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    Abschiebungen wegen Instagram-Like?

    Durch einen neuen Kabinettsbeschluss soll „Terrorverherrlichung“ im Netz zu heftigeren Konsequenzen für Geflüchtete führen. Das Gesetz reiht sich ein in eine Reihe von Maßnahmen zur stärkeren Unterdrückung von Migrant:innen.

    Durch die Änderung des Aufenthaltsgesetzes soll es den Ausländerbehörden einfacher gemacht werden, Menschen abzuschieben. Als Grund werden die Messerattacke in Mannheim und antisemitische Straftaten seit dem 07. Oktober genannt. In dem Gesetzesentwurf der Ampel-Regierung werden die Formulierungen bereits vorhandener Artikel angepasst.

    So liegt ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nun auch vor, wenn von der betroffenen Person eine terroristische Straftat geplant sein könnte oder sie eine andere Person zu einer terroristischen Straftat angestiftet haben könnte. Zuvor war nur eine „schwere staatsgefährdende Gewalttat“ strafbar. Das bedeutet, dass jetzt nicht mehr die tatsächliche Tat als Grund gilt, sondern schon die vermutete Planung oder Anstiftung ausreicht.

    Ein „gefällt mir“ soll reichen

    Des Weiteren soll im Gesetzestext anstatt der Verbreitung von „Schriften“ nun bereits die Verbreitung von „Inhalten“ strafrechtliche Konsequenzen haben, da dieser Begriff zeitgemäßer und umfassender sei: genannt werden „Inhalte …, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations – oder Kommunikationstechnik übertragen werden.“

    Innenministerin Nancy Faeser sagte auf Nachfrage zwar, dass es „nicht um den kleinen Klick und den kurzen Like“ gehe, sondern darum, „dass wirklich widerwärtige, terroristische Inhalte verherrlicht und gepostet werden“. Das widerspricht allerdings der begründenden Formulierung im Gesetzesentwurf. Dort heißt es nämlich, dass „unter Verbreitung eines Inhalts … daher nunmehr etwa auch das Markieren eines Beitrags durch ‘gefällt mir’ auf den Sozialen Medien wie YouTube, Instagram, TikTok etc. fallen (kann)“.

    Verschärfung der Gesetzgebung umstritten

    Außerdem wird durch eine Umformulierung weniger dem konkreten Sachverhalt nach abgewogen, wie schwer die Tat tatsächlich ist: anstatt „terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht“ soll nun „eine terroristische Straftat“ stehen. Diese Formulierung ist schärfer, eine Gewichtung spielt demnach keine Rolle mehr. Außerdem soll bereits jetzt „die Billigung oder das Werben für eine einzelne terroristische Straftat“ strafbar sein, während zuvor von Straftaten in der Mehrzahl die Rede war. In der Begründung heißt es zu diesen beiden Änderungen, dass die Ausländerbehörden dadurch schneller vorgehen könnten.

    Auch „Belohnen oder Billigung einer terroristischen Straftat“ führen nun zu einem „besonderen Ausweisungsinteresse“. Was eine „Billigung einer terroristischen Straftat” ist, bleibt – wie viele Stellen des Entwurfs – unklar. Dabei soll eine strafrechtliche Verurteilung nicht nötig sein. Das bedeutet, es würde keinen Gerichtsprozess zur Bestrafung brauchen.

    Der Journalist und Autor Markus Decker, der die härtere Verfolgung von sogenannten Terrorunterstützer:innen zwar gutheißt, sieht zumindest diesen Teil „mindestens heikel“. Auch Jurist:innen sehen den Gesetzesentwurf kritisch, da es schon sehr viel „juristische Fantasie“ brauche, um das Setzen von Likes als Verbreitung terroristischer Inhalte zu definieren, so Thomas Oberhäuser, Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht” im Deutschen Anwaltverein (DAV).

    Härtere Rhetorik in der Ampel

    Die Ampel-Regierung rechtfertigt den Entwurf mit Verweis auf die Bekämpfung islamistischen und antisemitischen Terrors. Faeser wolle damit hart gegen islamistische und antisemitische „Hasskriminalität im Netz“ vorgehen. Wer keinen „deutschen Pass“ habe und „hier terroristische Taten verherrlicht“, der müsse „wo immer möglich – ausgewiesen und abgeschoben werden.”

    Ähnliche Töne ließ Wirtschaftsminister Robert Habeck verlauten. Er meinte, „wer terroristische Taten billigt und für sie wirbt, muss gehen“. Für den Vorschlag bekam die Regierung Lob von Jochen Kopelke, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), während der CDU/CSU das Gesetz nicht weit genug geht.

    Seit dem 07. Oktober 2023 erhöht die Ampel-Regierung die staatliche Repression, indem sie Antizionist:innen und Kritiker:innen der Kriegsführung Israels mit Islamist:innen gleichsetzt. So wurde bereits im Oktober die palästinensische Gefangensolidaritätsorganisation „Samidoun” verboten.

    Kontinuierlicher Abbau der Rechte von Geflüchteten

    Mit dem neuen Gesetzesentwurf rechtfertigt die Regierung erneut die Einschränkung der Rechte von Geflüchteten und Migrant:innen. So heißt es in der Begründung des Entwurfs, dass „die Gesetzesänderung der Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Rückführungsoffensive“ diene. Das Wort „Remigration“ fiel in der Debatte bislang nicht.

    Mit der GEAS-Reform, dem „Rückführungsverbesserungsgesetz“ und der „Bezahlkarte” wurden bereits schärfste Einschränkungen des Asylrechts vorgenommen. Auch die Messerattacke in Mannheim spielt bei dem neuen Gesetzesentwurf eine Rolle. In seiner Regierungserklärung nach der Attacke hatte Kanzler Olaf Scholz bereits Verschärfungen von Überwachung und Abschiebungen angekündigt.

    Messerangriff in Mannheim: Spiegelfechterei der Reaktionären

    Es ist durchaus möglich, dass die Argumente zur stärkeren Bestrafung von „Terrorunterstützern“, wie sie in diesem Gesetzesentwurf genannt werden, früher oder später auch auf Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft angewendet werden könnten. Bereits bei der Bezahlkarte für Geflüchtete fordern CDU-Politiker:innen eine Ausweitung auf Bürgergeld-Empfänger:innen.

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