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    Bundestag beschließt Bürokratieentlastungsgesetz

    Mit der teilweisen Abschaffung der Hotelmeldepflicht und zunehmender Digitalisierung will die Bundesregierung Kosten für Unternehmen reduzieren. Auch müssen Steuerbelege künftig nur noch acht statt zehn Jahre aufbewahrt werden. Letzteres würde jedoch den Steuerbetrug erleichtern, befürchten Expert:innen.

    Endloser Papierkram, Vorschriften und Fristen – Deutschland wird von vielen als ein „Bürokratiedschungel“ angesehen. Wer beispielsweise auf Sozialhilfe angewiesen ist, muss in der Regel etliche Abrechnungen und Bescheide empfangen und weiterleiten, Anträge stellen – all dies in Papierform – und sich bei persönlichen Gesprächen entblößen.

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    Weniger Papierkram, höhere Profite für Unternehmen

    Das vierte Bürokratieentlastungsgesetz, das am 26. September vom Bundestag abgesegnet wurde, soll die Lage verbessern. Es fokussiert sich jedoch weniger auf den bürokratischen Aufwand von Bürger:innen in Kontakt mit den Ämtern, stattdessen sind es zuvorderst Unternehmen, die durch das neue Gesetz entlastet werden sollen. Laut der Bundesregierung schafft das Gesetz Einsparungen für die Wirtschaft von rund 944 Millionen Euro.

    Unter anderem soll es künftig niedrigere Form-Erfordernisse im Zivilrecht geben. Damit ist gemeint, dass in vielen Regelungsbereichen die Papierform oder physische Unterschrift nicht mehr zwingend ist. Lehnt ein Arbeitgeber beispielsweise einen Antrag auf Elternzeit ab, so kann die gesetzlich verpflichtende Begründung dieser Ablehnung nun auch rein digital erfolgen. Auch Steuerbescheide sollen auf Wunsch digital bereitgestellt werden.

    Ebenso soll die Hotelmeldefrist aufgehoben werden, allerdings nur für deutsche Staatsbürger:innen. Alle anderen Hotelbesucher:innen werden auch weiterhin Meldescheine ausfüllen, und die Unterkünfte werden diese auch weiterhin aufbewahren müssen.

    Reduzierte Aufbewahrungspflicht für Steuerbelege

    Die an den angeblichen Einsparungen gemessen wichtigste Maßnahme ist jedoch die Reduzierung der Aufbewahrungsfrist für Steuer- und Buchungsbelege: Unternehmen und Kaufleute müssen ihre Belege statt zehn nur noch acht Jahre aufbewahren. So sollen Kosten für Archivräume oder, im Falle einer digitalen Aufbewahrung, Speicherplatz eingespart werden. Dies solle die Wirtschaft jährlich um rund 626 Millionen Euro entlasten.

    Auch wenn das Bürokratieentlastungsgesetz von Unternehmerverbänden als unzureichend kritisiert wird, freut sich die Lobby über die kürzeren Aufbewahrungsfristen. Dabei dürften die meisten Unternehmen kaum mit großen Einsparungen rechnen. Wie im Gesetzestext selbst beschrieben, bewahren bereits 75 Prozent aller deutschen Unternehmen ihre Belege rein digital auf. Sie würden durch die kürzere Aufbewahrungspflicht jährlich lediglich 12 Euro einsparen.

    Gesetz würde Steuerhinterziehung erleichtern

    Wer jedoch von dieser Gesetzesänderung besonders profitieren könnte, sind Steuerbetrüger:innen. Sie können brisante Unterlagen nun wesentlich früher vernichten.

    Expert:innen, wie die einstige Chefermittlerin im Cum-Ex-Skandal Anne Brorhilker, sehen dies deshalb kritisch: „Die Bundesregierung erleichtert es, Steuern zu hinterziehen. Eine Aufbewahrungsfrist von acht Jahren ist viel zu wenig, weil schwere Steuerstrafdelikte erst nach 15 Jahren verjähren. Die Täter könnten also eigentlich noch belangt werden, dürfen aber quasi legal Beweismittel vernichten. Die Unterlagen sind dann weg, die Milliarden auch.”

    Im Gesetzesentwurf werden Steuerausfälle von jährlich 200 Millionen Euro durch das Gesetz erwartet. Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Florian Köbler, sieht die Kosten jedoch eher in Milliardenhöhe und spricht von einem „Geschenk an Kriminelle“.

    Keine Perspektive im Kampf gegen Finanzkriminalität in diesem Staat

    Aufgrund dieser Bedenken hatte die Bundesregierung diese Regelung leicht abgeändert: Für Unternehmen und Personen, die bereits von der Finanzbehörde beobachtet werden, soll die verkürzte Aufbewahrung erst mit einem Jahr Verzögerung eintreten. So sollen laufende Ermittlungen nicht behindert werden. Diese Regelung ist jedoch nur effektiv bei bereits bekannten Fällen. „Gerade bei Cum-Cum-Fällen gibt es aber offensichtlich ein sehr großes Dunkelfeld von noch unentdeckten Fällen“, so Brohilker.

    Für das Bürokratieentlastungsgesetz IV stimmten SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP. Die Linke und das BSW stimmten mit Verweis auf den erleichterten Steuerbetrug dagegen, während sich die AfD enthielt. Das Gesetz muss noch vom Bundesrat bestätigt werden, bevor es angenommen ist. In einer Stellungnahme begrüßte der Bundesrat das Gesetz, kritisierte es jedoch als nicht weitreichend genug.

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