…im Leben einer Frau. Ein Kommentar von Lisa Alex
Ich gehe die Straße lang zur S-Bahn. Es ist mal wieder der reinste Spießroutenlauf. Erst kommt mir ein Mann entgegen, als ich vorbei gehe, dreht er sich um und ruft mir nach „hübsche Frau!“. Die Typen vorm Späti pfeiffen mir hinterher. Gedanken wie „Habe ich etwas falsch gemacht?“ oder „Hätte ich doch keine Leggins anziehen sollen?“ schießen mir durch den Kopf. „Nein“ sage ich mir, „du hast nichts falsch gemacht. Diese Typen sind das Problem. Du kannst dich kleiden wie du willst“. Trotzdem ziehe ich an meinem Pullikleid, um sicher zu gehen, dass wenigstens meinen Po von ihm bedeckt ist.
In der S-Bahn angekommen setze ich mich auf einen der freien Plätze, schlage die Beine übereinander, bedacht darauf, dass die anderen Leute neben mir genug Platz haben. Bei der nächsten Station, steigt ein Mann mittleren Alters ein. Er setzt sich neben mich, seine Beine weit auseinander gespreizt, sodass sein Bein meine berührt. Ich versuche meine Beine noch weiter zu verknoten, um die Berührung zu vermeiden. Zwecklos, schmaler als ich bin, kann ich mich auch nicht machen. Ich versuche zu ignorieren, dass seine Beine meine berühren. Auch das gelingt mir nicht. Erst vor einigen Tagen hat mir eine Freundin erzählt, dass ihr ein Mann, der sich in der Bahn neben sie gesetzt hatte, die Hand auf ihren Schenkel legte. Sie war so überrumpelt, dass sie gar nicht reagieren konnte. Erst als der Mann begann, seine Hand weiter nach oben wandern zu lassen, ist sie aufgesprungen und ausgestiegen. Sie hat sich geschämt, als sie mir das erzählte, weil sie nichtmal gesagt hatte, dass sie das nicht möchte. Die Ansage in der Bahn reißt mich aus den Gedanken. „Nächste Station, Alexanderplatz“. Ich atme durch. Es ist nichts passiert, trotzdem bin ich froh endlich aussteigen zu können.
Am Abend – ich bin mit ein paar Freunden in einer Bar – habe ich das ganze fast schon wieder vergessen. Wir sind in ausgelassener Stimmung, eine unserer Freundinnen feiert ihren Geburtstag. Es wird getrunken, getanzt und viel gelacht. Der Abend geht in die Nacht über, es wird spät. Einige unserer Freunde sind schon gegangen. Außer mir sind nur noch zwei meiner Freundinnen geblieben.
Meine Freundinnen wollten gerade Getränke an der Bar holen, als eine Gruppe von Männern auf die Tanzfläche kommt. Ich nehme sie nur im Augenwinkel wahr und tanze weiter. Auf einmal merke ich, dass sie einen Kreis um mich gebildet haben und ich in ihrer Mitte tanze. Ich versuche mich von ihnen weg zu bewegen, aber sie versperren mir jedes Mal den Weg, wenn ich an ihnen vorbei gehen will. Ich werde wütend und verzweifelt. „Was soll das??“ frage ich einen von ihnen. „Was machen wir denn?“ fragt er grinsend zurück. „Ihr versperrt mir den Weg!“, sage ich etwas wütender. „Hab dich doch nicht so. Wir machen doch nur Spaß!“, sagt er. Er greift nach meinem Arm und zieht mich ganz nah an sich heran, drückt seine Hüfte an meine und versucht mit mir zu tanzen. Ich schubse ihn von mir weg. Er ist zu groß und zu stark, sodass ich mich nicht ganz von ihm losmachen kann. Er zieht mich wieder an sich heran. Diesmal greift er dabei mit seiner Hand meinen Po. Ich winde mich in seinem Griff, schaffe es aber nicht mich daraus zu befreien. Meine Verzweiflung steigt, genauso wie meine Wut. „Lass mich los!“ schreie ich. Er lacht nur.
Plötzlich wird sein Arm von mir weggerissen. Ich drehe mich um. Eine meiner Freundinnen steht mit Wut verzerrtem Gesicht vor ihm. „Lass sie los, Arschloch!“ Er macht einen Schritt auf sie zu. In diesem Moment, meine Verzweiflung ist nun vollkommen in Wut umgeschlagen, balle ich meine Fäuste und schlage zu…
Als Frauen sind wir tagtäglich solchen oder ähnlichen Angriffen ausgesetzt. Jede zweite Frau in Deutschland ist mindestens einmal in ihrem Leben belästigt worden (Link). Erst kürzlich gab die Berliner Polizei gegenüber der BZ an, dass im vergangenen Jahr mehr als doppelt so viele Anzeigen wegen sexueller Übergriffe in Bussen und Bahnen eingingen, als noch 2016 (Link). Das zeigt zum einen die zunehmende Zahl von Angriffen in der Öffentlichkeit. Zum anderen zeigt dies aber auch, dass sich Frauen diese Zustände nicht länger gefallen lassen und beginnen sich selbst dagegen zu verteidigen – so wie die junge Frau in meiner Geschichte.
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