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    Sehenden Auges in die nächste Flut

    Weite Teile Mitteleuropas werden gerade erneut von Hochwasser heimgesucht. Die Auswirkungen der Klimakrise bedrohen zunehmend das Leben von uns allen, speziell von Arbeiter:innen. Einen konsequenten Klimaschutz müssen wir uns aber selbst erkämpfen: Revolutionär und sozialistisch. – Ein Kommentar von Luis Tetteritzsch.

    Der Pegel der Elbe in Dresden soll sechs Meter übersteigen, Niederösterreich wurde zum Katastrophengebiet erklärt, die polnische Regierung will den Katastrophenzustand ausrufen, Tschechien meldet den ersten Toten. So berichtete die tagesschau am Montag in einem Instagram-Beitrag über die aktuelle Hochwasserlage in Europa und Deutschland.

    Seit letzter Woche sehen sich die Länder im mitteleuropäischen Raum, insbesondere Tschechien, Polen, Österreich oder Rumänien, aber auch in Süddeutschland mit starkem Niederschlag und Überflutungen konfrontiert. Folge sind übertretende Flüsse sowie zerstörte Ladenflächen und Wohnhäuser – und erneut stellt sich die Frage, wie das alles hätte verhindert werden können.

    Mitteleuropa unter Wasser

    In Tschechien kommt bereits das einheimische Militär zum Einsatz: Circa 2.000 Soldat:innen unterstützen örtliche Behörden bei der Katastrophenbekämpfung. Armee-Hubschrauber sollen Menschen in dem stark betroffenen Nordosten Tschechiens mit Lebensmitteln und Trinkwasser versorgen. Viele Geschäfte und Supermärkte wurden von den Fluten zerstört, die Wasser- und Stromversorgung sowie das Mobilfunknetz sind an vielen Orten ausgefallen.

    In Österreich bereitet vor allem die Wien große Sorgen. Als reißender Fluss strömt sie durch die österreichische Hauptstadt und droht auf das anliegende Gleisbett überzuschwappen und die Brücken zu übertreten. Bereits 1.800 Gebäude mussten geräumt und mehr als 200 Straßen gesperrt werden. Zusammengenommen wurden bisher schon mindestens 18 Menschen Opfer der Fluten in den Ländern.

    In Deutschland hält sich das Ausmaß der steigenden Wasserpegel bisher noch in Grenzen. Laut den Niedersächsischen Landesbetrieben für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) gehe man auf Basis jüngster Prognosen von keinem derart schwerwiegenden Hochwasser wie in den Jahren 2002, 2006 oder 2013 aus. Dennoch liegt ein besonderes Augenmerk auf der Donau und der Elbe. Erstere erreichte am frühen gestrigen Morgen einen Stand von über acht Metern und löste damit Warnstufe 3 aus. Die Elbe nähert sich derweil der Sechs-Meter-Marke, normal sind 1,42 Meter. In der großen Flut 2002 waren es 9,40 Meter.

    Hochwasser und Überflutung – nichts Neues in Deutschland

    Was schockierend klingt – und auch ist – wird aber mehr und mehr zum Normalzustand. Immerhin liegen die letzten Hochwasserkatastrophen gar nicht so lange zurück.

    Viele werden sich noch an die „Jahrhundertflut“ im Ahrtal erinnern. Im Juli 2021 fielen innerhalb einer Nacht mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter in den beiden Bundesländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Besonders betroffen war das rheinland-pfälzische Ahrtal. In der Folge kam es nicht nur zu 180 Toten und Schäden im Milliardenbereich, sondern auch zu schweren Vorwürfen gegen die damalige Landesregierung und den Landrat Jürgen Pföhler (CDU). Auf Warnungen des Europäischen Flutwarnsystems (EFAS), die bereits mehrere Tage vor der Katastrophe eingingen, wurde nicht reagiert, der Katastrophenschutz nicht ausreichend vorbereitet. Das Resultat war eine der schwersten deutschen Flutkatastrophen seit 2002.

    Für die letzten Überflutungen braucht man aber eigentlich gar nicht so weit zurück zu blicken: Erst im Mai diesen Jahres sind die Flüsse Saar und Mosel im Saarland über die Ufer getreten. Folgen waren erneut zahlreiche überflutete Straßen und Häuser und die Evakuation von etlichen Anwohner:innen.

    Kein Interesse an einem konsequenten Klimaschutz

    Die Kommunen verlangen nun mehr finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern beim Hochwasserschutz: Dem vorbeugenden Hochwasserschutz müsse hohe Priorität eingeräumt werden, so der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger. Fatal nur, dass seit Jahren genau in diesem Bereich konsequent gekürzt wird: Im Haushaltsentwurf 2023 wurden dem Technischen Hilfswerk (THW) rund 158 Millionen Euro gestrichen. Der Haushalt 2024 enthielt noch einmal weitere Kürzungen in Höhe von 10% beim THW und weitere 20% beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK). Stattdessen wird das Geld lieber in ein starkes Militär, in die Taschen deutscher Rüstungskonzerne oder den Ausbau der „Festung Europa” gesteckt.

    Was tun bei Extremwetter und Umweltkatastrophen?

    Doch sowohl die Ursache von solchen Flutkatastrophen, als auch der Grund für die kontinuierliche Vernachlässigung eines konsequenten Katastrophen- und Umweltschutzes liegen tiefer als die „Versäumnisse“ in der Politik, unqualifizierten Führungskräften in Stadt, Land und Bund oder einer „falschen Schwerpunktsetzung“: Seit Jahren schon warnt die Klimaforschung vor zunehmenden Wetterextremen. Flutkatastrophen wie jetzt sind neben Dürrewellen nur eine von vielen bekannten Auswirkungen des voranschreitenden Klimawandels.

    Die aktuellen Hochwasser in weiten Teilen Europas zeigen erneut, dass Staat und Politik nicht gewillt sind, die Bevölkerung mit uns Arbeiter:innen vor den Auswirkungen der Klimakrise ausreichend zu schützen – und das, obwohl es schon längst klar ist, dass solche Flutkatastrophen künftig zur bedrohlichen und neuen Normalität werden. Viel lieber lassen sich unsere Politiker:innen in den Katastrophengebieten für PR-Zwecke ablichten und versuchen, die finanzielle Verantwortung für ein erhöhtes Katastrophenrisiko durch verpflichtende Elementarversicherungen auf uns Arbeiter:innen abzuschieben.

    Nur eine Alternative: Kapitalismus überwinden, Sozialismus erkämpfen

    Die Verursacher:innen der Klimakrise – die kapitalistischen Konzerne und eine Politik, die in ihrem Interesse handelt – werden dabei gezielt aus der Schusslinie genommen. Der Klimawandel kommt nicht schicksalhaft irgendwo her, sondern ist Resultat einer profitorientierten Produktionsweise, die Mensch wie Natur als auszubeutende Ressource behandelt. Gegen diese, dem Kapitalismus zugrunde liegenden Profit-Logik werden weder eine grüne Regierungspartei noch ein paar mehr Windräder oder Staudämme Abhilfe schaffen: Der grüne Kapitalismus ist und bleibt eine Lüge.

    Kapitalismus bedeutet Klimakatastrophe!

    Die einzige Alternative, die uns bleibt, wenn Politik und Staat uns mal wieder im Stich lassen, ist, den Katastrophen- und Klimaschutz in die eigene Hand zu nehmen: Es braucht eine kämpferische Klimabewegung, die über die reformistischen Grenzen einer bereits abflauenden Fridays for Future-Bewegung – die selbst in einer aktivistischen Hochburg wie Leipzig zum globalen Klimastreik am 20. September nicht einmal mehr eine Demo organisiert bekommt – hinausgehen muss.

    Wir benötigen eine Klimabewegung, die mit ihren Forderungen nicht vorrangig die Arbeiter:innenklasse in die Verantwortung für die Folgen des Klimawandels nimmt. So wurde z.B. von der Klimabewegung in der Vergangenheit eine CO2-Steuer gefordert. Während Konzerne fröhlich weiter von Politik subventioniert wurden, stiegen vor allem die Lebens- und Nebenkosten von einfachen Verbraucher:innen.

    Stattdessen brauchen wir eine Klimabewegung, die nicht nur Druck auf die Regierung ausübt, sondern einen Schritt weiter geht: Liegt die Ursache von Hochwasser-Katastrophen wie im Ahrtal, Saarland und jetzt in ganz Mitteleuropa im kapitalistischen System begründet, dann müssen wir dieses hinter uns lassen und für eine Gesellschaft kämpfen, welche die Interessen von uns Arbeiter:innen konsequent vertritt.

    Diese Gesellschaft ist der Sozialismus mit einer nach den Bedürfnissen der gesellschaftlichen Mehrheit geplanten Wirtschaft. Erst mit ihm wird es möglich sein, abseits von jeglicher Profitmaximierung für einige wenige Kapitalist:innen, den erwirtschafteten Reichtum auch in die Dinge zu stecken, die uns tatsächlich etwas nutzen. Darüber hinaus braucht es ein Verständnis von unserer Natur, das nicht mehr darauf hinausläuft, sie nur als auszubeutende Ressource zu betrachten.

    Wie die aktuelle Zuspitzung der Klimakrise zeigt, haben wir dabei keine Zeit mehr zu verlieren. Denn auch im Sozialismus werden wir nicht mehr alle schon verursachten Schäden an Natur und Umwelt einfach rückgängig machen, sondern lediglich Schlimmeres verhindern können. Es gilt also, die Katastrophen von heute schleunigst mit eigener Hand anzupacken, denn Staat und Politik werden es nicht machen. Und gleichzeitig müssen wir die Katastrophen von morgen verhindern – klassenbewusst, revolutionär und sozialistisch.

    • Seit 2023 Autor für Perspektive Online. Schreibt gerne über die Militarisierung des deutschen Imperialismus und den Widerstand dagegen.Denn: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“

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