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Sonntag, September 8, 2024
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    Polen will russische Raketen innerhalb der Ukraine abfangen

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    Kurz vor dem NATO-Gipfel schließt Polen ein Abkommen mit der Ukraine, welches einen weiteren Schritt zur direkten Kriegsbeteiligung europäischer Länder darstellt. Auch dem chronischen Mangel an ukrainischen Soldat:innen soll mit der Einführung einer Legion aus ukrainischen „Freiwilligen“ geholfen werden.

    Kurz vor dem NATO-Gipfel zum 75-jährigen Bestehen des transatlantischen Kriegsbündnis westlicher Staaten in Washington haben die beiden Staatsoberhäupter der Ukraine und Polen, Präsident Wolodymyr Selenskyi und Ministerpräsident Donald Tusk, ein bilaterales Sicherheitsabkommen geschlossen.

    Neben weiteren Kampfjet-Lieferungen soll Polen ab sofort die Verantwortung tragen, einen Mechanismus zu entwickeln, mit dem „russische Raketen und Drohnen im ukrainischen Luftraum abgeschossen werden können“. Kurz: Polen soll einen Teil der Luftabwehr der Westukraine stellen und macht damit einen Schritt weiter in Richtung direkter Kriegsbeteiligung von EU-Staaten.

    Vorstöße, die angesichts der jüngsten Angriffe auf ein Kinderkrankenhaus in Kiew auf Gehör stoßen. Dort schlug am Dienstag eine Rakete in das größte ukrainische Kinderkrankenhauses Ochmatdyt ein und sorgte für internationale Empörung. Die Ukraine und die UN rechnen den Angriff eindeutig Russland zu, diese weisen die Anschuldigungen von sich und behaupten, bei der Rakete handele es sich um ein System des Typs NASAMS, welches von den USA und Norwegen entwickelt und der Ukraine zur Verfügung gestellt wurde.

    Ukrainische Geflüchtete sollen „freiwillig“ an die Front

    Neben der Vorbereitung einer direkten Kriegsbeteiligung wurde mit dem neuen Sicherheitsabkommen zwischen den beiden Ländern einer monatelangen Debatte eine konkrete Form gegeben. Es geht hierbei um die Diskussion, wie man Ukrainer:innen, welche aufgrund des Krieges das Land verlassen und in EU-Länder geflüchtet sind, zum Dienst an der Waffe an der “Heimatfront” überzeugen kann.

    In Deutschland werden diese Diskussionen mit Forderungen zur Abschaffung des Bürgergelds für ukrainische Geflüchtete und der Abschiebung von erwerbslosen Ukrainer:innen zurück ins Kriegsgebiet verbunden. Diejenigen, die sich im wehrfähigen Alter befinden, würden dann in die ukrainische Armee eingezogen und an die Kriegsfront geschickt werden. In der Ukraine ist man bereits dazu übergegangen, Häftlinge aus dem Gefängnis direkt an die Front zu schicken.

    Nun sollen mit der Schaffung einer „ukrainischen Legion“ als Teil des Sicherheitsabkommens ein Gerüst geschaffen werden, um Ukrainer:innen in Polen und anderen EU-Ländern als „Freiwilligenbataillon“ vom Kriegsdienst in der Ukraine zu überzeugen.

    Fragwürdig bleibt jedoch, wie freiwillig die Mobilisierung für dieses Bataillon wirklich bleiben wird. Erst im April hat der polnische Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz verkündet, dass man „schon lange vorgeschlagen [hat], dass wir der ukrainischen Seite dabei helfen können, dass Wehrpflichtige in die Ukraine gehen.“

    In der EU ist jedoch die Auslieferung aufgrund von Desertion oder Wehrdienstverweigerung verboten. Neben der Abschaffung von Sozialgeldern für ukrainische Geflüchtete oder der Abschiebung von erwerbslosen Ukrainer:innen stellt das Konzept einer „Freiwilligenlegion“ eher ein weitere „legale“ Option dar, um ukrainische Geflüchtete an die Front zu schicken.

    Ob Ukraine oder Syrien: Solidarität mit allen Geflüchteten!

    NATO-Gipfel in Washington im Zeichen des Krieges

    Dieses Abkommen wurde wenige Tage vor dem NATO-Gipfel in Washington beschlossen. Gerade angesichts der bevorstehenden Wahlen in den USA zwischen den umstrittenen Kandidaten Joe Biden (Demokraten) und Donald Trump (Republikaner) wird die Frage nach der weiteren und langfristigen Unterstützung der Ukraine durch die NATO und die Verteilung der Kostenlasten dafür eine zentrale Rolle spielen.

    Das Abkommen zwischen Polen und der Ukraine steht aber nicht zwangsläufig in Widerspruch zum kommenden NATO-Gipfel. Viel mehr könnte es zeigen, in welche Richtungen die Diskussionen dort laufen werden. Die USA ist bekanntermaßen weisungsgebend in der außenpolitischen Linie der NATO, besonders bei der Anpassung ihrer Linie im Ukrainekrieg.

    Eine eigenständigere Rolle Polens beziehungsweise allgemein europäischer Länder, insbesondere der führenden Mächten wie Deutschland oder Frankreich, in Fragen der Sicherheitspolitik und der Aufrechterhaltung von Waffenlieferungen an die Ukraine zur Zurückdrängung Russlands, ist schon lange ein erklärtes Ziel der USA, damit sie sich langfristig auf den Ausbau ihres Einflusses in Asien gegen ihren Hauptrivalen China konzentrieren kann.

    Auch angesichts der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft von Ungarns Ministerpräsident Orban, welcher der außenpolitischen Linie der NATO kritisch gegenübersteht und in den letzten Wochen für „Friedensmissionen“ nach Russland, die Ukraine und China gereist ist, ist es für die NATO-Kräfte umso wichtiger, dass die Unterstützung der Ukraine auf so viele Länder wie möglich ausgeweitet und gefestigt wird. Gerade führende europäische Mächte wie Deutschland und Frankreich können sich den Zusammenfall an der Ukrainefront aufgrund ihrer aktuellen geostrategischen Ausrichtung nicht leisten.

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