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    Grüne Bundestagsabgeordnete wechselt zur CDU – Was sind die Gründe?

    Die Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen verkündet überraschend ihren Parteiwechsel. Dass ausgerechnet eine migrantische Abgeordnete von den Grünen zur CDU wechselt, sorgt in bürgerlichen Medien für Verwirrung. Liegen die beiden kapitalistischen Parteien also doch näher beieinander als gedacht? – Ein Kommentar von Phillipp Nazarenko.

    Am Dienstag verkündete die dreißigjährige Grünen-Abgeordnete aus Mannheim Melis Sekmen ihren Parteiwechsel gegenüber dem SWR. Friedrich Merz (CDU) stellte öffentlich seine Freude darüber zur Schau, den vermeintlichen Widersachern eine junge, migrantische Frau abgeluchst zu haben, mit der sich die rechtskonservative Partei schmücken kann: „Mit ihrer Familiengeschichte und ihren Themen verbindet Frau Sekmen vieles, wofür auch die CDU steht. Wir machen Politik für die fleißigen Menschen in unserem Land“, so der CDU-Parteivorsitzende.

    Die Anspielung bezieht sich darauf, dass Sekmens Vater als Sohn von türkischen Gastarbeiter:innen in die BRD kam. Auf diese Weise gedenkt die CDU, einen Teil der migrantischen Arbeiter:innen auf ihre Seite zu ziehen. Melis Sekmen steht eben für diesen kleinen, aber durchaus realen Teil von Migrant:innen, der es „nach oben“ geschafft hat und nun ein Stückweit mitentscheiden darf. Dass dies nur auf einen Bruchteil der ausgebeuteten migrantischen Arbeiter:innenklasse zutrifft, spielt hierbei keine Rolle.

    Zusammen mit Kolleg:innen von der FDP arbeitet Sekmen im Bereich „Gründungen & Start-ups“, und setzt sich dort für klassische Forderung kapitalistischer Unternehmen ein. Trotz dieser inhaltlichen Nähe zwischen CDU und eigentlich allen Ampelparteien wird Sekmens Parteiwechsel als etwas Ungewöhnliches behandelt. Grüne und CDU, Regierung und Opposition werden zu Gegensätzen gemacht. Der Fall von Melis Sekmen (und ihrer persönlichen Politkarriere) zeigt erneut, dass dies ein Trugschluss ist.

    Ampel, CDU, Linke und AfD – eine Farbenpracht?

    Ja, die großen deutschen Parteien verfügen über teils unterschiedliche Positionen in verschiedenen Bereichen. Es existieren reale Widersprüche zwischen ihnen, und der Konkurrenzkampf sowohl um Posten als auch um Wählerstimmen und gesellschaftlichen Einfluss ist real. Was aber auch real ist, sind ihre Ähnlichkeiten.

    Ähnlichkeiten, die daher kommen, dass jede dieser Parteien Vertreterin ein und desselben Systems, des Kapitalismus ist. Sie alle unterliegen denselben politischen und ökonomischen Zwängen des Systems. Im Bereich Migrationspolitik lässt sich die Annäherung der verschiedenen Parteien beispielsweise gut nachzeichnen. So kam es schon unter der „Großen Koalition“ aus CDU/CSU und SPD 1992 zu einer weitreichenden Einschränkung des Rechts auf Asyl, dem sog. „Asylkompromiss“.

    Mit der sog. „Flüchtlingskrise“ 2015, also dem krisenhaften Umgang mit der großen Fluchtbewegung in Folge des syrischen Bürgerkrieges, wollten fast alle Parteien die Rechte von Geflüchteten und Migrant:innen weiter einschränken. Und heute ist die Ampelregierung gezwungen, sich mit den Zwängen der selbstgemachten Massenmigration auseinanderzusetzen, und stellt Forderungen und Losungen auf, die man bis dato eher im Lager der AfD vermutet hätte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gibt klar die Richtung an, es soll wieder „im großen Stil abgeschoben werden“.

    Entweder Abschieben oder Ausbeuten: Bundeskanzler Olaf Scholz stellt seine Asylpolitik vor

    Unterm Strich stehen immer schwarze Zahlen

    Zentrale bürgerliche Politiken ziehen sich also über mehrere Legislaturperioden, egal welches bürgerliche Lager gerade an der Macht ist. Selbst wenn Grüne und CDU teilweise die Interessen verschiedener Kapitalist:innen vertreten und dementsprechend verschiedene Strategien zum Erhalt dieses Ausbeutungssystems verfolgen, ist ihr grundlegendes Interesse dasselbe: die Profitmaximierung. Je nachdem, wo mehr zu holen ist, machen sie ihre Politik.

    Für uns als Arbeiter:innen kann das nur heißen, dass wir uns keine Illusionen über die bürgerlichen Parteien und ihre angeblichen Unterschiede machen dürfen. Auch nicht über das „kleinere Übel“. Denn wie wir am Beispiel Melis Sekmen sehen können, sind sogar die von uns gewählten Politiker:innen uns nicht mal schuldig, weiterhin für dasselbe Programm einzutreten, für das wir sie gewählt haben.

    CDU, FDP & AfD – Plötzlicher Einriss der “Brandmauer” oder systematische Öffnung nach rechts?

    • Sächsischer Perspektiveautor seit 2022 mit slawisch-jüdischem Migrationshintergrund. Geopolitik, deutsche Geschichte und der palästinensische Befreiungskampf Schwerpunkte, der Mops das Lieblingstier.

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