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Sonntag, September 8, 2024
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    Nervenschäden, Lähmungen und einfaches Geld – Lachgas als neue Trend-Droge

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    Lachgas wird bei vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen immer beliebter. Die gefährliche Droge erfreut sich gerade durch ihre leichte Verfügbarkeit an Kiosken, Automaten und im Einzelhandel an großer Beliebtheit. Gesundheitsminister Lauterbach will den Verkauf nun einschränken. – Ein Kommentar von Justin Beimler.

    Distickstoffmonoxid (N2O), bekannt als Lachgas wirkt euphorisierend und kann leichte Halluzinationen auslösenund vermeintliche Glücksgefühle erzeugen. Über das Einatmen gelangt das Gas in die Lunge, von wo aus es ins Blut gelangt und ins Gehirn weitergeleitet wird. Nach einigen Sekunden treten die gewünschten Effekte ein, doch der Rausch hält in der Regel nur wenige Minuten an.

    Lachgas wird regulär hauptsächlich in der Medizin bei Geburten und Zahnbehandlungen benutzt. Dabei besteht das Lachgas – so wie die Patient:innen es aus der medizinischen Behandlung kennen – aus einem Gemisch von Distickstoffmonoxid (N2O) und Sauerstoff. Anderenfalls würde es bereits nach kurzer Zeit zu einem Sauerstoffmangel in der Lunge kommen, was wiederum zu Organ- und Hirnschäden führt.

    Das Lachgas, das für den Konsum verwendet und frei verkäuflich angeboten wird, besteht aus reinem Distickstoffmonoxid. Wer also zu viel N2O einatmet, wird wegen Sauerstoffmangels bewusstlos. Unter anderem sind Schäden für das Nervensystem die Folge. Außerdem führt der unkontrollierte Sturz durch den schnellen Einritt der Bewusstlosigkeit oft zu Verletzungen am Kopf, die lebensgefährlich enden können. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will daher nun den Erwerb für Minderjährige einschränken.

    Steigender Konsum in Europa

    In Deutschland schlagen die Drogenberatungsstellen und viele Gemeinden bereits Alarm: Beratungsstellen berichten von immer mehr Betroffenen, die starke Nervenschäden, Lähmungen, Wahrnehmungsstörungen und Suchtprobleme durch den Konsum von Lachgas entwickelt haben. Dabei sind die Nervenschäden häufig irreversibel. In Frankfurt am Main gaben 2019 12 Prozent der 15- bis 18-Jährigen während einer Studie vom „Drug Research Centern der Universität Frankfurt an, bereits mindestens einmal Lachgas konsumiert zu haben. 2021 waren es 13 Prozent und 2022 bereits 17 Prozent der Jugendlichen. Der Trend geht also nach oben.

    Zudem wird bei genauerem Hinsehen deutlich, dass eine Unterscheidung des Alters der Konsument:innen wichtig ist. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene konsumieren Lachgas. So hat eine Studie in England gezeigt, dass Lachgas die zweitbeliebteste Droge bei den 16- bis 24-Jährigen ist – noch vor Alkohol. Besonders in Dänemark und den Niederlanden steigt der missbräuchliche Konsum und immer mehr Jugendliche inhalieren über 300 Kartuschen Lachgas am Tag.

    Lachgas am Automat kaufen

    Lachgas ist ein zugelassener Lebensmittelzusatzstoff und wird in Deutschland nicht im „Betäubungsmittelgesetz” geführt. Aus diesem Grund ist Lachgas frei verkäuflich und Besitz sowie Konsum nicht strafbar.

    Außerdem werben verschiedene Firmen, die das Lachgas herstellen, mit buntem und harmlosen Design. Der Marktführer „Exotic Whip” hat mittlerweile sogar Lachgas mit Geschmacksrichtungen im Sortiment. Geschmäcker wie Erdbeere, gepaart mit coolem Design sorgen für ein gelungenes harmlos wirkendes Image der Droge. Der leichte Zugang zu Lachgas am Kiosk, die die Droge häufig auch direkt zusammen mit den Luftballons verkaufen, verschärft das Problem.

    In den Niederlanden hatte sich ein besonders großer Markt gebildet. In Amsterdam hatten sich sogar kleine Unternehmen gebildet, die mit Lastenfahrrädern als Kuriere durch die Stadt fuhren und auf der Straße, besonders in Kneipenviertel, verkauften. Ein Lachgasverkäufer erzählte bereits 2019: „Ich verdiene echt wahnsinnig“. Zum 1. Januar wurde Lachgas in den Niederlanden daher verboten, um den Verkauf einzuschränken. Wie sich bei anderen Drogen zeigt, verschwinden die Drogen dadurch jedoch nicht vom Markt, sie werden lediglich an andere Orte verdrängt, wo sich der Verkauf der Kontrolle entzieht.

    Ursachen von Drogenkonsum

    Wie bei allen Drogen hat auch Lachgas seinen Ursprung in gesellschaftlichen Problemen, die durch den Kapitalismus hervorgerufen werden. Der Drang, sich zu betäuben, entspringt oft Ängsten und der Perspektivlosigkeit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die unter dem Leistungsdruck in Schulen, Unis und am Arbeitsplatz leiden. Da ist der Griff zu Alkohol, Lachgas oder Cannabis als Flucht in eine vermeintliche Sorglosigkeit Alltag für viele Menschen.

    Doch es sind eben nur flüchtige Momente. Der Wunsch nach Sorglosigkeit ist enorm menschlich, und sich danach zu sehnen, ist es auch. Doch was wie ein vermeintlicher Ausweg aus der kapitalistischen Hölle wirkt, ist der Anfang von der Hölle der Sucht und den körperlichen und psychischen Folgen des Konsums. Ein Verbot von Lachgas würde jedoch auch zu nichts führen – die Jugendlichen und jungen Erwachsenen würden sich anderweitig betäuben, solange es für viele dieses unbefriedigte Bedürfnis ohne Perspektiven gibt.

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