`
Donnerstag, September 5, 2024
More

    Krise bei US-Demokraten – viele fordern Bidens Rücktritt

    Teilen

    Immer weniger Demokrat:innen halten den amtierenden US-Präsidenten Joseph Biden (Demokraten) für den geeigneten Kandidaten bei der kommenden Wahl. Bidens katastrophale Performance bei einer TV-Debatte löste Diskussionen über sein Alter und seine geistigen Fähigkeiten aus. Politiker:innen im Ausland wie etwa Jens Spahn stellen sich bereits auf einen Wahlsieg Trumps ein.

    Laut einer Umfrage meinen beinahe zwei Drittel der Mitglieder der Demokratischen Partei, dass der amtierende US-Präsident Joseph (Joe) Biden sich aus dem Wahlkampf zurückziehen sollte. Er solle den Platz für die Nominierung eines oder einer anderen Kandidat:in freigeben.

    Im medialen Vordergrund dieser Diskussionen stehen dabei aber nicht etwa Bidens politische Entscheidungen, wie zum Beispiel die Unterstützung des israelischen Besatzungskriegs in Gaza – obwohl diese bei vielen jungen Wähler:innen, sowie arabischstämmigen Amerikaner:innen in den für die Wahl entscheidenden Staaten wie Michigan, Minnesota oder Wisconsin unbeliebt sind.

    Zweifel an Bidens geistigen Fähigkeiten

    Stattdessen dreht sich die Vertrauenskrise um Bidens Alter (81) und Zweifeln an seinen mentalen Fähigkeiten. Konkreter Anlass war Bidens schlechte Performance bei einer TV-Debatte mit Trump. In dieser gab Biden zum Teil zusammenhanglose Antworten wie: „wir haben endlich Medicare besiegt“ – meint das amerikanische Gesundheitsprogramm für Senior:innen. Auf dem darauffolgenden NATO-Gipfel hieß Biden dann den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als „Präsident Putin“ willkommen.

    Während Biden noch lange die Unterstützung großer Teile der amerikanischen Medien genoss, finden sich in Zeitungen wie der New York Times nun immer häufiger Forderungen nach seinem Rücktritt. Der kalifornische Abgeordnete und Senatskandidat Adam Schiff z.B. findet, dass es Zeit sei, „das Zepter weiterzureichen“. Laut Medienberichten sollen auch die Top-Demokrat:innen Chuck Schumer, Hakeem Jeffries und Nancy Pelosi Gespräche mit Biden über dessen Chancenlosigkeit in der kommenden Wahl geführt haben.

    NATO-Gipfel in Washington: Aufrüstung und Kriegsrhetorik in Dauerschleife

    Biden hingegen erklärte, dass „nur der liebe Gott persönlich“ ihn von einer Kandidatur abhalten könne. Er relativierte allerdings später, dass medizinische Gründe oder die Empfehlungen seiner Berater:innen ihn prinzipiell schon zu einem Rücktritt bewegen könnten.

    Demokratischer Parteitag im August

    Tatsächlich ist Bidens Kandidatur noch nicht endgültig bestätigt: In den Vorwahlen der einzelnen Bundesstaaten können, je nach Staat, entweder nur Parteimitglieder oder alle Bürger:innen Stimmen für einen demokratischen Präsidentschaftskandidaten abgegeben. Diese erhalten die Kandidat:innen aber nicht direkt, sondern in der Form eines Prozentsatzes an Delegierten.

    Diese „gebundenen“ Delegierten sind dann verpflichtet, nach bestem Gewissen die Interessen derer zu vertreten, die sie gewählt haben. Auch wenn dies keine bindende Verpflichtung ist, bedeutete es in der Vergangenheit immer eine Stimme für denjenigen Kandidaten, an den die Delegierten gebunden sind. Biden konnte sich in den Vorwahlen die Unterstützung von 99 Prozent aller Delegierten sichern.

    Parteitag der Republikaner hinter Trump – Was kommt auf Europa zu?

    Endgültig bestätigt wird der demokratische Präsidentschaftskandidat allerdings erst auf dem Parteitag im August. Aufgrund des Delegiertensystems galten diese in den vergangenen Jahrzehnten eher als Formalität. Doch sollte Biden zurücktreten, würde es zum ersten Mal seit 50 Jahren eine offene Debatte und einen erneuten Wahlkampf um die nun nicht mehr gebundenen Delegierten auf dem Parteitag geben.

    Weiter verkompliziert wird dies nun durch die Pläne, die Wahl Bidens virtuell vorzuziehen. Der offizielle Grund ist hierbei ein Gesetz des Bundeststaats Ohio, welches besagt, dass nominierte Kandidat:innen 90 Tage vor der Wahl anerkannt werden müssen. Zwar soll dieses Gesetz wieder gestrichen wieder, jedoch erst im September.

    Spahn und Co. stellen sich auf Trumps Wahlerfolg ein

    Laut den jüngsten Umfragen hat Trump mit 46 Prozent Zustimmung zwar nur einen knappen Vorsprung von 2 Prozent vor Biden. Dennoch stellen sich Politiker:innen außerhalb Amerikas bereits auf einen Wahlsieg Trumps ein.

    Der britische Außenminister der neu gewählten Labour Regierung, David Lammy, sucht schon jetzt den Dialog mit dem künftigen Trump-Kabinett. Bezeichnete Lammy Trump anfangs noch als „Soziopath, der mit Nazis sympathisiert“, sieht er nun viele Gemeinsamkeiten mit Trumps fundamentalistisch-evangelikalem Vizekandidaten, JD Vance. Auch geht es Lammy dabei darum, die Trump-Regierung zu einer weiteren militärischen Unterstützung der Ukraine zu bewegen, denn JD Vance befürwortet einen Rückzug aus der Ukraine. Hierfür erhielt er zuletzt Lob vom russischen Außenminister Sergej Lawrow.

    Auch in Deutschland laufen die ersten Vorbereitungen auf eine Zusammenarbeit mit einer möglichen Trump-Regierung: Jens Spahn, Vizevorsitzender der Unionsfraktion, und Michael Link (FDP), der Transatlantik-Koordinator der Regierung, sind zurzeit als Beobachter auf dem Parteitag der Republikaner. In einem Radiointerview sprach Spahn sich dafür aus, die gemeinsamen Interessen mit den USA in den Vordergrund zu stellen. Dabei gab er Trump auch in etlichen Punkten recht, wie der Notwendigkeit höherer Militärausgaben, sowie der Kritik an der deutschen Energieabhängigkeit von Russland.

    Gemeinsame Interessen?

    Die große Gemeinsamkeit und zugleich das größte Druckmittel ist für Spahn der Konflikt mit dem großen Konkurrenten China: „Ihr wollt aus guten Gründen, dass wir weniger mit China machen. Dann müsst ihr aber auch bereit sein, mehr Handel mit uns zu machen. Wir sind Exportnation, wir brauchen Handel für unseren Wohlstand.“

    Die Frage der Außenpolitik einer Trump-Regierung bleibt für Spahn und Co. entscheidend. Abhängig ist diese vor allem von dem Einfluss dreier unterschiedlicher Lager auf Trump:

    • den „Begrenzer:innen“ wie JD Vance, die sich gegen die expansive Außenpolitik der USA richten und eine Konzentration aufs Inland fordern,
    • den „Prioritisierer:innen“, welche die Begrenzung des chinesischen Imperialismus als Hauptziel und die des russischen nur als Nebeninteresse haben,
    • und den „Vorrangstellern“, denen zufolge die USA in allen strategisch wichtigen Regionen der Welt eine führende Rolle übernehmen sollten.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News