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Montag, Oktober 7, 2024
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    Die Liste der Milliardär:innen wächst

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    Trotz einer stagnierenden Wirtschaft gibt es in Deutschland so viele Milliardär:innen und Milliardärsfamilien wie nie zuvor. Wer sind die Kapitalist:innen, denen die deutsche Wirtschaft gehört? – Ein Kommentar von Mario Zimmermann.

    Das manager magazin hat seine jährliche Liste der 500 reichsten Personen und Familien in Deutschland veröffentlicht. Die aufgelisteten Vermögen reichen von mindestens 450 Millionen Euro bis hoch zu knapp 44 Milliarden. Die aufgelisteten Werte sind Schätzungen. Die tatsächlichen Vermögen liegen noch höher.

    Denn geschätzt wird die Höhe des „wirtschaftlichen, unternehmerischen Kapitals“, also der Wert der Firmen und Firmenanteile, die die Unternehmer:innen und ihre Familien besitzen. Die Schätzungen werden durch die Auswertung von wirtschaftlichen Daten ermittelt. Dazu gehören Unternehmensbilanzen des Handelsregisters, Bewertungen von Analyst:innen und weitere Methoden. Zusätzliche Privatvermögen, wie z.B. Immobilienvermögen oder weltweit verstreute Bankkonten werden nicht erfasst. Das manager magazin bezeichnet seine Schätzungen als „sehr konservativ“.

    Durch diese Berechnungen, vor allem aber durch drohende Rechtsklagen, ist diese Liste nicht vollständig. Das manager magazin verpflichtete sich deshalb einigen Kapitalist:innen gegenüber, sie nicht zu nennen. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit ermittelte für das letzte Jahr mindestens 11 Milliardär:innen und Familien, die deswegen nicht auf der Liste aufgeführt werden. Die Daten des manager magazins zeigen also nur die Spitze des Geldbergs.

    Das Bruttoinlandsprodukt sagt nichts über die tatsächliche „Wirtschaftsleistung” aus

    Entwicklung über die Jahre

    Neben den Auf- und Abstiegen in der Rangliste bietet vor allem die generelle Entwicklung der Rangliste wichtige Einblicke: Die viel diskutierte „Schere zwischen Arm und Reich“ geht weiter auseinander. Arbeiter:innen haben mit steigenden Mieten, Energie- und Lebensmittelpreisen zu kämpfen. Währenddessen werden bei Sparprogrammen ihre sicher geglaubten Arbeitsplätze in der Industrie abgebaut, um höhere Renditen an die Anteilseigner:innen auszuschütten.

    Auf der Liste der 500 Reichsten sitzen diejenigen, die davon profitieren – ihr Reichtum wird größer. Das Gesamtvermögen wird auf 1,1 Billionen Euro geschätzt. Das entspricht einem Zuwachs von 53 Milliarden Euro oder 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

    Dieses Jahr gibt es 249 Milliardär:innen und Milliardärsfamilien auf der Liste. Das sind 23 mehr als im letzten Jahr. Im Jahr 2014 waren es noch 154 Milliardäre und Milliardärsfamilien. Unter Einbezug der privaten Vermögen und derer, die nicht genannt werden dürfen, liegt ihre Zahl noch viel höher.

    Wer sind die reichsten Kapitalist:innen?

    Die reichste Familie Deutschlands findet sich nicht auf der Liste des manager magazins wieder. Die Nummer eins ist die Familie Böhringer und von Baumbach. Sie ist Inhaber vom Pharmakonzern Boehringer Ingelheim, dem vierzehnt-größten Pharmaunternehmen weltweit. Die Schätzungen ihres Vermögens reichen von mindestens 50 bis über 100 Milliarden Euro.

    An der Spitze auf der Liste des manager magazins steht Dieter Schwarz, der Gründer der Lebensmitteleinzelhandelsketten Lidl und Kaufland. Mit der Inflation hat sein Supermarkt-Imperium durch Preiserhöhungen Umsatz und Gewinn deutlich gesteigert. Sein Vermögen wird auf 43,7 Milliarden Euro geschätzt.

    Gefolgt wird er von den BMW-Erben Susanne Klatten und Stefan Quandt auf dem dritten Platz. Das Vermögen der Großaktionäre ist durch die Krise in der Autoindustrie und den Kursverlust von BMW auf 34,4 Milliarden Euro geschrumpft. Auch das Vermögen der Familie Porsche (Platz 9) ist in der Krise durch Kursverluste auf 19,4 Milliarden Euro gesunken.

    Den vierten Platz belegt die Familie Merck. Sie hält rund 70 Prozent der Anteile am Pharmakonzern Merck. Ihr Vermögen wird auf 33,8 Milliarden Euro geschätzt.

    Neues kommt, altes geht – Geld bleibt

    Der American – oder German – Dream, das Aufstiegsversprechen für die hart Arbeitenden im Kapitalismus, prägt noch heute das Bewusstsein von vielen Menschen. Wenige Ausnahmen werden uns immer wieder serviert, um dem Kapitalismus einen Schein von Legitimation und Gerechtigkeit zu geben. Mit der Einführung des Internet und durch die Digitalisierung sind tatsächlich einige Nerds in Garagen zu Großkapitalist:innen geworden. Sie sind und bleiben jedoch absolute Ausnahmen.

    Die historische Untersuchung zu Kapitalist:innen in Deutschland bestätigt dieses Bild: Familien, die teilweise auf Adelshäuser zurückzuführen sind, bestimmen seit Jahrzehnten oder teils Jahrhunderten die Wirtschaft der BRD und bereichern sich an unserer täglichen Arbeit. Wenn man nicht ganz so weit zurückgeht, wird es noch ungemütlicher für sie. Über die Zeit des Nationalsozialismus nämlich wird in den schillernden Familiengeschichten voller Tradition und unternehmerischen Geschicks gerne geschwiegen. Tatsächlich konnten namhafte Familien, die sich auch heute in den Listen des manager magazins wiederfinden, einen wichtigen Grundstein für ihren heutigen Erfolg in der Nazizeit legen – nicht selten auf dem Rücken von Zwangsarbeiter:innen.

    Heute erzielen sie Milliardengewinne, indem sie Arbeitsplätze nach Osteuropa, Brasilien, oder China auslagern und Arbeiter:innen jetzt international ausbeuten. Die Förderung der Ressourcen für ihre Produktion zerstört die globale Umwelt, auch wenn es Waffensysteme made in Germany sind, die z.B. in der Ukraine oder in Palästina eingesetzt werden.

    Während uns Fragen quälen, ob wir demnächst unseren Job verlieren, beschwört Olaf Scholz im 75. Jahr der Gründung der BRD die Nationale Einheit. Was er verschweigt: Die Schere geht bedrohlich auseinander: Kapitalist:innen und Arbeiter:innen, die 500 und wir – dazwischen liegen unüberwindbare Gräben.

    Wie die Arbeiter:innenklasse den deutschen Staat finanziert

    • Perspektive-Autor seit 2023. Lieblingsthemen: Militarisierung und Arbeitskampf. Lebt und arbeitet in Nürnberg. Motto: "Practice like you've never won, play like you've never lost!" -Michael Jordan

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