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Freitag, März 29, 2024
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    8. März: Frauenkampftag statt Feiertag

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    Jede Regierungspartei wirbt für die Ampelkoalition als eine feministische Regierung – dann müssen wir ja nur noch warten, bis der 8. März als Weltfrauentag bundesweit zum Feiertag wird! Oder nicht? – Ein Kommentar von Olga Wolf

    Zwar besetzt nun mit Olaf Scholz wieder ein Mann das Kanzler:innenamt, der sagt aber von sich selbst: „Gerade deshalb bin ich Feminist. Für mich war immer klar: Frauen gehört die Hälfte der Macht.“ Er schlussfolgert: Das Kabinett, dem er nun vorsitzt, muss paritätisch besetzt sein. Das bedeutet, dass Männer und Frauen – geschlechtliche Vielfalt ist in der SPD noch nicht angekommen – zu gleichen Teilen im Kabinett vertreten sind. Können wir als kämpferische Frauen also an diesem 8. März, nach mehr als hundert Jahren Frauenkampf, eine Verschnaufpause einlegen? Von wegen!

    Frauen schultern die Krisen

    Das Patriarchat sorgt dafür, dass der Staat in der Pandemie die Für- und Vorsorge ganz bequem auf privaten Schultern abladen kann. Ohnehin wird nur ein kleiner Teil der reproduktiven Arbeit gesellschaftlich organisiert, wie etwa ein Teil der Kinderbetreuung und -bildung. In der Pandemie waren es vor allem Mütter, die unter den erschwerten Bedingungen bis weit über die Belastungsgrenze gearbeitet haben.

    Das selbe gilt für die Wirtschaftskrise. Viele Arbeiter:innen waren durch Kurzarbeit erheblichen finanziellen Engpässen ausgesetzt. Frauen sind häufiger prekär beschäftigt, sie hatten oft schlicht kein Recht auf Kurzarbeit. Als flexibles Polster für das Kapital wurden viele Minijobberinnen und Arbeiterinnen in Teilzeit so kurzerhand gekündigt.

    Deutschland ist europäischer Spitzenreiter, wenn es um die geschlechtergetrennte Arbeitsteilung geht: Familien sind häufiger als in anderen Staaten von einem Lohn, dem des männlichen Brötchenverdieners, abhängig. Die Wirtschaftskrise betrifft Frauen nicht nur durch finanzielle Nöte, sondern auch mit der einhergehenden vermehrten finanziellen Abhängigkeit vom Mann. In Verbindung mit der grassierenden häuslichen Gewalt ist das eine höchst gefährliche Mischung.

    Nimmt die Ampel uns diese Last?

    Die Ampelkoalition hat im Wahlkampf so einiges versprochen. Alle Parteien haben sich auf irgendeine Weise zum „Feminismus“ bekannt. Das ist nicht einmal gelogen: “Feministisch” kann ja auch bedeuten, sich dafür einzusetzen, dass das eigene Geschlecht die Chancen in einem ausbeuterischen Arbeitsmarkt weder verbessert noch verschlechtert.

    Das ist aber nicht die Geschlechterbefreiung, für die der 8. März als Kampftag der Arbeiterinnen ins Leben gerufen wurde. Im Gegenteil: Der deutschen Kommunistin Clara Zetkin, die als Begründerin dieses Tages gilt, ging es um etwas anderes.

    Denn den Tag widmete sie dem Kampf um das Wahlrecht für Frauen, doch sie sagte auch: “Das Stimmrecht ohne ökonomische Freiheit ist nicht mehr und nicht weniger als ein Wechsel, der keinen Kurs hat”. Das Frauenwahlrecht war ein wichtiger und zu der Zeit aktueller Anlass, aber Clara Zetkin widmete ihr Leben der Aufgabe, Arbeiterinnen zu organisieren, damit sie selbst ihre Forderungen durchsetzen können. Für die vollständige Verwirklichung dieser Forderung und für die Befreiung der Frau sah sie nur eine Möglichkeit: den Aufbau des Sozialismus.

    Frauenstreik statt Feiertag!

    Die Regierungsparteien nennen sich feministisch, weil sie auf den immer stärker werdenden Protest – etwa gegen das Abtreibungsverbot – reagieren müssen. Wenn jedes Jahr trotz der Pandemie mehr Frauen, nicht-binäre und trans Personen auf die Straße gehen, um für ihre körperliche Selbstbestimmung zu kämpfen, können sie das nicht unbeantwortet lassen. Den §219a StGB, das Werbeverbot, haben wir gemeinsam auf der Straße gekippt – das war kein plötzlicher Sinneswandel der SPD, die noch vier Jahre vorher ihren Reformvorschlag zurückzog.

    Uns kann egal sein, wie viele Frauen im Kabinett mit daran beteiligt sind, menschenfeindliche Auslandseinsätze zu planen. Dass unter den Leuten, die die Situation von Minijobber:innen und Teilzeitkräften noch prekärer machen, auch weibliche Abgeordnete sind, ist kaum ein Fortschritt – denn damit zementieren sie die Abhängigkeit und prekären Lebensbedingungen tausender anderer Frauen.

    Die selbsterklärte feministische Bundesregierung ist für uns keine Gelegenheit zum Ausruhen. Stattdessen gilt es ihr zu zeigen, dass wir uns mit symbolischen Akten nicht zufrieden geben. Während in unserem Nachbarland, der Schweiz, am 8. März ein Frauenstreik die größeren Städte lahmlegt, will die Berliner Landesregierung dem zuvorkommen und erklärte den Tag zum Feiertag. Das soll uns nicht aufhalten: Wir organisieren uns trotzdem und tragen unsere Forderung auf die Straße, wie es am 8. März Frauen auf der ganzen Welt tun.

    • Perspektive-Autorin seit 2017, Redakteurin seit 2018. Aus dem Rheinland, Sozialwissenschaftlerin. Schreibt am liebsten über das Patriarchat und internationale Frauensolidarität dagegen.

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