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    Neue Strafverschärfungen bei Gewalt gegen Einsatzkräfte

    Die Bundesregierung hat erneut Änderungen am Strafgesetzbuch beschlossen, die Gewalt gegen Einsatzkräfte härter sanktionieren sollen. Der Staat nutzt die aktuelle Stimmung, um seine Repressionsbehörden in ihrem Verhalten zu stützen und mehr abzuschrecken. – Ein Kommentar von Janosch Weiß

    Am Mittwoch hat die Bundesregierung eine weitere Verschärfung des Stafrechts beschlossen. Betroffen sind insbesondere §113 StGB und §114 StGB, die den sogenannten Widerstand sowie tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte sanktionieren. Die Gesetze erfahren folgende Änderungen:

    Der geschützte Personenkreis wird erweitert auf Kommunalpolitiker:innen, die bis jetzt – im Gegensatz zu Bundes- oder Landespolitiker:innen – vom Strafgesetzbuch in dieser Hinsicht nicht anders als Bürger:innen ohne Hoheitsamt behandelt wurden. Außerdem sollen Personen, die Einsatzkräfte in einen Hinterhalt locken, durch die Änderung regelmäßig mit einer Höchststrafe von fünf Jahren bestraft werden.

    Passendes politisches Klima für Strafschärfungen

    Der Bundesregierung kommen dabei die aktuellen politischen Entwicklungen zur rechten Zeit, um die Strafschärfungen ohne Gegenwind beschließen zu können. Schon kurz nach dem fundamentalistischen Attentat auf die reaktionäre Bürgerbewegung Pax Europa in Mannheim, bei der ein Polizist zu Tode kam, forderte Justizminister Marco Buschmann (FDP) höhere Strafen, um Polizist:innen besser zu schützen. Im Rahmen der Pressemitteilung über die Gesetzesänderung nahm Innenministerin Nancy Faeser (SPD) auch Bezug auf Silvester 2022/2023 als Begründung für die Strafverschärfungen.

    Messerangriff in Mannheim: Spiegelfechterei der Reaktionären

    Erwiesenermaßen haben Kriminalstrafen allerdings nur eingeschränkten präventiven Effekt. Diese Tatsache dürfte auch den Politiker:innen bekannt sein – verfolgt werden neben der Prävention wahrscheinlich ganz andere Ziele.

    Atmosphäre der Abschreckung

    Eher sollen die Gesetzesänderungen vermutlich die Aktivität der fortschrittlichen Teile der Arbeiter:innenklasse behindern und diese abschrecken, weiter oder überhaupt politisch aktiv zu werden. Dies zeigt schon eine genauere Betrachtung der betroffenen Straftatbestände: Vor allem der sogenannte „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte” lässt bereits jegliche – noch so geringe, reflexartige – physische Reaktion gegen eine polizeiliche Maßnahme ausreichen. Darunter fällt beispielsweise schon das kurzzeitige Anspannen der Arme, welches das Anlegen von Handschellen verhindert.

    Doch dabei bleibt es nicht: Mit dem gleichen Straftatbestand reagiert die Polizei außerdem auch gerne, um nach der eigenen Gewaltanwendung die Betroffenen noch durch die Mühlen der Klassenjustiz zu jagen: Erst diese Woche kam der sogenannte „Rondenbarg-Prozess” zu seinem Ende: Eine Verurteilung von bis zu 90 Tagessätzen Geldstrafe allein für die Teilnahme an einer Demonstration – ohne eine einzige nachgewiesene Straftat! Beispielhaft steht der Prozess für die erbarmungslose Anwendung der staatlichen Klassenjustiz, um politisch Engagierte oder Aktive abzuschrecken und sie dazu zu bringen, ihren Kampf gegen das gegenwärtige System aufzugeben.

    Rondenbarg-Prozess: Verurteilung ohne individuell begangene Straftat

    Daneben führen die höheren Strafen noch zu einem anderen Effekt: Je wichtiger und „richtiger” eine staatliche Aufgabe, desto mehr – hier also höher – wird sie durch das Strafgesetzbuch bestraft, oder? Unter dieser falschen Annahme werden sich Polizist:innen erst Recht dazu berechtigt und aufgerufen fühlen, auf politischen Aktionen durchzugreifen. Erfolgt eine Verteidigung durch die Angegriffenen, können diese jetzt schlicht schärfer verurteilt werden.

    Es wird in der kommenden Zeit nicht das letzte Mal gewesen sein, dass der Staat seine Aggressionen im Innern erhöht. Dies trifft besonders häufig seine politischen Gegner: Die Arbeiter:innenklasse. Unsere Aufgabe muss es deshalb bleiben, diese Verschärfungen des politischen Klimas unermüdlich aufzuzeigen und zu bekämpfen.

    • Autor bei Perspektive seit 2022. Jurist. Beschäftigt sich mit (Un-)Recht im deutschen Staat und deutscher Wirtschaft. Schreibt aus dem Rhein-Main-Gebiet.

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