Rechte Regierungen versuchen Druck auf die EU aufzubauen: Sowohl die Niederlande als auch Ungarn drohen mit einem Ausstieg aus den europäischen Asylgesetzen – realistisch durchsetzbar ist dies vorerst nicht.

Nachdem auf Beschluss der deutschen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) seit Montag deutsche Außengrenzen kontrolliert werden, sind in dieser Woche Rufe nach weiterer Aushöhlung des europäischen Schutzes für Geflüchtete und Asylbewerber:innen laut geworden. Die Niederlande sowie Ungarn forderten eine Aussetzung der Asylregelungen der EU in ihren Hoheitsgebieten.

Zuletzt gab es Applaus aus Ungarn für den Beginn der deutschen Grenzkontrollen. Die Regelungen der EU sehen es jedoch grundsätzlich nicht vor, dass aus einzelnen Maßnahmen ein „cherrypicking“ betrieben wird und die Mitglieder dahingehend ein Wahlrecht ausüben. Doch auch wenn eine solche Aussetzung vermutlich scheitern wird, stellen die Forderungen die Weichen für eine weitere Aufweichung des bestehenden Asylrechts.

Asylnotstand in den Niederlanden?

Vor den Wahlen in den Niederlanden hatte die Partij voor de Vrijheid (PVV), die faschistische Partei von Geert Wilders, noch einen Austritt aus der EU – den sogenannten Nexit – gefordert. Obwohl von dieser Forderung mittlerweile Abstand genommen wurde, bestätigte die EU am Mittwoch den Eingang eines niederländischen Antrags für das eigene Land die Asylreglungen auszusetzen. Dass dies umgesetzt wird, ist jedoch eher unwahrscheinlich, der geforderten Ausnahme müssten alle 27 EU-Mitgliedsstaaten zustimmen.

Die niederländische Regierung hat allerdings bereits angekündigt, dass man wenn nötig einen Asylnotstand ausrufen werde, um den verbindlichen Regelungen der EU keine Folge mehr leisten zu müssen. Rechtlich bieten die Verträge der EU dafür zwar grundsätzlich die Möglichkeit, von dieser konnte jedoch in der bisherigen Geschichte der EU noch kein Mitgliedsstaat gerichtsfest Gebrauch machen. Hintergrund für den Antrag ist dabei jedoch auch, dass Wilders seinen Wähler:innen beweisen will, in Sachen Asyl seine Wahlversprechen umzusetzen. Daher stammt auch die selbst gewählte Bezeichnung des Antrags als „Mini-Nexit“.

Ungarn zieht nach

Nun hat auch Ungarn nachgezogen und will den selben Antrag bei der EU stellen. Ungarn fordert ein „hartes Vorgehen“ gegen illegale Migration. Erfolgsversprechender ist jedoch auch dieser Antrag nicht, zwischen der EU und Ungarn unter Ministerpräsident Orbán besteht seit längerem Streit, da letzterer permanent versucht den europäischen Diskurs über Migration nach rechts zu verschieben. Doch auch wenn die Anträge der beiden Länder keinen Erfolg haben werden, sind sie Vorzeichen für die weitere Entwicklung des europäischen Asylrechts:

Erst dieses Jahr wurde durch die EU der stärkste Eingriff ins Asylrecht seit dessen Gründung beschlossen, die sogenannte GEAS-Reform. Schnellverfahren, Haft an den EU-Außengrenzen, verpflichtende Umverteilung sind einige der beschlossenen Reglungen. In Brüssel fürchtet man bisweilen einen Domino-Effekt, wenn sich den Anträgen mehr Länder anschließen. Solche Vorstöße sind einerseits geeignet weiter Druck auf die EU auszuüben, um weitere Einschränkungen als das „kleinere Übel“ verabschieden zu können. Andererseits legen sie den Grundstein, um ebendiese Abschottung als weniger einschneidend verkaufen zu können.