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    „Rheinmetall entwaffnen!“ – Der Krieg beginnt auch in Kiel

    Vom 3. bis zum 8. September organisiert das Bündnis Rheinmetall Entwaffnen in Kiel einwöchige Proteste gegen die deutsche Rüstungsindustrie – mitsamt Vorträgen und Stadtführungen. Den Höhepunkt bilden eine Blockadeaktion am Freitag und eine Großdemonstration am Samstag. Doch welche Rolle spielt Kiel für die Kriege von heute und morgen?

    Vom 3. bis 8. September planen Antimilitarist:innen aus verschiedenen Ländern in Kiel ein Protestcamp unter dem Motto „Kiel entwaffnen! Rüstungsindustrie versenken!“. Die Aktionstage sollen mit einer überregionalen antimilitaristischen Demonstration am 7. September in Kiel enden.

    Was passiert in diesem Jahr?

    Beim diesjährigen Rheinmetall Entwaffnen-Camp in Kiel stehen die Aktionen gegen Ende der Woche im Zentrum der Aufmerksamkeit. Am frühen Freitagmorgen, dem 6. September, möchte das Bündnis „gemeinsam mit Hunderten von Aktivist:innen durch Kiel fließen und Standorte der Rüstungsindustrie belagern, blockieren und diejenige Produktion unterbrechen, die dem Zweck dient, Leben zu zerstören.“ Am Samstag folgt dann ab 12 Uhr ausgehend vom Bootshafen eine Großdemonstration durch die Kieler Innenstadt.

    Neben diesen zentralen Aktionen bietet das Camp ein umfangreiches Programm: Stadtführungen zum Matrosenaufstand und der Novemberrevolution 1918/19, internationalistische Vorträge zu Kurdistan, Sudan, Palästina und der Neokolonialisierung Nordafrikas sowie antipatriarchale und antimilitaristische Seminare decken eine breite Palette an Inhalten ab.

    Abends findet in der Regel ein gemeinsames Kultur- und Gedenkprogramm statt – beginnend mit einem Gedenkabend, über eine Veranstaltung zum Matrosenaufstand bis hin zur Aufführung eines Theaterstücks.

    Mit Angeboten wie einem Nachbarschaftscafé richtet sich das Camp außerdem auch an die unmittelbaren Nachbar:innen und die Kieler Bevölkerung. Ein Demonstrationstraining und Kampfsport runden das Programm ab und bereiten auf die anstehenden Aktionen vor.

    Rheinmetall Entwaffnen – Aktionen der letzten Jahre

    Seit 2018 organisiert das antimilitaristische Bündnis etwa einmal jährlich Aktionen gegen die deutsche Rüstungsindustrie. Ursprünglich gründete es sich vor dem Hintergrund der Angriffe der türkischen Armee auf die kurdische Stadt Afrin in Syrien. Die Besatzungsoffensive wurde dabei unter anderem durch Lieferungen von deutschen Leopard 2-Panzern an den türkischen Staat erst möglich – womit die deutsche Rüstungsindustrie ganz offen die Vertreibung von etlichen Zivilist:innen unterstützte.

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    Die Proteste sind dabei in der Regel eine Kombination aus Camps, auf denen antimilitaristische Bildung, Aktionstrainings, Kultur und gemeinsame kollektive Zeit organisiert werden. Darüber hinaus gibt es immer ein bis zwei größere praktische Aktionen, die das Gelernte dann in konkretes antimilitaristisches Handeln übersetzen sollen.

    Das Camp hat bereits zweimal im niedersächsischen Unterlüß stattgefunden. Hier hat der Rheinmetall-Konzern seinen Hauptsitz. Auch der Hauptsitz des Waffenkonzerns Heckler und Koch in Oberdorf war bereits Ziel vergangener Aktionen, ebenso wie Kassel, ein bekannter Hotspot der deutschen Rüstungsindustrie.

    Erfolgreiche Aktionstage bei “Rheinmetall entwaffnen”

    Dabei organisiert das Bündnis immer wieder auch Blockaden der Rüstungsindustrie. Vor zwei Jahren blockierten sie z.B. mit rund 200 Personen das Werk des Rüstungsriesen Krauss-Maffei-Wegmann. Mit Erfolg: Die Produktion des Konzerns musste daraufhin für zwei Tage unterbrochen werden.

    Warum finden die Rüstungsproteste in Kiel statt?

    Die Rüstungsproteste in Kiel haben ihren Ursprung in der bedeutenden Rolle, welche die Stadt als Standort für die Rüstungsindustrie spielt: Kiel ist historisch als zentraler Rüstungs- und Militärstandort gewachsen, beginnend mit seiner Ernennung zum Reichskriegshafen im preußischen Kaiserreich.

    Diese Tradition setzt sich bis heute fort, da Kiel über eine ausgeprägte Infrastruktur für die Rüstungsproduktion verfügt. Darüber hinaus hat die Stadt aber auch eine ebenso reiche antimilitaristische Vergangenheit. So war sie – beginnend mit dem Kieler Matrosenaufstand – beispielsweise der Ausgangspunkt der Novemberrevolution von 1918.

    Bis heute hat sich an der strategischen Bedeutung Kiels für die Deutsche Marine wenig geändert: Die Stadt profitiert von ihrer Lage am Wasser, dem Nord-Ostsee-Kanal und dem Zugang zur Ostsee, was sie zu einem wichtigen Standort für die Marine macht. In Kiel sind daher Teile der Einsatzflottille 1 stationiert und das Landeskommando Schleswig-Holstein ansässig.

    Zudem tragen militaristische Think-Tanks wie das Institut für Sicherheitspolitik (ISPK) und das Centre of Excellence for Operations in Confined and Shallow Waters (COE CSW) zur ideologischen Unterstützung der militärischen Ausrichtung dabei. Neben der militärischen Präsenz liegt der Fokus jedoch auch auf den Rüstungsunternehmen in der Stadt, die oft weniger sichtbar agieren als das Militär selbst, aber eine zentrale Rolle in der Rüstungsproduktion und -logistik spielen.

    Deutschland im Aufrüstungsfieber

    Deutschland ist in absoluten Zahlen weltweit der fünftgrößte Waffenexporteur (Stand 2023). Ein Ranking des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, das im Dezember 2022 erschien und die Daten von 2021 analysiert hat, listet sechs deutsche Rüstungskonzerne unter den Top 100 auf. Vier davon haben einen Sitz in Kiel: Rheinmetall, Thyssenkrupp, Hensoldt und Airbus.

    Firmen wie Rheinmetall profitieren massiv vom 100 Milliarden Euro-Sondervermögen der Bundesregierung und der Aufrüstung insgesamt. So erhielt der Konzern erst vor kurzer Zeit einen Auftrag der Bundeswehr über 8,5 Milliarden Euro. Der Auftragsbestand von Rheinmetall stieg im vergangenen Jahr um 44 Prozent.

    Ein großer Teil der in Kiel produzierten Rüstungsgüter kommt im Ausland zum Einsatz. So sollen dort im kommenden Jahr sechs U-Boote für Israel gebaut werden. Außerdem wird ein Teil der Kriegsgeräte direkt in die Ukraine, Ägypten und die Türkei geliefert.

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