfe sexueller Belästigung handelt, die mehrere Frauen und andere Menschen aus dem beruflichen Umfeld des Comedians erhoben hatten, führt er nicht aus. Auch auf die Vorwürfe, durch „Kommunikationsaktivitäten“ Anioli aus der Branche fernzuhalten, geht er nicht ein.

    Kein Einzelfall

    Frauen, die nur nach Aufmerksamkeit und Ruhm streben würden und deswegen versuchen Karrieren zu zerstören, davon hört man häufiger in Fällen wie diesem. Auch hier in Deutschland gab es immer wieder berühmte Männer die versuchten, so Vergewaltigungsvorwürfe von sich weisen. Zudem wird eine Einstellung eines Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft gleichgestellt mit einem gerichtlichen und auch moralischen Freispruch. Überhaupt wird von Anfang an dem Mann geglaubt, es “gilt schließlich die Unschuldsvermutung”.

    All die Männer wie Luke Mockridge, der Sänger Till Lindemann oder der Rapper Samra sind nicht rechtskräftig verurteilt worden. Doch ein großer Teil der Öffentlichkeit scheint der Staatsanwaltschaft nicht zuzustimmen. Egal, ob Lindemanns Gedichte über Vergewaltigungsfantasien, Samras frauenverachtende Raptexte oder Mockridges Aussagen im Stern-Interview, die eine große Frauenfeindlichkeit zeigen: Nicht nur die Vorwürfe zahlreicher Frauen, sondern auch die geäußerte Frauenverachtung, geben ein anderes Bild.

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    Solidarität statt angeblicher Gleichheit

    Es ist notwendig aufzuzeigen, dass das Justizsystem nicht für Gerechtigkeit sorgen wird, wenn Frauen versuchen, sich gegen patriarchale Gewalt zu wehren. Nicht zufällig ist die Verurteilungsrate bei Vergewaltigung im Vergleich zu anderen Straftaten extrem niedrig: Insgesamt werden nur 5-15 Prozent der Vergewaltigungen angezeigt – und nur bei 8 Prozent von diesem Anteil kommt es zu einer Verurteilung.

    Denn wenn eine Frau sagt, dass sie Opfer von patriarchaler Gewalt – egal ob von emotionaler, physischer oder sexualisierter Gewalt – wurde, dann sind Mann und Frau nicht mehr gleich. Besonders bei reichen Promis, die eine Menge solidarischer Fans hinter sich stehen haben und sich die besten Anwält:innen leisten können. Denn es ist für Frauen einerseits eine große emotionale und oft retraumatisierende Belastung und andererseits ein finanzielles Risiko all das auf sich zu nehmen.

    Diese Ungleichheiten beschränken sich jedoch nicht nur auf das Justizsystem. Es ist ein patriarchales System, das auch alle anderen Bereiche des Lebens durchzieht. Besonders stark zeigt sich das in der Familie, wo Frauen einen Großteil der unbezahlten Reproduktionsarbeit erledigen und sich in einer starken ökonomischen Abhängigkeit befinden.

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    2017 wurde durch die #MeToo-Bewegung aufgezeigt, dass der Umgang mit Vorwürfen patriarchaler Gewalt anders verlaufen kann und die Solidarität unter Frauen andere Frauen bestärken kann, mit ihren Vorwürfen an die Öffentlichkeit zu kommen. Auch Bündnisse wie „Keine Show für Täter“, die die Aktionen gegen Luke Mockridge organisiert haben, zeigen, dass es notwendig und möglich ist, die Täter-Opfer-Umkehr zu bekämpfen. Letztendlich muss der Kampf aber alle Bereiche des Lebens vom Patriarchat befreien, um es Frauen möglich zu machen, sich konsequent gegen patriarchale Gewalt zu wehren.

    • Autorin bei Perspektive seit 2024. Schülerin aus Oberfranken, interessiert sich für Klassenkämpfe weltweit und die Frauenrevolution. Denn wie Alexandra Kollontai damals schon erkannte: Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau – ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus!

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