`
Sonntag, September 8, 2024
More

    Kriegsdienstverweigerung in Israel: Der Widerstand muss tiefer greifen

    Teilen

    In den letzten 10 Monaten hat sich Israel nachweislich zahlreicher Kriegsverbrechen schuldig gemacht. Immer wieder verweigern Wehrpflichtige den Dienst. Doch der Protest der Israelis geht nicht weit genug. – Ein Kommentar von Marius Becker.

    Fast täglich gibt es Berichte über Angriffe des israelischen Militärs auf den Gazastreifen bei denen zivile Einrichtungen zerstört und unbeteiligte Menschen getötet wurden. Die Vereinten Nationen, zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und auch Staaten wie Südafrika und Spanien kritisieren diese Angriffe seit Monaten scharf und werfen der israelischen Regierung Kriegsverbrechen vor. Der internationale Protest gegen diesen Krieg und die Besatzung im Allgemeinen war schon lange nicht mehr so groß wie in den vergangenen 9 Monaten.

    Doch auch in der israelischen Gesellschaft gibt es Widerstand. Regelmäßig bilden sich Massenproteste in verschieden israelischen Städten bei denen der Rücktritt von Premierminister Netanjahu und die Freilassung der Geiseln gefordert werden. Allerdings geht es bei diesen Protesten nur selten um das Wohlergehen der palästinensischen Bevölkerung. Die aktuelle Kriegsführung wird nur kritisiert, weil die Befreiung der israelischen Geiseln offensichtlich keine Priorität hat. Dass palästinensische Schulen, Krankenhäuser und Flüchtlingsunterkünfte zerbombt werden, scheint in den Augen der israelischen Öffentlichkeit weitestgehend akzeptabel zu sein.

    Wie funktioniert die Killer-KI im Gaza-Krieg?

    Reservisten legen Kriegsverbrechen dar

    Gibt es auch solidarischen Widerstand in Israel? Ja, den gibt es in der Tat. Beispielsweise kommt es immer wieder zu Verweigerungen der Wehrpflicht. In Israel herrscht eine Wehrpflicht für Männer und Frauen, bei der es im Gegensatz zur BRD kein Recht gibt, den Dienst an der Waffe zu verweigern. Wer sich doch weigert muss mit harten Konsequenzen rechnen, die bis zu einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe reichen können. Doch einige Menschen nehmen diese Konsequenzen in Kauf und gehen ins Gefängnis, um kein Teil der Besatzungsarmee zu werden.

    Dabei äußern einige öffentlich ihre Kritik an der israelischen Politik und bekunden Solidarität mit den Palästinenser:innen. Ein Beispiel dafür ist der israelische Reservist Michael Ofer Ziv. Er war bereits im Einsatz und hat aus einem Hauptquartier die Operationen seiner Einheit im Norden Gazas am Bildschirm überwacht. Dabei ist er Zeuge von Kriegsverbrechen geworden und legt diese gegenüber israelischen Medien offen. Er berichtet, dass es für Angriffe auf Schulen, Krankenhäuser und „humanitäre Korridore“ im Gazastreifen spezielle Freigaben bräuchte, die allerdings fast immer erteilt wurden. Dazu schilderte er: „Jedes Mal, wenn wir jemanden Unbekannten in der Gegend herumlaufen gesehen haben, wurde er erschossen. Jedes Mal, soweit ich mich erinnern kann.“

    Ein weiteres Beispiel ist Ishai Menuhin, ein ehemaliger Major der israelischen Armee, der sich später als Reservist weigerte, erneut in den Krieg zu ziehen und dafür ins Gefängnis musste. Heute berät er Wehrdienstverweigerer. Er äußerte sich folgendermaßen: „Ich denke, der patriotischste Akt im Moment ist es, den Wehrdienst zu verweigern. Bereit zu sein, ins Gefängnis zu gehen und sich zu weigern, ein Teil dieses furchtbaren Krieges zu sein, in dem Zivilisten in Gaza zum Ziel werden.“

    Kriegsgegner:innen in der Minderheit

    Auch wenn es diese erfreulichen Beispiele der Kriegsdienstverweigerer:innen gibt, so muss auch festgestellt werden, dass diese in der Minderheit sind. Für die meisten Israelis ist der gegenwärtige Krieg gegen Gazas Bevölkerung legitim.

    Doch um ein freies Palästina zu erreichen, muss in der israelischen Bevölkerung ein Umdenken stattfinden. Die koloniale Geschichte des Staates Israel und dessen gegenwärtige Unterdrückung des palästinensischen Volkes muss verstanden und anerkannt werden, damit eine Entkolonisierung stattfinden kann.

    Die Bevölkerung Israels muss verstehen, dass die Aufrechterhaltung der zionistischen Besatzung nur zu weiteren Konflikten führt. Dazu muss innerhalb der israelischen Gesellschaft der Zionismus als zutiefst reaktionäre Ideologie zurückgedrängt werden.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News