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    Ziviler Ungehorsam: Widerstand bleibt legitim!

    In Essen erwartet man ein Wochenende voll mit unterschiedlichen Arten des Protests gegen den AfD-Bundesparteitag. Dazu gehört auch ziviler Ungehorsam. Zu der Frage, warum wir vielfältigen Widerstand gegen den Faschismus brauchen. – Ein Kommentar von Alex Lehmann.

    „Es sind Terroristen, die da mit demokratischer Fassade daherkommen und offen zu massiver Gewalt aufrufen“, so Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG), bei einem Interview in der BILD-Zeitung. Als besonders weit rechts stehender Gewerkschaftsboss hetzt er gegen Antifaschist:innen und versucht so schon im Vorfeld, massive Polizeigewalt zu legitimieren.

    BILD: Hetze gegen Anti-AfD-Proteste

     

    Konkret spricht er von den zahlreichen Aufrufen zum Protest gegen den AfD-Bundesparteitag in Essen vom 28.-30. Juni. Neben klassischen Großdemonstrationen und Kundgebungen wird auch zu zivilem Ungehorsam aufgerufen. Das Ziel? Der AfD ihren Aufenthalt nicht nur möglichst unangenehm zu machen, sondern den Parteitag noch zu verhindern.

    Was ist ziviler Ungehorsam?

    „Ziviler Ungehorsamn ist eine Form des Protests, bei der sich bewusst und aktiv geweigert wird, gewissen Vorschriften und Regeln der Herrschenden zu folgen. Eine Form des Protests die zeigen soll: Wir sind nicht einverstanden, wir stellen uns in den Weg und übertreten dabei auch eure Gesetze.

    Es ist eine Form des Protests, die seit Jahrzehnten immer wieder eine prominente Stellung in den Kämpfen der Arbeiter:innen und Unterdrückten der Welt einnimmt: Sei es der Kampf um nationale Selbstbestimmung, gegen die rassistische Segregation in den USA, gegen die Verfolgung von LGBTI+ -enschen oder derjenige um die Gleichberechtigung der Frauen. Noch heute sind die britische Suffragetten-Bewegung, der Montgomery-Busboykott von Rosa Parks oder Nelson Mandelas Kampf gegen die Apartheid in Südafrika – populäre Beispiele, die teilweise sogar in der Schule behandelt werden.

    Und auch in Deutschland hat der zivile Ungehorsam eine lebendige Geschichte: Am bekanntesten sind wohl die Proteste der Klimabewegung: Von Fridays for Future, über Ende Gelände bis hin zur Letzten Generation. Alle bedienen sich auf ihre eigene Art und Weise der Methoden des zivilen Ungehorsams, bestreiken die Schule, nehmen sich die Straße oder besetzen Wälder und Kohlebagger.

    Auch die antifaschistische Bewegung hat in Deutschland schon einige Erfahrungen mit zivilem Ungehorsam gesammelt. Zum Beispiel 2010 in Dresden: Der jährliche „Trauermarsch“, an dem etwa 5.000 Faschist:innen teilnehmen wollen, kommt nicht vom Fleck. Über 10.000 Menschen beteiligten sich an Blockadeaktionen, legen die Dresdener Neustadt und den Bahnhof lahm. – Der Nazi-Aufmarsch in Dresden konnte seit 12 Jahren erstmals verhindert werden, weil sich die Demonstrant:innen bewusst nicht an das enge juristische Korsett des Staats gehalten hatten.

    Ungehorsam allein ist nicht alles

    Dazu muss aber gesagt werden, dass auch ziviler Ungehorsam seine Grenzen hat und kein Wundermittel ist. Das zeigt zum Beispiel ein Blick in die Geschichte der britischen Suffragetten-Bewegung (ca.1897-1918): Die Frauen der kämpferischen Bewegung protestierten damals gegen ihre Unterdrückung, indem sie sich „wie Männer“ benahmen, in der Öffentlichkeit rauchten, Demonstrationen veranstalteten, Wahlkampfveranstaltungen stürmten und in den Hungerstreik traten.

    Aber das war noch lange nicht alles. 1912 marschieren sie mit Hämmern bewaffnet durch die Londoner Innenstadt und zerstören Schaufensterscheiben. Später nutzen sie auch Brandsätze, kappten Telefonleitungen und verübten Bombenanschläge.– Aktionen, die man wohl kaum als friedlich bezeichnen kann, die aber genauso zum Kampf um die Gleichberechtigung gehörten.

    Außerdem ist ziviler Ungehorsam an sich noch lange nicht radikal. Wenn sich die dahinterstehende Politik darauf beschränkt, Bitten an den bürgerlichen Staat zu formulieren und am Ende des Tages die Ursachen der Ungerechtigkeit nicht angetastet werden, bleibt ziviler Ungehorsam zahnlos.

    Nazis blockieren? Bleibt legitim!

    Genauso wie die Proteste gegen den Naziaufmarsch in Dresden oder die Besetzung des vom Kohleabbau bedrohten Dorfs Lützerath ist auch der Protest gegen den Bundesparteitag der AfD in Essen legitim. Umso verwunderlicher, dass man in Gesprächen immer wieder den Vorwurf hört, militanter Widerstand gegen die AfD würde der Partei nur „in die Hände spielen“, und ein Bundesparteitag sei ja ihr gutes Recht als „demokratische Partei“.

    Doch die AfD ist eine faschistische Partei, welche die Arbeiter:innen mit ihrer rassistischen Hetze gegeneinander aufhetzt und alle anderen bürgerlichen Parteien vor sich hertreibt. Wenn sich am Wochenende ihre Nazi-Funktionäre zusammenfinden und in Ruhe ihre Strategie besprechen wollen, können wir das nicht einfach so zulassen.

    LIVETICKER am Samstag: Aktionen gegen den AfD-Parteitag

    Natürlich gehört dazu aber genauso, auch eine klassenkämpferische Perspektive in die Proteste hineinzutragen: Am Ende kann sich unser Antifaschismus nicht nur auf Straßenblockaden und Sabotage beschränken – denn gleichzeitig muss auch der Charakter des Faschismus aufgezeigt und somit auch die Ideologie der AfD entlarvt werden. Die Ampelregierung bildet offensichtlich keine Alternative zum Aufstieg der Faschist:innen, weswegen wir jederzeit betonen müssen, dass eine Welt ohne Hetze, Ausgrenzung und Spaltung im Kapitalismus nicht möglich ist.

    Und da der Staat am Ende wie immer sein Bestes gibt, die Faschist:innen zu schützen, bleibt uns nichts anderes übrig, als die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Daran ändert auch die heuchlerische Hetze von Rainer Wendt und Co. nichts.

    • Perspektive Autor seit 2023. Jugendlicher Arbeiter im Einzelhandel aus Norddeutschland, schreibt gerne Artikel um den deutschen Imperialismus und seine Lügen zu enttarnen. Motto: "Wir sind die Jugend des Hochverrats!"

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