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Lindner will telefonische Krankschreibung abschaffen – Ärzt:innen warnen

Im Dezember 2023 wurde die telefonische Krankschreibung dauerhaft eingeführt. Nun fordert Finanzminister Lindner die Aufhebung dieser Regelung. Damit würden einige Gefahren einhergehen.

Während der Hochzeit der Corona-Pandemie wurde die telefonische Krankschreibung erstmals eingeführt, um den großen Andrang von Patient:innen in Hausarztpraxen abzumildern. Sie erleichtert es den Patient:innen, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ohne den Besuch häufig randvoller Arztpraxen zu erhalten.

Dadurch konnte das Infektionsrisiko in den Wartezimmern gesenkt und die bürokratische Arbeit für die Praxen erleichtert werden. Im Dezember 2023 wurde diese Regelung dann permanent eingeführt. Wer Symptome einer leichten Atemwegserkrankung hat, kann sich seitdem leichter krank schreiben lassen.

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Lindner fordert Abschaffung

Doch nun stellt der Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) diese Regelung infrage. Laut Lindner gebe es „eine Korrelation zwischen dem jährlichen Krankenstand in Deutschland und der Einführung der Maßnahme, die als guter Bürokratieabbau gedacht war“. Damit reiht er sich in die Forderungen von Unternehmen und Kapitalverbänden ein, die heutzutage über hohe Krankenstände klagen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), das als Think Tank deutscher Kapitalverbände wie dem BDA und BDI dient, forderte zuvor auf Grundlage einer eigenen Studie zum Krankenstand die Einschränkung der Telefon-Regelung.

Doch die erleichterte Krankschreibung ist nicht der ausschlaggebende Grund für diese hohen Zahlen. In den letzten Jahren gab es zwar tatsächlich eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Krankenfällen. Diese sind laut Daten des Robert-Koch-Instituts allerdings in erster Linie ein Resultat der besonders heftigen Grippe- und Erkältungswellen der letzten Jahre. Diese Wellen sind als Spätfolge der Corona-Maßnahmen zu interpretieren. Da es damals umfassende Kontaktverbote gab, kam das Immunsystem der Menschen seltener mit neuen Viren in Kontakt und ist daher heute anfälliger. Ärzt:innen reden daher von einem „Nachholeffekt“.

Ein weiterer Grund für die gestiegenen Zahlen bei den Krankmeldungen ist die elektronische Krankmeldung. Seit der Einführung dieser werden die Krankmeldungen nur noch elektronisch an die Krankenkassen gemeldet, und nicht mehr von den Patient:innen selbst mit dem gelben Zettel. Somit werden mittlerweile auch Krankmeldungen erfasst, die früher bei den Krankenkassen nicht eingegangen wären.

Der Hausärzt:innenverband spricht über die Telefon-Regelung zudem von einer medizinisch und versorgungspolitisch sinnvollen Entscheidung. Eine Rücknahme würde das Infektionsrisiko steigern und einen großen Bürokratieanstieg bedeuten.

Lohnarbeit macht krank

Neben diesen Ursachen gibt es noch einen weiteren Grund für die erhöhten Krankmeldungen. Die Lohnarbeit selbst belastet die Menschen in einem solchen Ausmaß, dass dadurch Krankheiten entstehen. Wer 40 oder sogar mehr Stunden pro Woche unter oft sehr stressigen Bedingungen arbeiten muss, um Miete und Essen zu bezahlen, der kann unter dieser Last leicht zerbrechen.

So sind heute auch auffällig viele Menschen von einem Burnout betroffen, der durch Überarbeitung ausgelöst wird. Unter AOK-Mitgliedern sind die Arbeitsunfähigkeitsfälle aufgrund von Burn-out-Erkrankungen beispielsweise zwischen 2014 und 2022 von 5,1 auf 6,8 Fälle pro 1000 Menschen gestiegen.

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