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    Über ein Jahr Bürgerkrieg: die Katastrophe im Sudan

    Seit über einem Jahr befindet sich der Sudan im Bürgerkrieg, zwei Putschisten kämpfen derzeit um die Macht. Das Leid trifft wie so oft die zivile Bevölkerung.

    In keinem Land der Welt sind aktuell so viele Menschen auf der Flucht wie im Sudan. Etwa 10 Millionen Binnenflüchtlinge gibt es in dem Land. Dazu kommen 2 Millionen weitere Menschen, die das Land bereits verlassen haben. Insgesamt ist sich also ein Viertel der 48 Millionen Einwohner:innen des Sudans auf der Flucht.

    Seit Jahren befindet sich das Land in einer sich immer weiter zuspitzenden humanitären Krise, deren Ausmaß sich durch den Beginn des Bürgerkriegs im April 2023 noch weiter verschärft hat. Etwa 18 Millionen Sudanes:innen, ein Drittel der Bevölkerung, leiden Hunger, darunter 3,6 Millionen Kinder.

    Hinzu kommen ständige Angriffe auf die Zivilbevölkerung, vor allem auf Flüchtlingslager und Wohngebiete. Auch Attacken auf Krankenhäuser, Vergewaltigungen und andere sexualisierte Gewalt sind weit verbreitet. Erst am Anfang der Woche musste das letzte funktionierende Krankenhaus in der Provinzhauptstadt der Provinz Nord-Dafur, Al-Shafir, nach einem Angriff der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) geschlossen werden.

    Wurzeln des Konflikts

    Dabei ist der seit April 2023 anhaltende Bürgerkrieg lange nicht der erste bewaffnete Konflikt, der den Sudan in den letzten Jahren erschüttert hat: Zwischen 1955 und 1972 erlebte das Land bereits seinen ersten Bürgerkrieg. Der Krieg endete mit der Gründung der autonomen Region Süd-Sudan.

    Zuvor waren Nord-Sudan und Süd-Sudan als zwei unterschiedliche Kolonien von Großbritannien besetzt. Der zweite sudanesische Bürgerkrieg endete 2005, nach 22 Jahren, mit der Unabhängigkeit des Süd-Sudan.

    Dazu kommen der Dafur-Krieg (2003-2020), der SPLM-N-Krieg (2011-2020) und der Militärputsch von Diktator Omar al-Bashir im Jahr 2013. Al-Bashir gilt als Begründer der Sudanesischen Streitkräfte (SAF), die eine reguläre Armee bilden und der paramilitärischen RSF-Miliz. Die SAF und die RSF sind die verfeindeten Hauptkräfte, die im aktuellen Bürgerkrieg um die Macht im Land ringen.

    Schon seit 2009 gibt es einen vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag ausgestellten Haftbefehl gegen al-Bashir. Neben zahlreichen weiteren Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wird dem damaligen Militärherrscher Völkermord vorgeworfen. 2019 konnte die Herrschaft al-Bashirs durch einen Volksaufstand und Anfänge einer demokratischen Revolution gestürzt werden. 2020 wurde er an den Internationalen Gerichtshof ausgeliefert. Die demokratische Revolution im Land allerdings scheiterte.

    Im November 2021 ergriff das Militär erneut die Macht. Mit vereinten Kräften putschten die SAF und die RSF gegen die entstehende Demokratie im Sudan und schlugen den Volksaufstand blutig nieder. Im April letzten Jahres brach schlussendlich der aktuelle laufende Bürgerkrieg aus. Die SAF beansprucht das alleinige Gewaltmonopol im Sudan für sich und fordert die Kapitulation und Auflösung der RSF-Miliz. Beide kämpfen nun seit über einem Jahr um die Macht im Land.

    Sudan: Heftige Kämpfe zwischen verfeindeten Militärs – Lage der Frauen und Arbeiter:innen katastrophal

    Wer kämpft im Sudan?

    Die Sudanesischen Streitkräfte (SAF) kämpfen unter General Abdel Fattah al-Burhan gemeinsam mit Fraktionen der gespaltenen Rebellengruppe „Sudans People’s Liberation Movement-North” (SPLM-N) und Teilen der Rebellenallianz „Sudanesische Befreiungsarmee“. Sie kontrollieren aktuell vor allem Städte und Gebiete im Osten des Landes und entlang der Küste. Unterstützt werden sie unter anderem durch den Iran, Niger, Saudi-Arabien, die Türkei und die Ukraine.

    Die Rapid Support Forces (RSF) hingegen stehen unter dem Kommando von Generalleutnant Mohammed Hamdan Daglo, der vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs als Stellvertreter al-Burhans galt. Sie kontrollieren dabei weite Teile der Region Dafur im Westen und Gebiete im Süden des Landes. Mittlerweile befinden sich auch die Hauptstadt Khartum und der internationale Flughafen von Khartum unter ihrer Kontrolle.

    Ausweitung des Bürgerkriegs im Sudan

    Unterstützt werden die RSF durch die Rebellengruppe „Tamazuj“, durch die Libysch-Nationale Armee (welche selbst im libyschen Bürgerkrieg kämpft), die Vereinigten Arabischen Emirate und die – spätestens seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs weltweit bekannte – russische „Söldnergruppe Wagner”.

    Daneben existierenden auch unparteiische Akteure, wie eine demokratisch-säkulare Fraktion der SPLM-N und die Sudanesische Kommunistische Partei. Zuletzt sollen sich in Al-Shafir auch Frauenselbstverteidigungseinheiten gebildet haben.

    Lage der Frauen im Sudan

    Eine begrüßenswerte Entwicklung, denn besonders die Lage der Frauen im Sudan ist katastrophal. Sowohl die SAF, als auch die RSF sind bekannt dafür, dass sie Frauen und Mädchen patriarchale Gewalt antun, so die sudanesische Frauenrechtsaktivistin Hala al-Karib.

    Besonders Vergewaltigungen, aber auch andere „sehr schwere sexuelle Verbrechen“ seien im Land weit verbreitet. Vor wenigen Jahren noch waren die Frauen des Sudan der politisch aktivste Teil des Landes. Ihnen wird es zugerechnet, den erfolgreichen demokratischen Volksaufstand gegen die Militärdiktatur maßgeblich organisiert und angeführt zu haben. Grade deshalb sind sie wohl eine große Gefahr für die Putschisten.

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