Die traurigen Umstände, unter denen Niklas P. sein Leben verlor, bewegten nicht nur die Menschen in Bonn. Der Schüler wurde am 6. Mai 2016 auf seinem Heimweg tödlich verletzt. Ein knappes Jahr später wurde nun der Hauptangeklagte, Walid S., freigesprochen.
Der 17-jährige Niklas befand sich in Begleitung von zwei Freunden auf dem Heimweg eines „Rhein in Flammen“-Konzerts, als es erst zur verbalen Provokation, dann zu körperlicher Auseinandersetzung kam. Seine Freunde blieben weitestgehend unversehrt, Umstehende griffen ein und konnten so die Schlägerei beenden. Leider erholte sich Niklas P. nicht wieder von seinen Kopfverletzungen, er verstarb am 12. Mai 2016 im Krankenhaus. Ärzte diagnostizieren im Nachhinein eine Vorbelastung der Gefäße im Hirn, sodass der Tatbestand nun „Körperverletzung mit Todesfolge“ lautete.
ZeugInnen besagten, es habe sich bei den Tätern um drei Männer mit Migrationshintergrund gehandelt. In diese Richtung wurde ermittelt, der vorbestrafte Walid S. war Hauptangeklagter im Prozess. Dieser verlief insgesamt schwierig, ein Nebenangeklagter bedrohte Zeugen, immer wieder widersprachen sich die Aussagen. Auch die Beweislage war uneindeutig, schließlich entlastete eine Zeugenaussage den 21-jährigen Walid S. – am 3. Mai wurde er nach einem Jahr in Untersuchungshaft freigesprochen.
Während des Prozesses trauert Bad Godesberg gemeinsam mit der Familie, ein Kreuz wird dort aufgestellt, wo Niklas P. verstarb. Die Kirche begleitet seine Familie, der Pfarrer der Gemeinde trauert ebenso am Kreuz wie einige muslimische Jugendliche, die dort beten.
Parallel dazu wird der Todesfall massiv politisch missbraucht: „Armes Deutschland“ ist die Botschaft, mit der 50 Neonazis durch den Ort ziehen. Zu einer Gegendemonstration versammeln sich 400 Menschen, hier soll nicht um Deutschland, sondern um den verstorbenen Jugendlichen getrauert werden.
Medial wird der Vorfall dargestellt als ein Einschnitt in das beschauliche Leben im Bonner Stadtteil. Unweit des Tatorts wird deutlich: ganz so beschaulich ist das Leben nicht überall in Bad Godesberg. Nur ein Bahngleis trennt dort das „reiche Villenviertel“ von einer „heruntergekommenen Bar-Meile“. Die wirtschaftliche Ungleichheit ist gravierend und an kaum einem Ort direkter zu erleben. Schon oft kam es hier zu Auseinandersetzungen, auch zu Prügeleien.
Der Fall des Niklas P. ist tragisch. Ein Jugendlicher verliert sein Leben, die Familie des Opfers und viele weitere Menschen trauern. Aber als wäre das nicht genug, müssen wir zur Kenntnis nehmen: der Tod des 17-jährigen wurde und wird enorm instrumentalisiert. Schon bevor Ermittlungen Früchte trugen, nutzten rechte Organisationen und Medien den Fall für ihre Zwecke. Auch nach dem richterlichen Freispruch bemühen sich diverse Parteien, ihren Nutzen aus dem Fall zu ziehen: Mehr polizeiliche Präsenz und Videoüberwachung sollen nun die Konflikte in Bad Godesberg beenden.