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Freitag, November 8, 2024
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    Filmkritik: „Karl Marx – ein deutscher Prophet“

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    Arte und ZDF wissen nicht wie man Geburtstag feiert – ein Kommentar von Anton Dent

    Die Menschen stehen auf runde Geburtstage und in diesem Jahr wird der zweihundertste von Karl Marx gefeiert. Warum nicht die aktuelle Weltlage mit all seinen Krisen Anlass genug sein sollte, sich die Frage über die Aktualität des marxistischen Denkens zu stellen, erschließt sich mir nicht. So haben wir in diesem Jahr allerlei Buchpublikationen, Zeitungsartikel, Fernsehsendungen, Feste und Konferenzen. Ich weiß auch nicht, wer die Einladungskarten geschrieben hat, doch es scheint, dass alle zur Geburtstagsparty eingeladen wurden, und jede/r seinen Senf dazu gibt.

    Auch das ZDF und Arte haben sich nicht bitten lassen und ein eigenes Doku-Drama mit dem Titel „Karl Marx – Ein deutscher Prophet“ produziert. Marx wird hier von dem großartigen Schauspieler Mario Adorf gespielt. Sein Lebensziel war es, genau diese Rolle zu spielen, dies hat er nun nach über 60-jähriger Schauspielerkarriere endlich erreicht. Adorf hat sich für diese Produktion tatsächlich in Karl Marx verwandelt und eine gute künstlerische Leistung vollbracht.

    Doch auch wenn er Marx Leben einhauchen konnte, war die Doku langweilig und trivial. Es ist halt generell die Frage zu stellen, wie man eine Fernsehproduktion über das Leben eines Mannes gestalten kann, dessen Lebenswerk zum Großteil darin bestand, zu lesen, zu denken, zu schreiben und zu diskutieren. ARTE und ZDF jedenfalls haben gezeigt, wie man es schlecht macht, denn das Geringste, was man zum 200. Geburtstag dieses großen Denkers braucht, ist eine Doku, deren Leitmotiv darin besteht, dass Marx arm war, seine Familie nicht ernähren konnte und von den Almosen seines Weggefährten Engels leben musste.

    Das Ganze ist auch nicht damit zu rechtfertigen, dass es einem „Möchtegern tiefgründig“ als persönlicher Widerspruch von Marx verkauft wird. Weil man anscheinend gespürt hat, dass das ein bisschen mager war, bemühte man sich noch, gegen Ende einen Höhepunkt aufzubauen, der darin bestand, dass Marx wohl fremdgegangen ist und ein Kind mit der Haushälterin der Familie gezeugt hatte, auch wenn das unter Historikern bei weitem keine eindeutige Tatsache darstellt.

    Es spricht natürlich nichts dagegen, auch mal das Privatleben von Marx zu beleuchten und gerne auch seine Schattenseiten, wie sein wohl gelegentliches Arschloch-Verhalten, aber 90 Minuten High Quality-Fernsehen hätte man tatsächlich besser nutzen können.

    Der Hauptstrang der Geschichte begleitet die letzten 3 Jahre von Marx, in denen er sich davor drückt, den 2. Band des Kapitals endlich fertig zu schreiben, mit seiner Gesundheit kämpft und mit seinen Töchtern in Erinnerungen schwelgt, die dann als Nebenstrang verschiedene Lebensabschnitte präsentieren. Zwischendurch dürfen dann immer wieder einige „ExpertInnen“ zu Wort kommen, jedoch keine MarxistInnen. Wahrscheinlich weil Marx ja selbst über sich gesagt haben soll, dass er kein Marxist war, wie die Doku nicht müde wird zu wiederholen. So darf sich beispielsweise die Wirtschaftsjournalistin beim Handelsblatt und Jury-Mitglied des Ludwig-Erhard-Preises, Ursula Weidenfeld, oder auch Rainer Voss, ehemaliger Investmentbanker und heutiger Privatier zu Marx, seinem Leben und seiner Aktualität äußern. Wirklich Erhellendes, so viel darf verraten werden, kam von denen nicht.

    Was man bei einer Biographie über Marx, die sich mehr mit seinen privaten Nöten als mit seinem Denken auseinander setzt, dann aber doch nicht fehlen darf, ist die Erkenntnis, dass ab 1917 alles nur noch „Katastrophe“ gewesen sei und mit Marx sowieso nichts zu tun habe. In gerade mal einer Minute scheucht man Lenin, Stalin und Mao durchs Bild, platziert ein paar Buzzwords wie „Diktatur“ und „Feind zerschlagen“ – und bleibt dann dabei stehen, dass Marx ein ‚Philosoph der Freiheit‘ war.

    Alles in allem wird dieses Doku-Drama Karl Marx nicht gerecht, dessen interessantester Teil sich hinter seiner Stirn befand. Es wird versucht, diesen leidenschaftlichen Feind der kapitalistischen Ordnung zu befrieden und ihm gerade mal so viel Anerkennung zu zollen, wie man selber bereit ist, die üblen Folgen der heutigen Wirtschaftsweise als problematisch anzuerkennen. Also ein bisschen mehr für die Umwelt tun, ein bisschen die Schere zwischen arm und reich schließen, und alles wird gut.

    Ich bin überzeugt, dass Marx sich ein wenig mehr zum Geburtstag gewünscht hätte. Wer also noch nach einem Geschenk zum 200. sucht, kann es mal mit Organisierung, Aktion und Reflexion versuchen.

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