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      Bahn, ÖPNV, Lufthansa: Die Streiks gehen weiter

      Die GdL hat angekündigt, erneut zu streiken. Gleichzeitig organisieren auch andere Gewerkschaften Arbeitsniederlegungen. In der Konzernpresse wird deshalb einmal mehr gefordert, das Streikrecht in Deutschland noch weiter einzuschränken. – Ein Kommentar von Julius Strupp

      Das Medienecho war groß, als Claus Weselsky am Montagvormittag vor die Kameras und Mikrofone der Journalist:innen trat. Nach dem Ende der Friedenszeit im Arbeitskampf bei der Deutschen Bahn kündigte der Vorsitzende der GdL weitere Arbeitskämpfe an. Die Verhandlungen seien gescheitert.

      „Dass dieser Bahnvorstand unbelehrbar ist, muss nun jeder mitbekommen haben“, so Weselsky. Die Deutsche Bahn sei nämlich nicht bereit, soweit auf die Forderungen der GDL einzugehen, wie es bereits andere Bahn-Unternehmen für ungefähr 15.000 Beschäftigte getan hätten. „Das, was bei anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen geht, muss auch bei der Deutschen Bahn AG gehen“, so der Gewerkschaftsvorsitzende.

      Und tatsächlich sind die Forderungen, welche die GdL aufgestellt hat, für einen global agierenden Konzern – der außerdem Milliarden an Steuersubventionen bekommt – alles andere als unerfüllbar: So fordert man 555 Euro mehr Lohn, 3.000 Euro Inflationsausgleichsprämie für Voll- und Teilzeitarbeiter:innen, 1.500 Euro für Azubis sowie eine Anhebung der Auszubildenden-Vergütung um mindestens 324 Euro – alles bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Man darf sogar getrost in Frage stellen, ob die steigenden Preise dadurch tatsächlich abgefangen werden.

      GdL-Streiks gehen in eine neue Runde – und die Hetze auch

      Kernelement der Tarifauseinandersetzung ist jedoch die Absenkung der Arbeitszeit für Schichtarbeiter:innen auf 35 Stunden in maximal fünf Schichten pro Woche. Sie soll nach Vorstellung der GdL in mehreren Schritten bis 2028 erfolgen – die Bahn zeigt sich hier offenbar aber am wenigsten kompromissbereit. Deshalb kündigte die GdL erneut einen Streik für Donnerstag und Freitag (im Güterverkehr bereits ab Mittwochabend) an – über 35 Stunden. Ab da wolle man seine Streiks nicht mehr 48 Stunden im Voraus ankündigen, um die Deutsche Bahn weiter unter Druck zu setzen. Diese sei jetzt „kein zuverlässiges Verkehrsmittel“ mehr.

      Nicht nur die GdL streikt

      Auch in anderen Branchen wird derzeit gestreikt. So organisierte ver.di in der vergangenen Woche in ganz Deutschland Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr. Diese gehen auch in dieser Woche weiter. So befindet sich etwa die KVB in Köln am Dienstag und Mittwoch in einem 48-Stunden-Streik. Anders als in Köln tritt man in anderen Großstädten wie Berlin nicht in der zweiten Woche in Folge in den Streik.

      Aber auch anderswo werden Arbeitsniederlegungen organisiert. So ist das Bodenpersonal der Lufthansa von Donnerstag bis Samstagmorgen erneut zum Streik aufgerufen – also fast genau zeitgleich zum Bahnstreik: „Es ist niemandem vermittelbar, dass dieser Konzern diese Woche ein Rekordjahresergebnis verkünden wird, die Boni für Vorstände ordentlich anhebt, und Beschäftigte am Boden mit Stundenlöhnen von teils 13 Euro nicht einmal mehr wissen, wie sie in den teuersten Städten Deutschlands über die Runden kommen sollen“, begründet Marvin Reschinsky, der Verhandlungsführer der ver.di.

      In der Tarifrunde hatte es bereits zwei eintägige Warnstreiks gegeben. In der vergangenen Woche wurden außerdem Technik und Frachtabfertigung der Lufthansa bestreikt.

      Die Konzernpresse tobt

      „Wie immer sind wir die Schuldigen, aber das tragen wir mit Fassung“, so hatte es Weselsky bei der Pressekonferenz der GdL am Montag formuliert und damit natürlich Recht behalten. Bereits im Januar hatten Politiker:innen der Regierungsparteien, Konzernvertreter:innen und ihre Schreiberlinge in der deutschen Presse mit wüsten Beschimpfungen von Weselsky versucht, weitere Einschränkungen des deutschen „Streikrechts“ zu rechtfertigen.

      Ohne Streik wird sich nichts verändern!

      Es ist auch dieses Mal nicht anders. Beispielhaft dafür steht ein am Montag im Handelsblatt veröffentlichter Kommentar unter der Überschrift „Bahn-Gewerkschafter Claus Weselsky fehlt jeder Anstand“. Darin heißt es, der „Gewerkschaftszwerg“ GdL würde die „Bürgerinnen und Bürger im Wochentakt am Nasenring durch die Manege führen“. Weselsky ramponiere mit seinem „Ego“ das Streikrecht, und Kanzler Olaf Scholz müsse ihm „Grenzen aufzeigen“. Deshalb müsse man darüber nachdenken, das Streikrecht in der „Daseinsvorsorge“ einzuschränken.

      Tatsächlich geht es aber in diesen Auseinandersetzungen nicht um Claus Weselsky oder die GdL. Denn Streiks im Bahnverkehr werden naturgemäß immer große Teile des Landes treffen. Es geht in dieser Diskussion um das Streikrecht überhaupt, das mit der Medienhetze gegen die GdL für alle eingeschränkt werden soll, insbesondere für kleinere Gewerkschaften, die – ob aus klassenkämpferischer Überzeugung oder Konkurrenzdruck – den deutschen Konzernen nicht aus der Hand fressen, wie es der DGB tut. Tatsächlich gilt die Sorge der Politiker:innen weniger den Pendler:innen, die nicht zur Arbeit kommen, sondern der Gefahr, dass sich in Deutschland eine tatsächliche, organisierte Streikbewegung gegen die Angriffe auf die Arbeiter:innen entwickelt.

      Die aktuellen Streiks sind dabei ein gutes Beispiel dafür, welche Macht wir „arbeitende Bevölkerung” eigentlich haben. Man stelle sich vor, in allen Betriebssparten der Lufthansa würde gleichzeitig gestreikt, oder die ÖPNV-Streiks wären nicht nur in ganz Deutschland sondern außerdem mit den Arbeitsniederlegungen der Lokführer:innen und anderer Branchen koordiniert: So ließen sich nicht nur auf die eigene Berufsgruppe begrenzte, sondern auch weitergehende gesellschaftliche und politische Forderungen durchsetzen.

      Es ist richtig, dass das Kapital und seine politischen Vertreter:innen und Journalist:innen Angst davor haben. Genauso bleibt es richtig, die Streiks zu unterstützen und sich dafür einzusetzen, dass wir dieses Kampfmittel noch wirkungsvoller einsetzen, um unsere Forderungen durchzusetzen.

      • Autor bei Perspektive seit 2019, Redakteur seit 2022. Studiert in Berlin und schreibt gegen den deutschen Militarismus. Eishockey-Fan und Hundeliebhaber. Motto: "Für alles Reaktionäre gilt, dass es nicht fällt, wenn man es nicht niederschlägt."

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