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Sonntag, September 8, 2024
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    Biden tritt von Kandidatur zurück – Kamala Harris soll übernehmen

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    Nach mehreren verwirrten Auftritten in der Öffentlichkeit nahm der Druck auf US-Präsident Biden zu. Seine Kandidatur soll nun Vize-Präsidentin Kamala Harris übernehmen. Bei der Wahl gibt es aber nur eine echte Alternative. – Ein Kommentar von Nick Svinets.

    Schon im Vorfeld des Rücktritts häuften sich kritische Stimmen aus den Reihen der Demokratischen Partei. Das Vertrauen in Biden und die Zuversicht in einen Wahlsieg der Demokraten bei der Präsidentschaftswahl im November sei verloren. Selbst hochrangige Politiker:innen der Partei riefen in den letzten Tagen ihre Unterstützung zurück. Die Umfrageergebnisse sagen schon seit Wochen einen Wahlsieg des Republikaners Donald Trump vorher.

    Krise bei US-Demokraten – viele fordern Bidens Rücktritt

    In den letzten Monaten kam es gleich mehrmals zu Vorfällen in der Öffentlichkeit, die daran zweifeln ließen, ob der 81-Jährige Joe Biden gesundheitlich und psychisch überhaupt in der Lage sei eine weitere Amtszeit anzutreten. Mehrfach fiel er in der Öffentlichkeit verwirrt, fast schon dement, auf – so auch beim Besuch des ukrainischen Staatschefs Selenski, anlässlich des NATO-Gipfels. Biden kündigte Selenski dort als „ukrainischen Präsidenten Putin“ an. Auch seine Aussetzer beim TV-Duell zwischen dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump und dem Amtsinhaber sorgten in den Reihen der Demokratischen Partei und besonders in der Gesellschaft für massives Misstrauen.

    Kamala Harris neue Präsidentschaftskandidatin?

    Im Statement vom Sonntagabend verkündete Biden nicht nur sein Ausscheiden aus dem Präsidentschaftsrennen, sondern benannte auch schlagartig seinen Ersatz. Die Nominierung von Vizepräsidentin Kamala Harris ist die Antwort der Demokraten auf die desaströsen Umfrageergebnisse. Von der 59-Jährigen erhofft sich die Partei wieder vereint zu werden und einen wirklichen Gegenpol zu Donald Trump aufzubauen.

    Die endgültige Bestätigung der oder des Präsidentschaftskandidat:in erfolgt traditionell auf dem Parteitag der Demokratischen Partei im August. Basierend auf dem Delegiertensystem waren diese Parteitage in den letzten Jahrzehnten meist nur eine Formsache. Durch Bidens Rücktritt würde dies erstmals seit langer Zeit wieder zu einer offenen Diskussion und einem neuen Wahlkampf um die dann ungebundenen Delegierten führen.

    Es wird aber schon jetzt von Parteifunktionär:innen erwartet, dass es keine Gegenkandidat:innen geben wird, die so kurz vor der Wahl noch um die innerparteiliche Gunst kämpfen würden.

    Donald Trumps Antwort

    Während der demokratische Kandidat um seine Glaubwürdigkeit und die Fähigkeit eine weitere Amtszeit anzutreten bangte, fährt Donald Trump den wohl einfachsten und amerikanischsten PR-Sieg schlechthin ein, in dem er kürzlich ein Attentat überlebte, bei dem er leicht verletzt wurde. Unter seinen Anhängern, aber auch von Rechten weltweit, wird er dafür so sehr gefeiert, dass viele Menschen ihm jetzt schon den Wahlsieg im November attestieren.

    Anschlag auf Trump: Die Gewalt ist in dieser Gesellschaft Alltag

    Schon kurz nach dem Statement Bidens schrieb der Milliardär und ehemalige Präsident Trump auf seiner Social-Media Plattform Truth Social, dass Kamala Harris noch einfacher zu besiegen sei. Am selben Tag lief schon die erste Hetzkampagne gegen Kamala Harris seitens der Wahlkampfmaschinerie Trumps auf der Social-Media Plattform X, die dem milliardenschweren Trump-Befürworter Elon Musk gehört.

    Weder Trump, noch Biden oder Harris

    Während Joe Biden von Vermonts Senator Bernie Sanders als „arbeiterfreundlichster Präsident der modernen US-Geschichte“ betitelt wird, zeichnet sich in der Amtszeit eine andere Linie ab. In den USA steigt die Armut, das Gesundheitssystem funktioniert weiter im Interesse des Kapitals und lässt Arbeiter:innen bewusst sterben oder in Süchte verfallen. Auf Streiks und Demonstrationen der Arbeiter:innenklasse wird mit Repressionen geantwortet.

    Gleichzeitig finanziert die US-amerikanische Staatskasse weiter den Imperialismus und die Kriegsbestrebungen seiner Verbündeten. Die USA sind zudem mit Abstand vor der Bundesrepublik Deutschland, der größte Unterstützer des zionistischen Apartheidsregimes in Israel. Der Genozid in Gaza wird nicht nur von den USA mit allen Mitteln gestützt, sondern steht auch im vollem Interesse des US-amerikanischen Kapitals.

    „Eine neue Welt wird es unter Joe Biden nicht geben.“

    Donald Trumps Politik zeichnet eine ähnliche Linie, die sich zumindest halbwegs zu dem bekennt, was sie wirklich ist: rechts bis hin zu faschistischen Vorhaben. Genauer zu erwarten sind weitere Marktliberalisierungen, die die Ungleichheit und Armut im Land vergrößern und die Rechte der Arbeiter:innen weiter schwächen. Trump hat während seiner Amtszeit gezeigt, dass er nur die Interessen der US-amerikanischen Kapitalist:innen vertritt.

    Das verdeutlicht auch J.D. Vance, den Trump kürzlich zu seinem Vize-Kandidaten ernannte. Sein Venmo-Account zeigte, dass er nicht nur Verbindungen zu den wichtigsten Geldgeber:innen des republikanischen „Projekts 2025“, sondern auch zu wohlhabenden Finanziers, Technologieführer:innen, Pressekonzernen und anderen Absolventen der Yale Law School hat. An der „Anti-Establishment“-Rhetorik von Trump und Vance ist also nichts als Heuchelei, denn sie vertreten die Interessen der Eliten, gegen die sie sich vorgeblich auflehnen.

    Zudem hat Trump extrem rechten und faschistischen Kräften Raum gegeben, den politischen Diskurs massiv nach rechts zu verschieben und demokratische Rechte wie das Recht auf Abtreibung, queere Rechte, Wahlrecht und Einwanderer:innenrechte anzugreifen. Auch die Außenpolitik ist geprägt von Antikommunismus und Imperialismus. So verschärfte er nicht nur das Embargo gegen Kuba, sondern verschärfte auch den Konflikt in West- und Ostasien durch seine massive Unterstützung Israels und die Kriegsdrohungen gegen den Iran, Nordkorea und China.

    Demokraten bringen keinen Fortschritt

    Was genau von der nominierten demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris zu erwarten ist, wird sich nicht fundamental von der Linie Bidens unterscheiden. Die arbeiter:innenfeindliche, prokapitalistische und imperialistische Politik wird mit der ersten Frau im Präsident:innenamt nicht aufhören. Während Linksliberale sich durch den Fakt, dass Kamala Harris eine Frau ist, eine Kehrtwende in der Politik erhoffen, wird sich sehr wahrscheinlich eine identische Politik im Interesse des Kapitals abzeichnen.

    Den Menschen, die direkt unter dem US-Imperialismus leiden, wird es sicherlich nicht kümmern, ob eine Frau anordnet ihre Wohnhäuser und die Infrastruktur zu bombardieren oder die Arbeiter:innen im globalen Süden für den Luxus Weniger im globalen Norden auszubeuten. Auch ihr Migrationshintergrund ist kein Indikator für irgendeine Veränderung in der politischen Linie. Wie wir auch hier in der BRD sehen, passiert es ganz schnell, dass migrantische Politiker:innen die Abschiebepolitik, den Militarismus der Ampel oder die Unterstützung des Genozids in Gaza befürworten oder rechte Diskursverschiebungen gegen migrantische Arbeiter:innen bedienen oder aktiv reproduzieren.

    Was es stattdessen wirklich braucht, ist eine Politik gestaltet von Arbeiter:innen für die Interessen der Vielen, statt für die Interessen der Wenigen. Doch das würde eine Abkehr vom politischen System der USA erfordern, wofür Kamala Harris, wie Biden und Trump schlichtweg nicht stehen.

    • Perspektive-Autor seit 2024 und Politikwissenschaftsstudent mit Fokus auf Westasien & Sahelzone, Migration, Antirassismus, Antimilitarismus und internationale Klassenkämpfe.

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