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Sonntag, September 8, 2024
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    Zypern: 50 Jahre nach der Invasion geht der Kampf gegen die NATO weiter

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    Vor 50 Jahren fiel die Türkei in Zypern ein. Bis heute wird auf der Insel für nationale Selbstbestimmung und gegen die NATO-Besatzung gekämpft. – Ein Kommentar von Julius Strupp.

    Für viele Menschen in Deutschland ist Zypern vor allem eine Urlaubsinsel im Mittelmeer, auf der man die Seele baumeln lassen kann. Dass das Land als einziges innerhalb der Europäischen Union unter NATO-Besatzung steht und von imperialistischen Mächten geteilt wurde, weiß hier kaum jemand. Am 20. Juli 1974 fielen türkische Truppen in das Land ein, nachdem Griechenland wenige Tage vorher einen Putsch mit dem Ziel organisiert hatte, die Insel zu annektieren.

    Das Ergebnis ist eine Situation, die bis heute anhält: Rund 60 Prozent der Insel werden durch die völkerrechtlich anerkannte Regierung im Süden regiert, die UN unterhält eine demilitarisierte Zone, der Rest wird durch die Türkei besetzt. Außerdem haben Frankreich, England und Griechenland Militärbasen im Land.

    Warum interessieren sich die Imperialisten für Zypern?

    Auf Zypern leben 1,1 Millionen Menschen auf einer Fläche, die ungefähr der Hälfte des Freistaats Sachsens entspricht. Es leuchtet also nicht auf den ersten Blick ein, dass das Land eine besondere politische Wichtigkeit hat. Tatsächlich hat es aber eine sehr zentrale Bedeutung für den Machtkampf zwischen den kapitalistischen Ländern in Westasien und Nordafrika.

    Auch für England, das die Insel 1878 vom Osmanischen Reich überschrieben bekam, hat die Insel immer wieder eine wichtige Rolle in der eigenen Weltmachtpolitik gespielt: „Nur durch anhaltende Souveränität über diese Insel ist Britannien in der Lage, seine strategischen Verpflichtungen in Europa, im Mittelmeer und Mittleren Osten zu erfüllen“, so der damalige britische Kolonialminister 1954. Auch als „unsinkbaren Flugzeugträger“ bezeichnete er das Land.

    Seine Position im Mittelmeer zwischen den drei Kontinenten Afrika, Asien und Europa lässt das kleine Zypern eine Schlüsselrolle im Kampf um die angrenzenden Länder spielen. So hat England seine Stellungen auf der Insel in jüngster Vergangenheit während des aktuellen Gaza-Kriegs für seine Angriffe auf die Huthis im Jemen genutzt.

    Teile und herrsche

    Insbesondere Großbritannien hat historisch versucht, seine Herrschaft auf Zypern durch die Spaltung der lokalen Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Diese besteht nämlich aus verschiedenen Gruppen, die jeweils unterschiedliche Sprachen sprechen. Die meisten sprechen türkisch oder griechisch, aber es gibt auch aramäisch- sowie armenisch-sprechende Zypriot:innen.

    Seit der Invasion der Türkei sind die türkisch- und griechisch-sprachigen Zypriot:innen vollkommen voneinander getrennt. Waren die Ortschaften früher noch sprachlich durchmischt, leben die meisten türkisch-sprachigen Zypriot:innen heute im von der Türkei abhängigen De-Facto-Staat im Norden, die meisten griechisch-sprachigen im Süden der Insel.

    Dazu kommen Siedler:innen aus der Türkei. Diese sind inzwischen gegenüber den türkisch-sprachigen Zypriot:innen in der Überzahl und sollen vor allem politische Fakten schaffen, die eine Befreiung Zyperns erschweren.

    Revolutionär:innen für gemeinsamen Kampf gegen Besatzung

    Währenddessen setzen fortschrittliche Kräfte in Zypern auf den gemeinsamen Kampf aller Zypriot:innen gegen die NATO-Besatzung. Eine Organisation, die sich diesen Kampf auf die Fahnen geschrieben hat, ist die „Union of Cypriots” (deutsch: Union der Zypriot:innen), die sich selbst als größte antiimperialistische und fortschrittliche Bewegung auf Zypern sieht und für ein „vollständig unabhängiges und einheitliches Zypern“ kämpft.

    Grundlage dafür ist ihre Überzeugung, dass die Zypriot:innen ein vereintes Volk mit einem Schicksal jenseits der imperialistischen Unterdrückung sind. Diese Überzeugung ist auch nicht aus der Luft gegriffen: Immer wieder haben Zypriot:innen verschiedener Sprachgemeinschaften miteinander gegen die gemeinsame Unterdrückung gekämpft. Ein bekanntes Beispiel aus der Arbeiter:innenbewegung ist ein Bergarbeiterstreik, der 1948 über vier Monate von tausenden türkisch- und griechisch-sprachigen Zypriot:innen gemeinsam organisiert wurde.

    Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 88 vom Juli 2024 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.

    • Autor bei Perspektive seit 2019, Redakteur seit 2022. Studiert in Berlin und schreibt gegen den deutschen Militarismus. Eishockey-Fan und Hundeliebhaber. Motto: "Für alles Reaktionäre gilt, dass es nicht fällt, wenn man es nicht niederschlägt."

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