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    NATO-Gipfel in Washington: Aufrüstung und Kriegsrhetorik in Dauerschleife

    Beim NATO-Gipfel in Washington ist der Krieg zwischen der Ukraine und Russland das dominierende Thema. Doch auch die Kriegsvorbereitungen und Aufrüstungsstrategien an anderen Fronten rücken zunehmend in den Fokus.

    Schon jetzt ist klar, dass der NATO-Gipfel vom 9. bis zum 11. Juli, der heute in Washington zu Ende geht, ganz im Zeichen der weiteren Eskalation des Krieges zwischen der Ukraine und den USA stehen wird; und das nicht nur, weil mit der Ukraine eine der Kriegsparteien selbst am Gipfel teilnimmt.

    Die Grundkonstellation in diesem Krieg, der von geopolitischen Beobachter:innen einhellig als der momentan bedeutendste „heiße Krieg“ bewertet wird, gleicht sich dabei seit Monaten. Der über zwei Jahre andauernde Krieg setzt beiden Seiten mit einem hohen Blutzoll und großem Materialverschleiß zu. Russland kann dabei jedoch, insbesondere was Soldat:innen angeht, logischerweise auf größere Reserven zurückgreifen als die ausgeblutete Ukraine.

    Frisches Kriegsmaterial an die Ukraine

    Auch im Hinblick auf das Kriegsmaterial in Form von Waffen ist die Abhängigkeit der Ukraine von der NATO so ausgeprägt, dass beispielsweise innenpolitische Konflikte in den USA direkte Auswirkungen auf das Geschehen an der Front haben. So hat die Regierung von Joe Biden erst Ende April ein weiteres Unterstützungspaket im Wert von 60 Milliarden Dollar an die Ukraine zugesagt. Zuvor war das nicht möglich, weil die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus die Haushaltsverhandlungen blockiert hatte.

    Die NATO-Staaten erhoffen sich offenbar auch, die zunehmend in die Defensive geratene Ukraine zu stabilisieren, indem sie immer neue Waffensysteme in das Land schicken. Aktuell befinden sich beispielsweise weitere F-16-Kampfjets auf dem Weg. Auch was den Einsatz von Raketen mit großer Reichweite angeht, zeigt die Entwicklung der letzten Monate in eine klare Richtung: Eskalation. So erklärte der britische Außenminister David Cameron Anfang Mai öffentlich, dass die Ukraine die volle Entscheidungskompetenz darüber habe, welche Ziele sie mit von Großbritannien gelieferten Waffen bekämpfen wolle. Dabei schloss Cameron explizit Ziele auf russischem Gebiet ein.

    Dem Beispiel folgten wenig später auch die USA und dann auch Deutschland. Die Raketensysteme der NATO-Länder dürfen nun also offiziell auch für Angriffe auf russische Infrastruktur auf russischem Staatsgebiet verwendet werden. Ein Eskalationsschritt, der in Jahren zuvor vermieden worden war, und sicherlich eine Reaktion auf die bröckelnde ukrainische Front darstellt.

    Diese NATO-Waffen dürfen russisches Gebiet treffen

    Kontroverse um NATO-Beitritt der Ukraine

    Gewisse Widersprüche gab es bei dem Gipfel offenbar um die Frage, wie schnell die NATO bei ihren Bemühungen, die Ukraine auch offiziell in das Bündnis zu integrieren, vorgehen will. Während kleinere Teilnehmerstaaten in Osteuropa sich für eine formelle Einladung an die Ukraine stark gemacht haben, lehnen die USA und Deutschland diesen Schritt derzeit ab. Die nun gefundene Sprachregelung für die Abschlusserklärung sieht vor, den Weg der Ukraine in die NATO als „unumkehrbar“ zu bezeichnen.

    Auch der scheidende NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kommentierte den Beitritt der Ukraine als unbedingt notwendig, knüpfte ihn jedoch an die Bedingungen, dass der heiße Krieg in der Ukraine zuvor beendet werde: „Wenn die Kämpfe enden, wird die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine garantieren, dass auch wirklich der Krieg endet.“

    Dass unter anderem die USA und Deutschland einen schnellen NATO-Beitritt der Ukraine verhindern, dürfte einen klaren Grund haben: Tritt die Ukraine bei, solange ein Krieg mit Russland noch im Gange ist, würde dies im Grunde genommen den NATO-Bündnisfall auslösen. Die NATO würde sich somit aber vor eine Zwickmühle zwischen zwei Alternativen stellen, die die entscheidenden Kräfte im Militärbündnis (noch) nicht wollen: Entweder einen vollentfalteten Krieg mit Russland, einem 3. Weltkrieg oder der Aushöhlung des eigenen Bündnisses, weil das Versprechen, Seite an Seite zu kämpfen, nicht eingehalten wird.

    Die Aufrüstungsspirale dreht sich weiter

    Doch nicht nur im direkten Bezug auf die Ukraine setzt sich die Aufrüstungsspirale fort. Erst am 18. Juni verkündete Stoltenberg freudig, dass die NATO in diesem Jahr einen zweifelhaften Rekord knacken würde. Erstmalig würden 23 der 32 Mitgliedsstaaten das selbst gesteckte Ziel erreichen, 2 Prozent des eigenen BIP für Militärausgaben zu verwenden. 2021 hatten dieses Ziel „nur“ sechs Mitgliedsstaaten erreicht.

    Die Militärausgaben der NATO wachsen schon seit Jahren kontinuierlich an. In der Tat hat sich dieser Trend aber seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 deutlich beschleunigt. Im Jahr 2024 wuchsen die Militärausgaben aller NATO-Staaten durchschnittlich um 17,9 Prozent, im Jahr 2023 um 9,3 Prozent. Dies steht einem Durchschnitt von 3,6 Prozent in den Jahren von 2015 bis 2022 gegenüber.

    Während die eigene Aufrüstung als großer Erfolg gefeiert wird, lässt es sich die NATO beim Gipfel zu ihrem 75. Jubiläum nicht nehmen, die Aufrüstung von anderen Großmächten als „besorgniserregend“ zu kritisieren. In der geplanten Abschlusserklärung steht dabei insbesondere China im Fokus, dem die NATO eine Mitverantwortung an Russlands Krieg gegen die Ukraine zuschreibt.

    Auch wenn der Stellvertreterkrieg gegen Russland die Diskussionen dominiert, ist klar: China wird von den NATO-Strategen als der zukünftig wichtigste Konkurrent um die militärische und politische Vorherrschaft auf unserem Planeten eingeschätzt. Dies äußert sich unter anderem auch an der Zusammensetzung des Gipfels, bei dem neben der Ukraine noch Neuseeland, Australien, Japan und Südkorea als Gäste teilnehmen. Also die wichtigsten Verbündeten der USA im pazifischen Raum.

    Andersherum werden NATO-Verbündete der USA zunehmend in gemeinsame Operationen mit den pazifischen Bündnispartnern eingebunden. So findet aktuell bis zum 1. August unter dem Titel „RIMPAC 2024“ das größte Marinemanöver aller Zeiten im Pazifik statt. Die führende Rolle spielt dabei die USA. Neben Japan, Südkorea, Singapur, den Philippinen, Australien und Neuseeland nehmen daran aber auch deutsche, französische und britische Kriegsschiffe teil.

    Doch auch Deutschland wird als zentrales Drehkreuz für die Kriegsvorbereitungen der NATO in Europa weiterhin eine zentrale Rolle spielen. So kündigten die USA nach vorheriger Abstimmung mit der deutschen Regierung am 10. Juli im Rahmen des Gipfels an, verschiedene weitreichende Raketensysteme auch in Deutschland stationieren zu wollen.

    Ab 2026 sollen sogenannte „Tomahawk“-Marschflugkörper nach Deutschland kommen, ebenso nicht namentlich genannte Überschallwaffen, die sich noch in der Entwicklung befinden. Die Tomahawk-Raketen sind Waffensysteme, die mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden können. Werden sie in Deutschland stationiert, so wächst damit logischerweise die Wahrscheinlichkeit, dass im Rahmen einer kriegerischen Eskalation zwischen der NATO und zum Beispiel Russland, Ziele in diesem Land in den Fokus rücken.

    Das ist einer der zentralen Gründe dafür, dass die Stationierung ähnlicher Waffensysteme im Rahmen des sogenannten NATO-Doppelbeschlusses am Ende des Kalten Krieges zu einer großen Protestwelle der deutschen Friedensbewegung führte.

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