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    8 Femizide innerhalb von 3 Tagen: Andere Täter, dasselbe Motiv

    In Wien wurden an einem Tag fünf Femizide begangen, in Deutschland drei Tage später vier Morde mit patriarchalem Motiv. Diese Verbrechen sind keine Einzelfälle, sondern haben System. – Ein Kommentar von Julia Wolff

    Immer wieder werden unterschiedliche Fälle von besonders brutalen Femiziden und Morden aufgrund patriarchaler Motive bekannt. Ein Femizid (aus dem Lateinischen: Frauenmord) bezeichnet den Mord an einer Frau aufgrund ihres Geschlechts. Frauen werden ermordet, weil sie Frauen sind. Sie werden ermordet, weil ihre (Ex-)Partner, Brüder und Väter glauben, einen absoluten Besitzanspruch auf ihr Leben zu haben.

    Nur einige Beispiele aus den letzten Wochen: Am 23. Februar wurden in Österreich fünf Femizide an einem Tag verübt. In Wien wurden drei Frauen mutmaßlich von einem 27-hrigen Mann brutal ermordet. Die drei Leichen wurden in einem Bordell in Wien gefunden, der mutmaßliche Täter wurde mit der Waffe in der Hand nicht weit entfernt vom Tatort festgenommen. Am selben Tag erwürgte mutmaßlich ein österreichischer Buchhalter seine Ehefrau sowie seine dreizehnjährige Tochter. Der Tatverdächtige wurde später tot aufgefunden.

    In Niedersachsen soll ein Bundeswehrsoldat in der Nacht vom 29. Februar vier Menschen erschossen haben. Alle Opfer gehörten dem Umfeld seiner Ex-Partnerin an, die sich von ihm getrennt hatte. Unter den Opfern sind der 30-jährige Lebensgefährte der Ex-Partnerin, seine 55-jährige Mutter, eine 30 Jahre alte Freundin sowie deren 3-jährige Tochter. Der Soldat stellte sich anschließend der Polizei. Kurz vor der Tat hatte die Ex-Partnerin den mutmaßlichen Täter angezeigt, da er sie und ihren Partner bedroht habe. Die Polizei hielt daraufhin eine „Gefährderansprache” ab. Dass diese Präventionsmaßnahme nicht viel gegen die drohende Gewalt ausrichtete, ist offensichtlich.

    Femizide sind keine Einzelfälle

    In vielen Medien wird – wenn überhaupt über Femizide berichtet wird – von Familientragödien oder Beziehungstaten gesprochen. Als Grund für die Tat wird häufig die von der Frau gewünschte Trennung genannt. Doch nicht die Entscheidung einer Frau, ihr Leben selbstbestimmt zu leben, tötet, sondern das grausame Verbrechen des Täters. Bei Femiziden handelt es sich nicht um Einzelfälle, nicht nur um Tragödien innerhalb einer einzelnen Familie, sie sind Folge des gesellschaftlich herrschenden patriarchal-kapitalistischen Systems. Femizide sind dabei nur die Spitze patriarchaler Gewalt. Gewalt, die mit sexistischen Beleidigungen und Schubsen im Streit beginnt und im schlimmsten Fall tödlich endet. In Deutschland greift alle 45 Minuten ein Mann eine Frau an. Jeden Tag versucht ein Mann in Deutschland eine Frau umzubringen. Jeden dritten Tag gelingt das: ein Mann begeht einen Femizid. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sollen in Deutschland bereits 22 Femizide verübt worden sein. Die Dunkelziffer liegt vermutlich deutlich höher.

    In diese Serie patriarchal motivierter Morde reihen sich auch die vor kurzem begangenen Morde aus Österreich und Deutschland ein. Dass die Morde in Niedersachsen nach der Trennung der Frau stattfanden, ist nicht ungewöhnlich. Die gefährlichste Zeit für Frauen ist die Zeit, nachdem sie sich getrennt haben. Der Täter und seine Taten richteten sich gezielt gegen die ehemalige Partnerin, ihren neuen Partner, sowie ihr Umfeld. Die Taten wurden begangen, weil der Täter seine Ex-Partnerin als sein Eigentum betrachtete.

    Und auch die Fälle in Österreich zeugen von diesem Motiv, besonders der brutale Mord an den drei Frauen aus der Prostitution. Sie tragen ein besonders hohes Risiko Gewalt zu erleben. Viele Frauen aus dem Gewerbe hatten bereits schon vorher in ihrem Leben Gewalt erfahren. So sind Freier neben Beziehungspartnern die am zweithäufigsten genannte Tätergruppe, wenn es um körperliche und sexualisierte Gewalt geht. Frauen werden hierbei als Ware betrachtet, die dem Freier zur freien Verfügung steht. Hier spiegeln sich deutlich der Besitzanspruch und Frauenhass wieder.

    Dieses System hilft uns nicht: Wir müssen uns organisieren!

    Wir leben in Zeiten, in denen Krieg, Krise und Teuerungen vorherrschen – Bedingungen, die Gewalt an Frauen begünstigen. Frauen werden in die finanzielle Abhängigkeit gedrängt, und Gewaltsituationen verschärfen sich. Gleichzeitig sind Frauenhäuser und Unterstützungseinrichtungen massiv unterfinanziert. Die Kürzungen durch den Haushaltsplan der Bundesregierung werden diese Zustände zusätzlich verschärfen. Hinzu kommt, dass die Schutzmaßnahmen des Staats in keinster Weise ausreichen. Das können wir an dem Beispiel in Niedersachsen gut erkennen. Die Ex-Partnerin hatte sich bereits an die Polizei gewandt, und es wurde eine Präventionsmaßnahme ergriffen. Eine Maßnahme, die jedoch weder deeskalierend noch ausreichend war. Viel zu häufig erfahren Frauen Gewalt, können diese aber nicht beweisen und es wird ihnen nicht geglaubt. Viel zu häufig wenden sich Frauen an die Polizei, weil ihnen gedroht wird. Doch damit sie in irgendeiner Weise Schutz erfahren, muss erst etwas passiert sein, damit die Polizei eingreifen kann. Und selbst dann sind diese Schutzmaßnahmen in den meisten Fällen nicht ausreichend. Wir müssen also sehen, dass wir uns nicht auf diesen Staat verlassen können, wenn es um den Schutz vor patriarchaler Gewalt geht!

    Gewalt an Frauen hat die Funktion, die Unterdrückung der Frau und zugleich die Vormachtstellung des Mannes aufrecht zu erhalten. Frauen sollen durch diese Gewalt klein gehalten und davon abgebracht werden, Widerstand zu leisten. Damit wird letztlich das kapitalistisch-patriarchale System aufrecht erhalten. Das Hilfesystem in Deutschland betreibt also lediglich Symptombekämpfung, anstatt Gewalt an Frauen an der Wurzel zu packen.

    Doch wenn der Staat es nicht tut, dann müssen wir das eben tun! Um dieser Gewalt, um diesem System etwas entgegen zu setzen, braucht es also einen organisierten gemeinsamen Kampf aller werktätigen Frauen gegen ihre Ausbeutung und Unterdrückung. Nur so können wir uns befreien, nur so werden wir uns befreien.

    Dieser Text ist in der April-Ausgabe unserer Print-Zeitung erschienen. 

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